Lebens Zitate (Seite 213)
Morgenlied
Die Sterne sind erblichen
mit ihrem güldnen Schein;
bald ist die Nacht entwichen,
der Morgen dringt herein.
Noch waltet tiefes Schweigen
im Tal und überall;
auf frisch betauten Zweigen
singt nur die Nachtigall.
Sie singet Lob und Ehre
dem hohen Herrn der Welt,
der überm Land der Meere
die Hand des Segens hält.
Es hat die Nacht vertrieben;
ihr Kindlein fürchtet nichts!
Stets kommt zu seinem Leben
der Vater allen Lichts.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Der Alte
Nun steh ich über Grat und Kluft
in abendlichen Rosen,
und höre durch die klare Luft
das Leben tief vertosen.
Ein Adler rauscht ins Tal hinab,
wo meine Toten schlafen,
was ich geliebt dort unten hab,
weiß ich in sicherm Hafen.
Und bin nun über Leid und Zeit
und meinen Sternen näher,
und schaue in die Ewigkeit,
ein stillgemuter Späher.
Durch eine selige Bläue schwimmt
ein Nachen da herüber,
naht, neigt den schwanken Bord, und nimmt
sanft schaukelnd mich hinüber.
Gustav Falke
Nun um mich her die Schatten steigen,
Stellst du dich ein, willkommnes Schweigen,
Du, aller tiefsten Sehnsucht wert.
Sehr hab ich unter Lärm und Last
Des Tags nach dir, du scheuer Gast,
Wie einem lieben Freund begehrt.
Das wirre Leben ist verklungen,
In Höhen ging und Niederungen
Längst jeder laute Schall zur Ruh.
Urstimmen, die der Tag verschlang,
Erklingen, mystischer Gesang –
Ja, süßes Schweigen, rede du.
Was über deinen stillen Mund
Aus einem rätseltiefen Grund
Mit leisem Murmeln quillt...
Gustav Falke
Erinnerung
In meinen Versen weint und lacht,
Was mir mein Leben reich gemacht.
Wie mir das stille Tröstung gibt:
Ich habe dich so sehr geliebt.
Auch du blickst wohl darauf zurück;
Und wars dir auch kein großes Glück,
Wars doch vielleicht, mags wenig sein,
Ein Wegestreckchen Sonnenschein.
Gustav Falke
.... und wenn du plötzlich
unnötigerweise gerade in dieser Minute
mit absoluter Klarheit erkennst
daß du die Last nicht tragen kannst?
Nein – nicht weil die Kraft nicht ausreicht
Du wirst nicht die Zeit haben
Du wirst ganz einfach nicht die Zeit haben
es zu Ende zu bringen.
Deine Sternstunden sind kein Perpetuum mobile
Sie werden zu Ende gehen
der Teufel wird sie holen
die Stunden deines Lebens –
aber nur vorübergehend
Es wird auch wieder andere geben ...
Norbert Esser
»Wann endlich«, dacht' ich, »sinnlos-blödes Spiel,
Wirst du dich enden? Auf und ab und auf
Wiegt seit Äonen sich die Lebensschaukel;
Auf einer Seite staunend sitzt das Leben,
Und auf der andern grinsend wippt der Tod –
Und auf und ab, stumpfsinnig, wird die Wippe
Durch Ewigkeiten gehn. Wo lebt der Gott,
Den dieses grause Einerlei vergnügt?
Der ärmste Menschengeist, er hätte längst
Voll Überdruß und Ekel dieses Spielzeug
Zertrümmert –!«
Otto Ernst
Zuversicht
Es ist das Wörtchen Zuversicht,
das uns am Leben hält,
denn ohne Hoffnung geht es nicht,
zu grau ist oft die Welt.
Die Zuversicht ist unser Pfand,
des Schicksals Rad zu dreh’n,
denn nirgends gibt’s ein Wunderland,
egal wohin wir geh’n.
Nur eigne Kraft und Zuversicht
läßt lebenswert gestalten,
sonst schafft man diese Bürde nicht
und alles bleibt beim Alten.
Die Zuversicht bringt stets Gewinn
in allen Lebenslagen,
sonst läuft umsonst die...
Klaus Ender
Altweibersommer
Der Abschied ist nun angesagt,
es trauert die Natur,
der Sommer ist zu sehr betagt,
es läuft jetzt seine Uhr.
Das Werden ist Vergangenheit,
es setzt das Scheiden ein,
es zeigt sich in Erhabenheit
als herbstlich schöner Schein.
Ein silberfarbnes Nachtgewand
ummantelt Berg und Tal,
die Welt – sie glänzt im Ruhestand,
die Sonne leuchtet fahl.
Es perlt der Tau von Halm und Blatt,
der Himmel zeigt sein Blau
und jeder Tropfen spiegelt matt,
verschönt des Abschieds...
Klaus Ender
Das Faß
Ein großes Faß aus hartem Holz,
es hat sein Werk vollbracht,
es hat den letzten Tropfen stolz,
zum Überlauf gebracht.
So steht es nun, im nassen Sand,
der Boden weicht schnell auf,
und was das Faß einst herrlich fand,
das nimmt jetzt seinen Lauf.
Der erste Tropfen war der Start,
zum großen Wasserschwall,
und was zur großen Hoffnung ward,
das wird zum großen Fall.
Das Faß verliert die Fassung,
dann kippt es gänzlich um,
so zeigt sich's wie im Leben,
wer übertreibt ist dumm.
Klaus Ender
Ist mir oft der Wunsch gekommen
Abzuschütteln diese Glieder,
Dieses Herz voll Sturm und Wunden –
Seid mir theuer, bittre Stunden,
Aber kehret niemals wieder!
Kannst du zwischen Zeilen lesen,
Steht es flammend dir geschrieben:
Nur der Wahnsinn flucht dem Leben,
Nur den Thoren macht es beben –
Wers begriffen, wird es lieben.
Ludwig Eichrodt
Gefesselt
Liebesglück und Liebesschmerz –
Die Minute macht zum Sklaven,
O des Gottes Pfeile trafen
Mein gestählt gewappnet Herz.
Trage Ketten, golden süß,
Aber immer sind es Ketten,
Goldne Ketten, süße Ketten,
Aber Ketten sinds gewiß.
In des Lebens Blütenzeit
Tief verletzt und schwer gebunden,
Und in Fesseln und in Wunden
Dennoch diese Seligkeit?
Ludwig Eichrodt