Ich Will Zitate (Seite 38)
An Amor
Amor, Vater süßer Lieder,
Du mein Phöbus, kehre wieder!
Kehre wieder in mein Herze!
Komm! doch mit dem schlauen Scherze:
Komm und laß zugleich Lyäen
Dir zur Seite lachend gehen!
Komm mit einem holden Kinde,
Das mein träges Herz entünde,
Und durch feuervolle Küsse
Zum Horaz mich küssen müsse!
Willst du, Gott der Zärtlichkeiten:
Laß auch Schmerzen dich begleiten!
Ich will lieber deine Schmerzen,
Als nicht küssen und nicht scherzen.
Johann Peter Uz
Einsamkeit
Verflogne Taube an dem Felsenstrand,
Ein Wirbelwind hat dich dem Schwarm entführt!
Und mich, wie's meinem Wagemuth gebührt,
Verschlug ein Sturm ans gleiche Inselland.
Wir zwei zur selben Einsamkeit verbannt,
Bestimmt, daß eins des andern Frohmuth schürt,
Daß eins das andere zum Glück verführt,
Um das uns trog der Winde Unverstand.
Verflogne Taube! Laß uns Freunde sein
Und uns're Herzen aneinander wärmen,
So lang uns günstig ist der Sterne Schein.
Laß ab, dich um Verlorenes zu...
Ludwig Scharf
Verblühst du schon?
Du verblühst schon, holde Rose,
weckt dich nicht der Sonne Strahl?
O, du liebe, kleine, lose,
o, erblühe noch einmal!
Einmal öffne noch die Hülle,
sieh, ich will bescheiden sein,
einmal lass mich noch der Fülle
deines Glanzes voll erfreun!
Willst das Köpfchen nicht mehr heben?
Senkst die Blätter welk und fahl?
Ach! es wird ja Lenz im Leben
nur ein einzig, einzig Mal!
Rainer Maria Rilke
Die Nacht holt heimlich durch des Vorhangs Falten
Aus deinem Haar vergeßnen Sonnenschein.
Schau, ich will nichts, als deine Hände halten
und still und gut und voller Frieden sein.
Da wächst die Seele mir, bis sie in Scherben
den Alltag sprengt; sie wird so wunderweit:
An ihren morgenroten Molen sterben
die ersten Wellen der Unendlichkeit.
Rainer Maria Rilke
Vergessen
Du mußt vergessen lernen,
Mußt aus der Seele Grund
Das süße Bild entfernen,
Von dem das Herz dir wund!
Sieh, vor dir grüne Auen,
Mailust und Sonnenlicht:
Und du willst rückwärts schauen,
Mit Thränen im Gesicht?
Es sei! ich will's verschmerzen,
Doch nur vergessen nie,
Was dem gepreßten Herzen
Einst Himmelswonne lieh.
Willst du die Frommen schmähen,
die betend, sehnsuchtkrank,
Noch starr gen Westen sehen,
Wenn längst die Sonne sank?
Und willst du Ähren flechten
Zu Garben, hoch...
Robert Eduard Prutz
Schweigen
O Schweigen, Schweigen, komm, du letzter Schluß,
da mitzuteilen Haß nur weckt und Fehde.
Ergreif an ihrer Wurzel meine Rede,
laß einwärts sprossen, was denn sprossen muß.
Ich will dich tragen, wohin niemand kommt,
in Wälder, wo nur Tiere uns erfahren, –
bis du vielleicht nach vielen, vielen Jahren
das Wort mir schenkst, das mir und andern frommt.
Dann laß mich noch einmal vor Menschen stehn
und ihnen dieses eine Tiefste sagen –
und dich dann wieder in die Wälder tragen
und wie ein...
Christian Morgenstern