Leben Zitate (Seite 159)
Wie wundersam ... !
Wie wundersam ist dies Verlorengeh'n
In Liebestiefen ohne Ziel und Schranken:
Die ganze Welt mit lichten Augen seh'n,
Im Sonnenschimmer klarer Freude geh'n,
Eins sein in einem tiefen Glücksgedanken!
Und wie im Leben auch die Stürme weh'n,
Da ist kein Zagen und da ist kein Schwanken:
Fest steht die Liebe, wie die Sterne steh'n –
Wie wundersam ist dies Verlorengeh'n
In Liebestiefen ohne Ziel und Schranken!
Karl Stieler
Ja, schau mich an!
Ja, schau mich an mit deinen Blicken
Voll tiefer, seelensüßer Glut
Und trink' mir aus mit Spiel und Nicken –
Mein ganzes Herz, mein letztes Blut!
Ich kann dir nimmer widerstreben;
Nimm mich dahin – ich bin ja dein!
Nähr' deine Glut mit meinem Leben –
Und in der Glut vergeht mein Sein!
Karl Stieler
Worte
Die Worte sollen nicht Dornen sein,
Das bange Herz zu verwunden –
Es wird ja doch so selten ein Strauß
Von Rosen dem Leben gebunden.
Und wo so spärlich die Rosen blühn,
Verhüllt nur die Sterne scheinen,
Da darf durch's spitzige Wort kein Aug'
Eine einzige Thräne weinen.
Es sei das Wort fürs klagende Herz
Balsam der Wiederbelebung,
Zu Grabe tragend den herben Schmerz
Mit stillem Trost der Ergebung.
Karl Stelter
Die Nacht
Es fließt im dunklen Norden
Durch ragende Wälder ein Strom,
Auf seinen felsigen Borden
Steht einsam ein grauer Dom.
Die Lüfte des Friedhofs beben,
Die Seelen entpilgern dem Grab
Und streben zum Dom und schweben
Hier dämmernd auf und ab.
Und lispelnde Nymphen erheben
Sich über die spielende Flut
Und ordnen ein liebliches Leben
Mit leichtbeflügeltem Mut.
Und seinen Gesang läßt rauschen
Ein Barde vom Felsenhang,
Und Nymphen und Geister lauschen
Des Herzens bestürmendem Klang!
Johann Fercher von Steinwand
Entschlossenheit
Nie lügt das Herz, nie sehnt's vergebens,
Nicht ward es aus der Götter Schoß
Geschleudert in die Flut des Lebens,
Zu dulden eines Tantals Los.
Fürwahr, dem inneren Bestreben,
Zu dem kein Friede sich gesellt,
Ihm haben wir nicht Mut gegeben,
Sich zu befruchten mit der Welt.
Drum folge ohne viel Beraten
Dem edlen Wunsche, der dich zieht,
Die Götter wandeln mit den Taten
Und nur die Tat ist ihr Gebiet!
Johann Fercher von Steinwand
Das Schöne bewundern,
Das Wahre behüten,
Das Edle verehren,
Das Gute beschließen;
Es führet den Menschen,
Im Leben zu Zielen,
Im Handeln zum Rechten,
Im Fühlen zum Frieden,
Im Denken zum Lichte;
Und lehret ihn vertrauen
Auf göttliches Walten
In allem, was ist:
Im Weltenall,
Im Seelengrund.
Rudolf Steiner
Fülle des Lebens
Dein Stern erglänzt in Auferstehungsfrühen,
Dein Schicksal treibt, als Opfer sich zu spenden,
Durstige Flamme, kühn, sich zu verschwenden,
Wie Laubgerinnsel, die im Herbstwald sich verglühen.
In Fernen sind die Hölzer schon geschichtet,
Den Leib zu neuer Weihe zu empfangen –
Und schwellend ist, um das die Wimpel deiner Träume hangen,
Das Brautbett deiner letzten Sehnsucht aufgerichtet.
Ernst Maria Richard Stadler
Bruchstücke einer Dichtung
Sonnenaufgänge sing' ich und Sonnenuntergänge:
Aufgang und Untergang ist das Leben –
Aber einmal dämmern Tage,
Da die Nacht in graue Gräber fiel,
Ewig Sonnenleuchten über alle Welten flutet:
Einmal – und ich lausche in die Nacht,
Und mir ist, der fahle Dämmer trägt
Wie ein zitternd Ahnen fernes Pochen,
Abglanz jener tausend Morgenchöre,
Die der Welten hehrstes Fest umbrausen,
Und ich grüße aus dem Zwang der Nacht
...
Ernst Maria Richard Stadler
Was waren Frauen
Was waren Frauen anders dir als Spiel,
Der du dich bettetest in soviel Liebesstunden:
Du hast nie andres als ein Stück von dir gefunden,
Und niemals fand dein Suchen sich das Ziel.
Du strebtest, dich im Hellen zu befreien,
Und wolltest untergeh'n in wolkig trüber Flut –
Und lagst nur hilflos angeschmiedet in den Reihen
Der Schmachtenden, gekettet an dein Blut.
Du stiegst, dein Leben höher aufzutürmen,
In fremde Seelen, wenn dich eigne Kraft verließ,
Und sahst erschauernd...
Ernst Maria Richard Stadler
Form ist Wollust
Form und Riegel mußten erst zerspringen,
Welt durch aufgeschlossne Röhren dringen:
Form ist Wollust, Friede, himmlisches Genügen,
Doch mich reißt es, Ackerschollen umzupflügen.
Form will mich verschnüren und verengen,
Doch ich will mein Sein in alle Weiten drängen -
Form ist klare Härte ohn' Erbarmen,
Doch mich treibt es zu den Dumpfen, zu den Armen,
Und in grenzenlosem Michverschenken
Will mich Leben mit Erfüllung tränken.
Ernst Maria Richard Stadler
Der Spruch
In einem alten Buche stieß ich auf ein Wort,
Das traf mich wie ein Schlag und brennt durch meine Tage fort:
Und wenn ich mich an trübe Lust vergeb,
Schein, Lug und Trug zu mir anstatt des Wesens hebe,
Wenn ich gefällig mich mit raschem Sinn belüge,
Als wäre Dunkles klar, als wenn nicht Leben tausend wild verschlossne Tor trüge,
Und Worte wieder spreche, deren Weite nie ich ausgefühlt,
Und Dinge fasse, deren Sein mich niemals aufgewühlt,
Wenn mich willkommner Traum mit Sammethänden...
Ernst Maria Richard Stadler