Jahr Zitate (Seite 21)
Herbst Lebensabend
Du, dieses Jahres Abend, Herbst,
Sei meines Lebensabends Bild!
Wie langsam du den Hain entfärbst,
Und deine Sonn' ist frühlingsmild:
Es lacht das grünende Gefild'
Tief im Oktober ohne Frost,
Und in der Traube schwillt der Most,
Wie in der Brust Begeist'rung schwillt.
Friedrich Rückert
Wie sich die Zeit des Verstandes verschiebt,
da doch die Jahre nicht säumen:
Leider in Träumen und Schäumen
sind mir so viele verstaubt und verstiebt.
Neigung, sie läßt sich nicht zäumen,
wie das Laub in den Bäumen
unwiderstehlich von frischem schiebt.
So in den blühenden Räumen
des Frühlings bin ich nun wieder verliebt.
Friedrich Rückert
Hielte die Jugend immer Maß
Und verstünden die Philister Spaß,
Geriet' in jedem Jahre der Wein,
Oder tät's Gold vom Himmel schnei'n;
Wären die Weiber durch die Bank
Schön und gefällig und ohne Wank;
Gäb's vor der Wahrheit keine Scheu,
Und keine Torheit und keine Reu;
Könnte man fürder ungeprellt
Über Tag und Herz und Willen schalten,
Wär's in so hochvollkomm'ner Welt
...
Otto Roquette
Zwischen zweier Jahre Sarg und Windel
Wiederholt sich immer solch historischer Schwindel,
Der zumal Kalenderfabrikanten
Und viele alte antitot gesinnte Tanten
Hochbeglückt.
Und auch mich.
Prosit Neujahr, Brüder!
Ich bin heute lüder-
lich.
Ja, ich brülle und betrinke mich.
Mich schlägt keine Uhr.
Und ich wünsche jedem Menschen nur:
Daß von dem, was er mit losem Munde
Heute erfleht,
möglichst wenig in Erfüllung geht.
Weil die Welt mir doch zu jeder Stunde
So am richtigsten erscheint, wie sie...
Joachim Ringelnatz
Doch ihre Sterne kannst du nicht verschieben
Das Sonderbare und Wunderbare
Ist nicht imstande, ein Kind zu verwirren.
Weil Kinder wie Fliegen durch ihre Jahre
Schwirren. – Nicht wissend, wo sie sind.
Nur vor den angeblichen wahren
Deutlichkeiten erschrickt ein Kind.
Das Kind muß lernen, muß bitter erfahren.
Weiß nicht, wozu das frommt.
Hört nur: Das muß so sein.
Und ein Schmerz nach dem andern kommt
In das schwebende Brüstchen hinein.
Bis das Brüstchen sich senkt
Und das Kind denkt.
Joachim Ringelnatz
Jetzt gehn die Lüfte manchesmal als trügen
sie unsichtbar ein Schweres welches schwankt.
Wir aber müssen uns mit dem begnügen
was sichtbar ist. So sehr es uns verlangt
hinauszugreifen über Tag und Dasein
in jenes Wehen voller Wiederkehr.
Wie kann ein Fernes so unendlich nah sein
und doch nicht näher kommen? Nicht bis her?
Das war schon einmal so. Nur damals war
es nicht ein zögerndes im Wind gelöstes
Vorfrühlingsglück. Vielleicht kann Allergrößtes
nicht näher bei uns sein, so wächst das...
Rainer Maria Rilke
Erinnerung
Und du wartest, erwartest das Eine,
das dein Leben unendlich vermehrt;
das Mächtige, Ungemeine,
das Erwachen der Steine,
Tiefen, dir zugekehrt.
Es dämmern im Bücherständer
die Bände in Gold und Braun;
und du denkst an durchfahrene Länder,
an Bilder, an die Gewänder
wiederverlorener Fraun.
Und da weißt du auf einmal: das war es.
Du erhebst dich, und vor dir steht
eines vergangenen Jahres
Angst und Gestalt und Gebet.
Rainer Maria Rilke
Die Liebende
Ja ich sehne mich nach dir. Ich gleite
mich verlierend selbst mir aus der Hand,
ohne Hoffnung, daß ich das bestreite,
was zu mir kommt wie aus deiner Seite,
ernst und unbeirrt und unverwandt.
...jene Zeiten: O wie war ich Eines,
nichts was rief und nichts was mich verriet;
meine Stille war wie eines Steines,
über den der Bach sein Murmeln zieht.
Aber jetzt in diesen Frühlingswochen
hat mich etwas langsam abgebrochen
von dem unbewußten dunkeln Jahr.
Etwas hat mein armes warmes...
Rainer Maria Rilke
Das Jahr geht still zu Ende,
Nun sei auch still mein Herz.
In Gottes treue Hände
Leg ich nun Freud und Schmerz.
Wird uns durch Grabeshügel
Der klare Blick verbaut,
Herr, gib der Seele Flügel,
Daß sie hinüberschaut.
Hilf Du uns durch die Zeiten
Und mache fest das Herz.
Geh selber uns zur Seiten
Und führ uns heimatwärts.
Eleonore Fürstin Reuß
Kleines Geburtstagsgedicht
Der Zeiger Deiner Lebensuhr rückt weiter.
Nimm dieses heut' zum Anlaß und sei heiter,
obwohl - wenn man es pessimistisch formuliert -
der Rest des Lebens doch ein weit'res Jahr verliert!
Zum Glück bist Du von Haus aus Optimist.
Du nimmst das Leben, wie es wirklich ist
und feierst Deine Feste, wie sie fallen.
Viel Spaß dabei und Glückwunsch von uns allen!
Klaus Reißig
Ein Jahr später
Es sind noch immer
die gleichen Wellen,
die gleichen Muscheln,
was immer ich find.
Es sind noch immer
die gleichen Dünen,
die Gräser, die Halme
und auch der Wind.
Es ist noch immer
der Zug in den Wolken.
Ein Hauch weht wieder
durch mein Haar.
Es sind noch immer
die gleichen Brücken
am Himmelsbogen
wie damals es war.
Otto Reinhards
Die alten Wege
Möcht' die gleichen Wege gehen
wie die Jahre je zuvor.
Möchte wieder Zweige schneiden
und die vielen Freuden teilen,
die mir schenkte die Natur.
Möcht' mich wieder fallen lassen
in den weißen Sand am Meer.
Möchte wieder auf den Wellen
wie ein Segelboot hinschnellen
und so vieles andre mehr.
Möchte meine Lebensjahre,
meine Kindheit wiedersehn.
Nicht das Böse soll mich schrecken,
Freude soll es überdecken,
ich will nur das Schöne sehn!
Will die Tage noch genießen
mit der Lieder...
Otto Reinhards
Krieg ist angesagt
Der nächste Krieg ist angesagt,
weil er schon an der Arktis nagt,
die Waffe, sie heißt Wasserkraft,
die tobend alles niederrafft.
Befehle gibt ein General,
dem ist der Globus ganz egal,
Klimawandel ist sein Name,
sein Heer, die Luft – äußerst warme.
Bald schickt er sie, die große Flut,
um zu zerstören Hab und Gut,
mit aller Wucht rollt sie ins Land,
kein Hindernis sind Deich und Wand.
Das Unheil dauert Jahre an,
weil niemand mehr was ändern kann,
der CO²-Ausstoß war viel zu...
Horst Rehmann