Jungs Zitate (Seite 16)
Alt Heidelberg, du feine,
Du Stadt an Ehren reich,
Am Neckar und am Rheine
Kein' andre kommt dir gleich.
Stadt fröhlicher Gesellen,
An Weisheit schwer und Wein,
Klar ziehn des Stromes Wellen,
Blauäuglein blitzen drein.
Und kommt aus lindem Süden
Der Frühling übers Land,
So webt er dir aus Blüten
Ein schimmernd Brautgewand.
Auch mir stehst du geschrieben
Ins Herz gleich einer Braut,
Es klingt wie...
Joseph Victor von Scheffel
Der Ehemann
Zu Ende ist der Hochzeitsschmaus,
Der letzte Gast verläßt das Haus,
Und emsig eilt der Diener Schar,
Zurück bleibt nur das junge Paar.
Der Gatte drückt in heißer Lust
Das holde Weib an seine Brust,
Schwül brennt der roten Ampel Öl,
Er lispelt leise: enfin seul!
Drei Jahre drauf, zur Sommerzeit
Herrscht wieder große Emsigkeit
Im Haus, es rührt sich jede Hand:
Das holde Weibchen fährt aufs Land.
Mit vieler Müh und dito Zanken
Bringt er es an des Zuges Schranken,
Kehrt heim dann,...
Robert Scharl
Frühlings-Hymne
Dieser blaue Frühlingsmorgen-Himmel
Und dies junge frische Blattgewimmel,
Drin der Wind von Ast zu Aste springt –
Bis sich Blatt mit Blatt im Tanze schwingt –
Diese Flitterwochenzeit der Bäume,
Ihre ersten Sonnen-Blütenträume
Unterm blauen Hochzeitsbaldachin –
Dieses golddurchwirkte Farbenglühn …
O, dies unaussprechlich zarte Beben,
Leib-inLeib- und Seel-in-Seel-Verweben,
Dies Beseeltsein stummster Kreatur,
Offenbarend ihre Gottnatur! …
Bad dich nun, mein Herz, von Staub und...
Ludwig Scharf
Herbstlied
Bunt sind schon die Wälder,
Gelb die Stoppelfelder,
Und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
Graue Nebel wallen,
Kühler weht der Wind.
Wie die volle Traube
Aus dem Rebenlaube
Purpurfarbig strahlt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche mit Streifen
Rot und weiß bemalt.
Sieh! Wie hier die Dirne
Emsig Pflaum und Birne
In ihr Körbchen legt,
Dort mit leichten Schritten
Jene goldnen Quitten
In den Landhof trägt!
Flinke Träger springen,
Und die Mädchen singen,
Alles jubelt froh!
Bunte Bänder...
Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis
ungefährdet
der Junge schwört dümmlich
und die ungeheuerlich Angetrunkene
öffnet ihre verschwitzte Bluse
schwer Hängendes
Gewebeschwäche
der hochauflösende Zoom
entwickelt ihren Damenbart
und die Jungen
fläzen sich in dem ungeheuerlichen
Geruch aus Schweiß, Bier
und übersäuertem Fleisch
für eine Flasche mehr doch
schluckt sie alles
Leben übergibt sich
bleibt liegen
verschwindet, verdauert
wird verdaut
Vergessen
das allein zählt
Peter Rudl
Liebst du
Liebst du um Schönheit, o nicht mich liebe!
Liebe die Sonne, sie trägt ein goldnes Haar!
Liebst du um Jugend, o mich nicht liebe!
Liebe den Frühling, der jung ist jedes Jahr!
Liebst du um Schätze, o nicht mich liebe!
Liebe die Meerfrau, sie hat viel Perlen klar!
Liebst du um Liebe, o ja, mich liebe!
Liebe mich immer, dich lieb' ich immerdar.
Friedrich Rückert
In Lüften hängt ein Lerchenton
Mein Ohr hat staunend ihn vernommen
ist's eine die noch nicht entflohn?
Ist's eine die zurückgekommen,
Gelockt von Frühling schon
Da rings die Schöpfung noch von Winter ist?
Durch meine Seele zieht ein Schwung,
denn jeder Ton hat angeschlagen.
Ist's Ahnung, ist's Erinnerung
Von künftigen, von vor'gen Tagen?
Ich fühle nur mich jung
Ob wie ich's war, ob wie ich sein werd'? Ist zu fragen.
Verklungen ist die Melodie
Verklungen von Schneewolkenherden
Und Winter ist's...
Friedrich Rückert
Wehe Liebe
Du sagst, ich sei jung –
Das nimmt mir die Ruh,
Du sagst, ich sei schön –
Ich weine dazu!
Was soll mir die Jugend,
Ich bin ja allein,
Was taugt mir die Schönheit -
Sie ist ja nicht dein!
Ich habe dich lieb –
Du fühlst nicht, wie sehr,
Ich trage ein Leid –
Du weißt nicht, wie schwer !
Ich hatte ein Hoffen,
Das ist nun todt…
Ach, Gott,
Erbarm' dich meiner Noth!
Anna Ritter
Und damals tat's nicht halb so weh.
Was gingst du nicht in jener Nacht,
Da ich dir trotzig sagte; "Geh!"
Auch heute gilt dasselbe Wort
Und damals tat's nicht halb so weh.
Ach, damals wagt' ich noch den Kampf,
Da war ich mutig, jung und stark,
Doch wenn du heute von mir gehst,
Dann trifft der Streich mich bis ins Mark.
Anna Ritter
Giraffen im Zoo
Wenn sich die Giraffen recken,
Hochlaub sucht die spitze Zunge,
Das ihnen so schmeckt, wie junge
Frühkartoffeln mit Butter mir schmecken.
Hohe Hälse. Ihre Flecken
Sehen aus wie schön gerostet.
Ihre langsame und weiche
Rührend warme Schnauze kostet
Von dem Heu, das ich nun reiche.
Lauscht ihr Ohr nach allen Seiten,
sucht nach wild vertrauten Tönen.
Da sie von uns weiter schreiten,
Träumt in ihren stillen, schönen
Augen etwas, was erschüttert,
Hoheit. So, als ob sie wüßten,
Daß...
Joachim Ringelnatz
Rückblick
Ich sehe hinter dem Grau heute Blau
Und bin milder geworden.
Ich bin nicht mehr der junge Radau
Und wehe nicht mehr aus Norden.
Es kommen die Jüngsten auch mal dahin,
Wenn sie streng Zauderndes wagen
Und fragen nach jedem »Wie ist ...?« dann: »Wie bin ...?«
Und werden still Danke sagen.
Joachim Ringelnatz
Abschiedsworte an Pellka
Jetzt schlägt deine schlimmste Stunde,
Du Ungleichrunde,
Du Ausgekochte, du Zeitgeschälte,
Du Vielgequälte,
Du Gipfel meines Entzückens.
Jetzt kommt der Moment des Zerdrückens
Mit der Gabel! – Sei stark!
Ich will auch Butter und Salz und Quark
Oder Kümmel, auch Leberwurst in dich stampfen.
Mußt nicht so ängstlich dampfen.
Ich möchte dich doch noch einmal erfreu'n.
Soll ich Schnittlauch über dich streun?
Oder ist dir nach Hering zumut?
Du bist so ein...
Joachim Ringelnatz
Lieben
Ob du's noch denkst, daß ich dir Äpfel brachte
und dir das Goldhaar glattstrich leis und lind?
Weißt du, das war, als ich noch gerne lachte,
und du warst damals noch ein Kind.
Dann ward ich ernst. In meinem Herzen brannte
ein junges Hoffen und ein alter Gram ...
Zur Zeit, als einmal dir die Gouvernante
den ›Werther‹ aus den Händen nahm.
Der Frühling rief. Ich küßte dir die Wangen,
dein Auge sah mich groß und selig an.
Das war ein Sonntag. Ferne Glocken klangen,
und Lichter gingen durch...
Rainer Maria Rilke