Lebens Zitate (Seite 206)
Krokodilromanze
Ich bin ein altes Krokodil
Und sah schon die Osirisfeier;
Bei Tage sonn ich mich im Nil,
Bei Nacht am Strande leg ich Eier.
Ich weiß mit listgem Wehgekreisch
Mir stets die Mahlzeit zu erwürken;
Gewöhnlich freß ich Mohrenfleisch
Und sonntags manchmal einen Türken.
Und wenn im gelben Mondlicht rings
Der Strand liegt und die Felsenbrüche,
Tanz ich vor einer alten Sphinx,
Und lausch auf ihrer Weisheit Sprüche.
Die Klauen in den Sand gepflanzt,
Tiefsinnig spricht sie:...
Emanuel Geibel
Törichte Träume
Was verfolgt ihr mich, ihr Träume,
will ja gar nichts von euch wissen,
schleicht euch ein in meine Kammer
und versteckt euch in den Kissen. –
Laßt mich endlich doch zufrieden,
fort ins Reich der Nachtgespenster;
in ein Flortuch sank mein Leben,
klopft kein Schatz an Tür und Fenster.
Und doch pocht und klopft es immer:
lachen möcht ich – und ich weine.
Lügenträume! Bin ja morgens
beim Erwachen doch alleine.
Else Galen-Gube
Verbotene Früchte
Sag, weißt du es wirklich nicht, mein Kind,
wie süß die verbotenen Früchte sind?
Im Garten der Jugend siehst du sie prangen,
wo sie an goldenen Zweigen hangen.
Für jeden sind sie leicht zu erreichen,
der Mut hat, von der Herde zu weichen
zum Pfad, der zu irdischen Wonnen führt –
Sag, hab ich nicht deinen Wunsch geschürt,
auch vom verbotenen Apfel zu kosten?
Willst lieber zu Hause sitzen und rosten,
in Ehren ein altes Jüngferlein werden?
Glaub mir, es lohnten die Götter auf...
Else Galen-Gube
In meine stillen Träume
In meine stillen Träume
schleichst du dich allnächtlich ein,
dein Haupt sinkt an meine Schulter,
der Mond blickt durchs Fenster herein.
Vor meinem Lager duften
die Rosen berückend schwül;
ich berge verwirrt mein Antlitz
in dem seidenen Spitzenpfühl.
Du bist ja zu mir gekommen
im Traume, in der Nacht;
da ist in mir Unglückseligen
die Leidenschaft neu erwacht.
Die Gluten, die schlummermüden,
schlugen zur Flamme empor,
ich suche im Traume das Leben
und finde verschlossen...
Else Galen-Gube
Ein Lied fast schon gesungen
Grundsätzlich lässt es sich arbeiten
in diesem poesieangefüllten Zimmer
mit Blick auf das Rasenviereck das
immergrüne die feuchtfröhlichen Stufen
zur Wäschespinne hinauf das Wort
auf der Zunge legt sich der Länge nach
wie ich es bette da ist ein Leben beinah
zur Hand da ist ein Lied fast schon
gesungen (denkst du) ach was da ist ein
Wort nichts als ein Wort und ein Gedicht
fast schon eine Notlüge meingott
Brigitte Fuchs
Hoffnung
O Hoffnung, Hoffnung! durch das ganze Leben
Gibst du dem Menschen freundlich das Geleite,
Ermutigst ihn im harten Schicksalsstreite,
Daß er nicht Raum mög' der Verzweiflung geben.
Ob Gram und Leid auch seinen Blick umweben
Und sich das Unheil hält an seiner Seite,
Doch sucht sein Blick aufs neue stets das Weite,
Und neu durch dich wird wiederum sein Streben.
Du hüllest lieblich ihm die Zukunft ein,
Erleichterst ihm der Gegenwart Beschwerden
Und milderst seines Herzens schlimmste...
Karl Franz Egon Frohme
Frühe Sonnen dringen
glühend aus den Zweigen –
Stern um Stern – Forsythia.
Sterbendes gebiert noch Leben,
letzte Kraft den Stern.
Flamme lodert – wilder Brand
hüpft entlang den Zweigen,
tanzt den Winterreigen,
frühen Tod im Blut.
Und sie fallen fern –
taumelnd Stern um Stern,
frühgeborene,
frühverlorene
Forsythien.
Carl Peter Fröhling