Immer Zitate (Seite 102)
Einstweilen
Die alte Welt ist ein altes Haus
Und furchbar ungemüthlich,
Der Nordwind pustet die Lichter aus –
Ich wollte, wir lägen mehr südlich!
Ich wollte… Puh Teufel, wie das zieht!
Der Hagel prallt an die Scheiben,
Drum singt nur einstweilen das tröstliche Lied:
Es kann ja nicht immer so bleiben.
Hermann Oscar Arno Alfred Holz
Zwischen Gräben und grauen Hecken,
den Rockkragen hoch, die Hände in den Taschen,
schlendre ich durch den frühen Märzmorgen.
Falbes Gras, blinkende Lachen und schwarzes Brachland
so weit ich sehn kann.
Dazwischen,
mitten in den weissen Horizont hinein,
wie erstarrt,
eine Weidenreihe.
Ich bleibe stehn.
Nirgends ein Laut. Noch nirgends Leben.
Nur die Luft und die Landschaft.
Und sonnenlos, wie den Himmel, fühl ich mein Herz!
Plötzlich ein Klang,
Ich starre in die Wolken.
Über mir,...
Hermann Oscar Arno Alfred Holz
Aus weissen Wolken
baut sich ein Schloss.
Spiegelnde Seen, selige Wiesen,
singende Brunnen aus tiefstem Smaragd!
In seinen schimmernden Hallen
wohnen
die alten Götter.
Noch immer,
abends,
wenn die Sonne purpurn sinkt,
glühn seine Gärten,
vor ihren Wundern bebt mein Herz
und lange . . . steh ich.
Sehnsüchtig!
Dann naht die Nacht,
die Luft verlischt,
wie zitterndes Silber blinkt das Meer,
und über die ganze Welt hin
weht ein Duft
wie von Rosen.
Hermann Oscar Arno Alfred Holz
Die frühe Liebe
Schon im bunten Knabenkleide
Pflegten hübsche Mägdelein
Meine liebste Augenweide,
Mehr als Pupp' und Ball zu sein.
Ich vergaß der Vogelnester,
Warf mein Steckenpferd ins Gras,
Wenn am Baum bei meiner Schwester
Eine schöne Dirne saß.
Freute mich der muntern Dirne,
Ihres roten Wangenpaars,
Ihres Mundes, ihrer Stirne,
Ihres blonden Lockenhaars.
Blickt auf Busentuch und Mieder,
Hinterwärts gelehnt am Baum;
Streckte dann ins Gras mich nieder,
Dicht an ihres Kleides Saum.
Was ich...
Ludwig Heinrich Christoph Hölty
O heilig Herz der Völker, o Vaterland!
Allduldend gleich der schweigenden Mutter Erd'
Und allverkannt, wenn schon aus deiner
Tiefe die Fremden ihr Bestes haben.
Sie ernten den Gedanken, den Geist von dir,
Sie pflücken gern die Traube, doch höhnen sie
Dich, ungestalte Rebe, daß du
Schwankend den Boden und wild umirrest.
Du Land des hohen ernsteren Genius!
Du Land der Liebe! Bin ich der Deine schon,
Oft zürnt ich weinend, daß du immer
Blöde die eigene Seele leugnest.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Jede Seele, sie durchwandelt der Geschöpfe Stufenleiter:
Formentauschend, rein und reiner, immer höher, hell und heiter,
Lebt sie fort im Wurm, im Frosche, im Vampir, im niedern Sklaven,
Dann im Tänzer, im Poet, im Trunkenbold, im edlen Streiter ...
Sehet: eine gleiche Reihe Seelenhüllen, Truggestalten
Muß der Dichtergeist durchwandeln, stets verklärter, stets befreiter:
Und er war im Werden Gaukler, war Vampir und war Brahmane,
Leere Formen läßt er leblos und strebt höher, wahrer, weiter...
Hugo von Hofmannsthal
Kindergebet
Lieber Gott und Engelein,
Laßt mich gut und fromm sein
Und laßt mir mein Hemdlein
Recht bald werden viel zu klein.
Laßt mich immer weiter gehn,
Viele gute Menschen sehn,
Wie sie aus den Augen sehn,
Laßt sogleich mich sie verstehn.
Und mit ihnen fort und fort
Freuen mich an gutem Ort,
Und zur Zeit der Einsamkeit
Gibt, daß Sternenglanz mich freut.
Hugo von Hofmannsthal
Wir sind aus solchem Zeug wie das zu Träumen,
Und Träume schlagen so die Augen auf,
Wie kleine Kinder unter Kirschenbäumen,
Aus deren Krone den blassgoldnen Lauf
Der Vollmond anhebt durch die grosse Nacht.
Nicht anders tauchen unsre Träume auf.
Sind da und leben, wie ein Kind, das lacht,
Nicht minder gross im Auf- und Niederschweben
Als Vollmond, aus Baumkronen aufgewacht.
Das Innerste ist offen ihrem Weben,
Wie Geisterhände im versperrten Raum
Sind sie in uns und haben immer...
Hugo von Hofmannsthal
Über Vergänglichkeit
Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen:
Wie kann das sein, daß diese nahen Tage
Fort sind, für immer fort, und ganz vergangen?
Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt,
Und viel zu grauenvoll, als daß man klage:
Daß alles gleitet und vorüberrinnt.
Und daß mein eigenes Ich, durch nichts gehemmt,
Herüberglitt aus einem kleinen Kind,
Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd.
Dann: daß ich auch vor hundert Jahren war
Und meine Ahnen, die im Totenhemd,
Mit mir verwandt...
Hugo von Hofmannsthal
Fliegenmahlzeit
Die Familie Siebenbein
Führt heut, welche Wonne,
Alle hundert Kinderlein
In die Abfalltonne.
Mhm, wie riechts hier wunderbar
Nach verfaulten Pflaumen.
Ach, solch grüne Wursthaut gar
Kitzelt mir den Gaumen.
Schimmelkäse, alt und zäh,
Eine ganze Schüssel!
Kinder, wenn ich so was seh,
Wässert mir der Rüssel.
Immer schön manierlich sein,
Nicht so hastig schlecken!
Brumsebrim, es ist nicht fein,
Sich was einzustecken.
Sissilinchen, du vergißt:
Nicht mit allen sechsen!
Wenn...
Friedrich Hofmann
Liebesbrief an die Liebe
sie ist so tief und doch so leicht,
sie ist weit oben und doch so schwer.
sie nimmt mir die Kraft zu leiden
sie gibt mir die Schwäche Gefühl zu zeigen.
Ich atme sie mit jeden Atemzug ein und
sie nimmt mir die Luft zum Atmen
und doch erstick ich nicht an ihr.
Du dringst tief in mein Herz,
hinterläßt ein Wirrwarr von Gefühlen.
doch leider verläßt Du mich zu schnell,
kann dich nicht so recht genießen.
Bitte kehr für immer zurück.
Bernd Hoffmann
Gleichgewicht.
Es gibt da
ein seltsames Gleichgewicht
im Universum.
Zu allem
gibt es ein
Gegenteil.
Und:
Tun wir Gutes, kehrt es zu uns zurück.
Nicht immer sofort und manchmal nicht direkt.
Tun wir Schlechtes...
Überlassen wir doch den anderen ihre Entscheidung
und sorgen wir selbst dafür, daß uns
soviel Gutes
als möglich
widerfährt...
Steffen N. Hocker
Waldstimme
Wie deine grüngoldenen Augen funkeln,
Wald, du moosiger Träumer!
Wie so versonnen deine Gedanken dunkeln,
Saftstrotzender Tagesverträumer,
Einsiedel, schwer vom Leben!
Über der Wipfel Hin- und Wiederschweben:
Wie's Atem holt
Und näher kommt
Und braust,
Und weiter zieht
Und stille wird
Und saust!
Über der Wipfel Hin- und Wiederschweben
Hoch droben steht ein ernster Ton,
Dem lauschen tausend Jahre schon,
Und werden tausend Jahre lauschen.
Und immer dieses starke, donnerdunkle Rauschen.
Peter Hille
Waldesstimme
Wie deine gründgoldenen Augen funkeln,
Wald, du mosiger Träumer!
Wie deine Gedanken dunkeln,
Einsiedel, schwer von Leben,
Saftseufzender Tagesverträumer!
Über der Wipfel Hin- und Wiederschweben
Wie's Atem holt und näher braust.
Und weiter zieht - und stille wird - und saust.
Über der Wipfel Hin- und Wiederschweben
Hoch droben steht ein ernster Ton,
Dem lauschten tausend Jahre schon,
Und werden tausen Jahre lauschen ...
Und immer dieses starke, donnerdunkle Rauschen.
Peter Hille