Immer Zitate (Seite 104)
Friedlich bekämpfen
Nacht sich und Tag:
Wie das zu dämpfen,
Wie das zu lösen vermag.
Der mich bedrückte,
Schläfst du schon, Schmerz?
Was mich beglückte
Sage, was war's doch, mein Herz?
Freude wie Kummer,
Fühl ich, zerrann,
Aber den Schlummer
Führten sie leise heran.
Und im Entschweben,
Immer empor,
Kommt mir das Leben
Ganz wie ein Schlummerlied vor.
Christian Friedrich Hebbel
An Alrune
Wenn du die letzten Gedanken denkst,
Sollst du darein mich schließen,
Wenn du die Seele von hinnen lenkst,
Will ich dich sterbend grüßen.
Und schliefst du ein Jahrtausend lang
Wohl unter Staub und Steine,
Mein süßes Lieb, sei mir nicht bang,
Du schlummerst nicht alleine.
Und flögst du durch die Himmel weit
Mit leicht beschwingten Füßen,
Ich komme, um in seliger Zeit
Dich immer wieder zu grüßen.
Ich vergesse dich nicht, ich lasse dich nicht,
Mein bist du im Engen und Weiten!
Dein...
Max Haushofer
Groß ist das Leben und reich!
Ewige Götter schenkten es uns,
lächelnder Güte voll,
uns, den Sterblichen, Freudegeschaffenen.
Aber arm ist des Menschen Herz!
Schnell verzagt, vergißt es der reifenden Früchte.
Immer wieder mit leeren Händen
sitzt der Bettler an staubiger Straße, drauf das
Glück mit tönernen Rädern
leuchtend vorbeifuhr.
Otto Erich Hartleben
Dennoch
"Dennoch" ist ein schönes Wort,
"Dennoch" heißt mein Glaube;
"Dennoch" sag' ich fort und fort,
Ob ich lieg' im Staube,
Ob ich steh'
Auf der Höh'
In des Glückes Schimmer,
"Dennoch" sag' ich immer.
Ob ich bleib' ein armer Mann
Und die Andern prangen,
Da ich weder will noch kann,
Wie sie es verlangen;
Ob der Welt
Es gefällt,
Mich darum zu plagen:
"Dennoch" will ich sagen.
"Dennoch" will ich stille sein
Und an Gott mich halten;
Dennoch laß ich ihn allein,
Meinen Vater, walten;
"Dennoch"...
Klaus (Claus) Harms
In Abendglut
Einst auf den Rosen hat mein Blick geruht,
und ihres Zaubers war ich trunken,
für jede Torheit fand ich einen Mut –
bis mir das Wunderreich versunken.
Dann dies und das und immer noch ein Traum ...
Nun ist's schon Abend ... wie wir lehnen
im Garten, häng' ich an der Wölkchen Saum,
an ihrer Glut mit meinem Sehnen.
Als gäb' es noch vor jener ew'gen Nacht,
nach jenen Rosen und den Lenzen,
ein letztes Glück voll ungeheurer Macht
und eine Torheit ohne Grenzen!
Hermann Hango
Begehren ist des Menschen höchster Trieb!
Das Denken ist ein Traum,
Und alles Handeln Stümperwerk,
Nur das Genießen ist das echte Tun!
Ein jeder Kelch verschäumt,
Das Schönste welkt,
Und nichts auf Erden währt:
Nur die Begier ist unsterblich!
Sie ist eine goldene Fliege,
Die, tausendmal ertränkt im Trank der Lust,
Wir auf den Grunde des geleerten Bechers
Doch immer wiederum lebendig finden.
Robert Hamerling
Die Tränen
Seid ihr immer da, ihr Tränen,
treu der Freude, treu dem Schmerz.
Heut gelockt von Liebestönen,
Morgen schmelzend Hasses Erz?
Oder muß nur ich so weinen,
weil mein Herz so töricht ist,
daß es um den einzig Einen
Alles Glück der Welt vergißt?
Tränen, die ins Meer versinken,
Also spricht der Sage Mund,
Werden einst als Perlen blinken
Auf dem dunklen Wellengrund.
Gram wird einst sich mild verklären
Über'm finstern Tal der Zeit,
Und so fließt denn meine Zähren,
Fließt...
Ida Gräfin von Hahn-Hahn
Reiz des Lebens
Immer hab' ich es geliebt,
Daß es Leute, die lebendig,
Solche, die nur öd-verständig,
Solche, die schon halb elendig,
Und auch ganze Narren gibt!
Was auch hätten wir zu tun,
Und was könnt' uns amüsieren,
Schwankten wir nicht zwischen Tieren
Und den göttlichsten Manieren?
Alles Leben müßte ruhn.
Blas, du Erdenwirbelwind,
Uns das Dasein scharf zu beizen!
Wollen uns nicht gegenspreizen –
Und besonders soll's uns reizen,
Wenn wir selbst die Narren sind!
Hanns Freiherr von Gumppenberg
Ein Wort – ein Zunder
Im Briefe Dein
Das Wörtchen klein:
"Ich liebe Dich!"
Wie fesselt's mich!
Daß ich darauf muß immer sehn,
Bis mir die Augen übergehn!
Das Wort im Brief
Wie warf es tief
Mir seine Glut
In Seel' und Blut!
Vielleicht geschrieben ohne Acht,
Was hat dies Wort in mir entfacht!
Sidonie Grünwald-Zerkowitz
Das Sein
Neue Sterne geboren im Wandel der Zeit,
dem Kosmos entrissen, Geröll, Staub und Gestein
aus toter Materie zum Licht zur Ewigkeit
erstrahlt im Glanze das immer währende Sein.
Atome verdichten im Zug der Gravitation
die Spaltung der Kerne, Reaktion der Fusion,
unsterbliches Feuer entfacht den Strahlenglanz
interpolierend entstanden aus Reaktanz.
Gerd Groß
Erinnerung
Hab' ich mich nicht losgerissen,
Nicht mein Herz von ihr gewandt,
Weil ich sie verachten müssen,
Weil ich wertlos sie erkannt?
Warum steht mit holdem Bangen
Sie denn immer noch vor mir?
Woher dieses Glutverlangen,
Das mich jetzt noch zieht zu ihr?
Tausend alte Bilder kommen,
Ach! und jedes, jedes spricht:
Ist der Pfeil auch weggenommen,
Ist es doch die Wunde nicht.
Franz Grillparzer
Herbstgefühl
Wie ferne Tritte hörst du's schallen,
Doch weit umher ist nichts zu sehn,
Als wie die Blätter träumend fallen
Und rauschend mit dem Wind verwehn.
Es dringt hervor wie leise Klagen,
Die immer neuem Schmerz entstehn,
Wie Wehruf aus entschwundnen Tagen,
Wie stetes Kommen und Vergehn.
Du hörst, wie durch der Bäume Gipfel
Die Stunden unaufhaltsam gehn,
Der Nebel regnet in die Wipfel,
Du weinst, und kannst es nicht verstehn.
Martin Greif