Jahr Zitate (Seite 18)
Jeder wünscht zum neuen Jahr!
Aber würde alles wahr,
Dann wär' es um die Welt,
Glaubt es, jämmerlich bestellt!
Wolltet ihr die Welt verbessern,
(Bloße Wünsche tun es nie,
Spiele sind's der Phantasie!)
Wolltet ihr die Welt verbessern,
Fange jeder an bei sich,
Denn der Mittelpunkt der größern
Welt ist jeglichem sein Ich.
Heinrich Daniel Zschokke
Stille des Herbstes
Im Herbste kommen der Wiese die Herbstzeitlosen
und mir die Lieder,
die lieben Kinder der Melancholie,
die dämmernden Lampen im Nebel blühn wieder,
sanft dunkelt das tiefe Zuhause gebrochener Lüfte,
die Landschaft am Lethe,
der Sommer verwelkt, und Verträumung
füllt Gärten des Himmels, balsamische Beete.
Wie einer, der heimkehrt, nachdenksam verweilt
sich das Jahr in den Räumen der Stunden,
in diesem Meer, dieser Stille von Schilf
voller Weite, in der sich die Wasser...
Albin Zollinger
Lied des Alten
Bald vergilbt das grüne Gras,
Rote Rosen werden blaß,
Und dein Flöten und Schalmei'n,
Hirte du,
Hirte, wird vergessen sein.
Über Nacht die Blüte fällt,
Übers Jahr dein braunes Zelt;
Nachtigallenlied verhallt,
Und dein Haar,
Und dein Haar erbleicht wie bald!
Deine Früchte höhlt der Wurm,
Deine Linde bricht der Sturm,
Deine Liebe freit der Tod:
Doch er läßt,
Doch er läßt dir deine Not!
Adolf von Wilbrandt
Jahres-Ende
Du greises Jahr: du eilst, dem Ziele zu
Rascher und rascher, sehnst dich nach der Ruh
In einem tiefen grenzenlosen Tod.
Doch sieh: ich eile schneller, nach dem Rot
Des neuen Morgens gierig, dir voraus.
O komm! Hinübergeh! Lösch aus, lösch aus!
Gezeichnetes, Beladenes, befleckt
Mit großer Müdigkeit, mit Schmerz bedeckt –
Vergeh – ich werde! Stirb – und ich vermag
Aufzuerstehn: o neuer, reinster Tag!
Maria Luise Weissmann
Aber mit einem Male erstrahlen
Tage der Nähe wie selige Segel,
Die auf dem Blau des Wassers sich malen.
Aber der Glückliche kennt nur Beharren.
Ach, er vergaß ganz die Sehnsucht der Tage
Gestern und vorher, die Jahre gehegte.
Ach, ihm erstarb ganz die brennende Frage
Wann? Und er sieht die Errettung verweilen,
Aber vom Glück?! – Und träumend entgleiten
Sieht er die Tage, die Segel enteilen
Silbern hinaus in verfließende Weiten.
Maria Luise Weissmann
Der Einsiedler
Er hatte seit Jahren nicht mehr gesät
Verstreut noch reifte ihm das Getreide
Zuletzt ließ er den Hafer ungemäht
Sein Pferd verlor sich auf der Weide.
Er brach eine Zeit noch Beeren vom Ast
Als müßte er einen Hunger stillen
Dann vergaß er auch diese letzte Last
Um seiner tieferen Ruhe willen.
Er saß vor der Hütte bei Tag und Nacht
Die Hütte verfiel in Wind und Regen
Allmählich wuchsen die Gräser sacht
Seinen Füßen und Knien...
Maria Luise Weissmann
Wie wird doch Alles enden noch?
Wie wird sich Alles wenden doch?
O frage nicht, es gibt die Zeit,
Wer weiß, dir nur zu bald Bescheid!
Schon manchen Sehnens bist du bar,
Das deiner Jungend theuer war,
Und jedes Jahr, das dir verstrich,
Betrog um eine Hoffnung dich.
Wie trügest du noch mit festem Mut
Du dieses Lebens mißlich Gut,
Blieb nicht für jeden nächsten Tag
Der Ungewißheit Reiz dir wach?
O frage nicht, was werden wird;
Geh' deine Straße unbeirrt,
Und spende Dank dem Weltengeist,
Daß du,...
Robert Waldmüller
Der Trappist
Es war der Pater Albertin
Trappist in Kentucky geworden,
Und dreißig Jahre schwieg er still,
Wie es Sitte ist in seinem Orden.
Doch jetzt, nach dreißig langen Jahren,
Hat er ein Weib zu sich genommen. –
"Der Sünder, der Ketzer, ist das ein Trappist?"
So zetern jetzt alle Frommen.
Der Mann war und ist ein braver Trappist
Und ist gar sehr zu beklagen. –
Doch jetzt, nachdem er verheiratet ist,
Da hat er erst recht nichts zu sagen! –
A. Wagner
Der verstockte Advokat
Zehn Jahre hat er advokiert,
Da war die Rechte lahmgeschmiert.
Drauf schrieb er links, der alte Sünder,
Und advokiert seither nicht minder.
Bald ist nun zwar, wie sich's gebührt,
Die linke Hand auch lahmgeschmiert.
Doch hofft nur nicht auf seine Buße:
Dann advokiert er mit dem Fuße.
Johann Heinrich Voß