Lebens Zitate (Seite 215)
Lange hab' ich gelebt und gestrebt,
Viel gesponnen, doch wenig gewebt,
Mehr als ich wert war, ward ich geehrt,
Mehr als Verdienterem, Glück mir beschert:
Nur das Zeugnis darf ich mir geben,
Daß ich bemüht war, pflichttreu zu leben.
Wo ich gewichen vom rechten Pfade,
Hoff' ich in Demut auf Gottes Gnade,
Und in des lebenden Vaters Hände
Leg' ich den Lebensrest und mein Ende.
Moritz Wilhelm Heinrich Drobisch
Wohl manch Gebet klopft an des Himmels Pforte,
Das keinen Einlaß kann am Tor bekommen:
Weil allen Erdenwust es mitgenommen,
Um zu erscheinen vor dem höchsten Horte.
Wohl ist schon oft an einem stillen Orte
In einer Seele wie ein Blitz erglommen
Ein Lichtgedanke, heil'ger als der Frommen
Gebete und der Priester heil'ge Worte.
Das Beten ist nicht eine ird'sche Bitte,
Es holt nicht erst, es trägt in sich den Segen;
Das Beten ist nicht eine fromme Sitte:
Das Beten ist der Seele freies Regen,
Die...
Karl Ferdinand Dräxler-Manfred
Verlorene Sehnsucht
Ich wäre gern ein schlichter Mann geworden,
Der starken Anmut lebensfrohes Bild,
Ich wäre gern ein schlichter Mann geworden,
Mit einer Seele sonnenklar und mild.
An eines stillen Stromes grünen Borden
Hätt' ich das Leben gerne süß verträumt,
An eines stillen Stromes grünen Borden
Die wilde Lust, die wilde Qual versäumt. –
Ich wäre gern ein schlichter Mann geworden…
Felix Dörmann
Lies nur ein paar Worte, wenn du willst
Und sprich noch weniger,
Aber handle nach den Gesetzen der Lehre,
Gib die alten Wege der
Leidenschaft, Feindschaft und Täuschung auf
Und gewinne Einsicht und einen freien Geist,
Der an nichts in dieser oder der nächsten Welt gebunden ist.
Dann wirst du am vollendeten Leben teilnehmen!
(20. Vers)
Dhammapada
Erfüllung
Daß du auch an meinem Herzen,
Herz, nur neue Sehnsucht fühlst
und dich in vergangne Schmerzen
schmerzlicher als je verwühlst:
ist das nicht Erfüllung. Du?
Wenn die Erde schmilzt vom Eise,
daß die Luft nach Frühling schmeckt,
und in immer neuer Weise
wild ihr Grün zum Himmel reckt:
ist das nicht Erfüllung, Du?
Wenn wir dann noch Ostern feiern,
weil ein Mensch sein Leben ließ,
der den Frevlern wie Kasteiern
gleiche Seligkeit verhieß:
ist das nicht Erfüllung, Du?
Laß die tragische...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Bekenntnis
Ich will ergründen alle Lust,
so tief ich dürsten kann;
ich will sie aus der ganzen Welt
schöpfen, und stürb' ich dran.
Ich will's mit all der Schöpferwut,
die in uns lechzt und brennt;
ich will nicht zähmen meiner Glut
heißhungrig Element.
Ward ich durch frommer Lippen Macht,
durch zahmer Küsse Tausch?
Ich war erzeugt in wilder Nacht
und großem Wollustrausch!
Und will nun leben so der Lust,
wie mich die Lust erschuf,
Schreit nur den Himmel an um mich
ihr Beter von Beruf!
Richard Fedor Leopold Dehmel
Befreit
Du wirst nicht weinen. Leise, leise
Wirst du lächeln, und wie zur Reise
Geb ich dir Blick und Kuß zurück.
Unsre lieben vier Wände! Du hast sie bereitet,
Ich hab sie dir zur Welt geweitet –
O Glück!
Dann wirst du heiß meine Hände fassen
Und wirst mir deine Seele lassen,
Läßt unsern Kindern mich zurück.
Du schenktest mir dein ganzes Leben,
Ich will es ihnen wiedergeben –
O Glück!
Es wird sehr bald sein, wir wissen's beide.
Wir haben einander befreit vom Leide;
So geb' ich dich der...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Hoffe, hoffe! daß auch Ich kann hoffen!
Schleicht der Winter schon in unser Leben,
das noch kaum ein Frühlingsstrahl getroffen?
sahen darum wir den Himmel offen,
daß wir nun zu Grabe sollen streben?!
Glaube, glaube! nimm mir nicht den Segen,
daß ich Einen durch mich glücklich wisse!
Oh, es geht sich schwer auf meinen Wegen:
Schnee und Eis starrt von den Höh'n entgegen,
und im Abgrund gähnen Finsternisse!
Nein! von Liebe will ich Nichts dir sagen!
mußt es selber fühlen, ob die Gluten
dir empor...
Richard Fedor Leopold Dehmel
In der grünen Stille
Nun sind wir draußen in der grünen Stille
Und gehen sonder Wille für uns hin.
Nur Blätter sprechen laut um uns mit Sausen.
Es jagt vor uns des Morgenwindes Brausen,
Und Baum und Blätter wollen mit ihm fliehn.
Er ist ein Reiter, einer von den Kühnen,
Und Schatten winken hinter ihm im Grünen.
Vom Haselstrauch und Eichenlaub umgeben
Sind stille Winkel, wo kein Lufthauch geht;
Wo man sich taub hinlegt vom lauten Leben,
Und wo das Gras voll Sommerwärme steht.
Die Meisen zirpen...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Ein kahler Stein nackt wie ein Knochen
Liegt grinsend auf des Baches Grund,
Die Wasser ziehn ununterbrochen,
Bereden ihn mit schnellem Mund.
Er wird zum Antlitz blaß und düster,
Sieht zu mir auf von Schmerz gespannt,
Der Wellen unnützes Geflüster
Hat einen Namen mir genannt.
Ein tot Gesicht als Stein noch wartet
Auf das was einst mein Mund versprach;
Das Leben hat mit uns gekartet,
Mein Fleisch war stark, der Wille schwach.
Viel Schritte haben sich verloren,
Der Weg ist lang, der Weg ist...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Als siehst Du in ein Buch hinein
Als siehst Du in ein Buch hinein,
Und des blassen Papieres heller Schein
Liegt Dir im Gesicht, und bleich wie Stein
Wird Deine Stirn von des Buches Licht.
So gehst Du im Herbst den Weg, den hellen.
Die Bäume stehen wie wächserne Zellen,
Durchsichtig wie Körbe, lose geflochten,
Vom Licht durchflackert an allen Stellen;
Sie sind gleich Kerzen mit langen Dochten.
Und bleich beschienen von fremden Schmerzen,
Geht jeder unter den Bäumen hin,
Bleich, als trägt er...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey