Kleine Zitate (Seite 20)
Das Ja-Wort
Der Gründer, wißt Ihr, strotzt von Geld,
Nun hört, ich thu Euch kund:
Der größte Gründer von der Welt
Das ist des Mädchens Mund.
Des Mädchens Mund ist fein und klein; –
Doch ob Ihr's glauben wollt,
Ein Wörtchen soll darinnen sein,
Das wiegt 'nen Centner Gold.
Ein wenig thut sich auf der Mund –
Wupp ist das Wörtchen da,
Und wer es fängt, der thut 'nen Fund,
Das Wörtchen das heißt "ja".
Ernst von Wildenbruch
Weine nicht
»Leg den Kopf an meine Schuler,
gib dein Herz in meine Hand,
lass dein Denken einfach treiben,
verwisch die Spur im losen Sand.
Deine Seele liebt das Morgen,
schau mich nicht so traurig an.
Risse spiegeln tausend Tode,
was im Gestern rein begann.«
Traurigkeit erzeugt mein Fühlen,
seh' die Qual in dem Gesicht.
Still zu mir spricht ihre Stimme:
»Bitte Kleines, weine nicht.«
Damaris Wieser
Sicheres Merkmal
Ich blicke hinaus zum Fensterlein
Beim Morgensonnenstrahl,
Da sah durch die Scheibe die Liebe herein
Zum allerersten Mal!
Den lächelnden Blick, so warm und weich,
Ich sah ihn noch nie vorher,
Und doch – wie kam's? – ich wußt' es gleich,
Daß es die Liebe wär!
Doch ließ ich noch eine kleine Frist
Geschlossen das Fensterlein,
Ich wußte, wenn es die Liebe ist,
So schlägt sie die Scheiben ein!
Wilhelmine Gräfin von Wickenburg-Almasy
Selige Stunde
In deiner Näh'
Ist mir so gut,
Mein Wilde, mein Weh
Nun bei dir ruht.
Siehst du mich an,
So weicht der Bann,
Der mich dunkel umfangen;
Ich schmieg in dein Gewand
Den Flittertand
Eitler Gedanken.
Meine Wünsche, die weit
Über Raum und Zeit
Spielen und schwanken,
Sie ziehn die Segel ein
In deinem Hafen,
Sie liegen stumm und klein
Und schlafen.
Paul Wertheimer
Frühling
Willkommen, schöne Schäferin
In deinem leichten Kleide,
Mit deinem leichten frohen Sinn,
Willkommen auf der Weide.
Sieh, wie so klar mein Bächlein fließt,
Zu tränken deine Herde!
Komm setz dich, wenn du müde bist,
Zu mir auf die grüne Erde.
Und trübt sich der Sonne goldiger Schein,
Und fällt ein kühlender Regen,
Dann ist mein Mantel nicht zu klein,
Wollen beide darunter uns legen.
Frank Wedekind
Nachtduftende Orchis
Waren's Blumen mit den wunderbaren
Silberhellen kleinen Flügelpaaren?
Oder waren's fragt ich Blumenengel,
Hingeheftet an die Blütenstengel?
Waren's Blumen die beim Mondenschimmer
Mir mit Duft erfüllt mein kleines Zimmer?
Oder hatten durch die Nacht geklungen
Traumhaft süße Überlieferungen?
Christian Wagner
Grabschrift unsres Haushahns
An diesem Baume ruht
der Haushahn, treu und gut.
Er führt' ins achte Jahr
der lieben Hennen Schar.
Als wackrer Ehemann
rührt' er kein Krümchen an,
was wir ihm vorgebrockt,
bis er die Fraun gelockt.
Nun strotzt er nicht mehr
im Hofe stolz umher
und jagt aus seinem Ort
des Nachbarn Hühner fort.
Nun schützt er nicht vor Graun
im Sturm und Nacht die Fraun.
Nun wecket uns nicht früh
sein helles Kikeriki.
Vor Alter blind und taub,
sank er zuletzt in Staub.
Sein Kamm, so...
Johann Heinrich Voß
Großer Bahnhof
Nicht warten
auf den Zug, der einfährt
in den Bahnhof Deiner Träume
denn nie erkennst Du wirklich
seine Abfahrtszeit
Zurücktreten bitte!
Verspätung auf Gleis neun!
Und wichtig ist auch nicht,
wohin er fährt, der Zug
denn oft gibt es kein Ziel
das wirklich weit genug
Es ist die Reise
die Dich lockt
Weil hinter jeder Bahnstation
die nächste auf Dich wartet
Und Dein Gepäck?
Du brauchst nur Dein Gefühl
die kleine Tasche mit der großen Ungeduld
und etwas Liebe zum...
Götz vor dem Gentschenfelde
Die verschwiegene Nachtigall
Unter der Linden,
an der Haide,
wo ich mit meinem Trauten saß,
da mögt ihr finden,
wie wir beide
die Blumen brachen und das Gras.
Vor dem Wald mit süßem Schall,
Tandaradei!
sang im Tal die Nachtigall.
Ich kam gegangen
zu der Aue,
mein Liebster kam vor mir dahin.
Ich ward empfangen
als hehre Fraue,
daß ich noch immer selig bin.
Ob er mir auch Küsse bot?
Tandaradei!
Seht, wie ist mein Mund so rot!
Wie ich da ruhte,
wüßt' es einer,
behüte Gott, ich schämte mich.
Wie...
Walther von der Vogelweide
In der Vaterstadt
Das sind die alten Wege,
Die schattigen Alleen,
Des Parkes alte Stege,
Felsburg und kleine Seen.
Das sind die alten Gassen,
Der Marktplatz leer und breit,
Vollauf ist Raum gelassen
Für Kinderlustbarkeit.
Das sind die Laubengänge,
Die uns so wohl behagt,
Durch deren luft'ge Länge
Wir jauchzend uns gejagt.
Und hier am Hallenbaue,
Hier steht das Vaterhaus.
Ehrwürdig Haupt, o schaue –
Ich harre – schau heraus!
O Mutterbild, erscheine!
Geschwister, kommt ans Licht!
Der teueren...
Friedrich Theodor von Vischer
In ein Handschriftenalbum
(An S. P.)
"Das Ganze, das Meer, die unendliche Welt?"
Sei ruhig und schweife nicht in Gedanken!
Bestelle du treu dein gewiesen Feld,
Groß oder klein in seinen Schranken!
Und ist es selber nur wohl bestellt,
So wird es auch Früchte dem Ganzen bringen;
Eine Kette von Gliedern ist die Welt,
Ein Feld von Feldern, ein Ring von Ringen.
Friedrich Theodor von Vischer
Nachricht
(Dies ist eine Antwort auf folgendes Gespräch:
A. So sind die Mägdchen, wie ihr meynt, Denn keine Menschen?
B. Nein, Mein Freund!
A. Was sind sie denn? Herr Mägdchenkenner!
B. Lebendge Puppen für die Männer.)
Nun, da es Gleim im Scherz geschrieben,
Daß alle Mägdchen Puppen wären;
Hält mancher uns im Ernst für Puppen,
Als wären wir für ihn gedrechselt.
Doch wißt, ihr stolzen Mägdchenkenner,
Ihr kleinen Zwecke kleiner Puppen!
Als die Natur uns euch bestimmte,
Damit ihr mit...
Johanne Charlotte Unzer