Ich Sein Zitate (Seite 78)
Es gibt da eine sehr bezeichnende Geschichte: Ich stehe an einem Sonntag in aller Früh beim Billa am Praterstern an der Kassa und bin wie immer in der Früh recht mürrisch. Ich brauch' einfach sehr lange, um im Tag drinnen zu sein, klare Gedanken fassen und reden zu können. Viele legen mir das als Arroganz aus. Da steh' ich also beim Billa an der Kassa und schau zu, wie meine Sachen über den Laser gezogen werden. Sagt die Frau an der Kassa: "Na privat sind'S aber lang ned so lustig wie im...
Oliver Baier
Wo du hingehst, da will auch ich hingehen, und wo du bleibst, da bleibe auch ich; dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe auch ich; da will auch ich begraben sein. Der Herr tue mir dies und das: nur der Tod soll mich von dir scheiden!
Altes Testament: Buch Ruth
Dichterlos
Wer einmal nur in Versen sprach,
Dem folgt das Unglück ewig nach,
Denn was er auch in Zukunft spricht,
Der Welt dünkt alles ein Gedicht.
Wenn warm sein Herz für Tugend glüht,
Ein göttlich Feuer aus ihm sprüht,
Singt er von Gott, von Recht und Pflicht,
Der Welt dünkt alles ein Gedicht.
Und gibt sein liebeheißer Mund
Die seligsten Gefühle kund,
Ich liebe Dich! – Man glaubt ihm nicht,
Hält seine Liebe für Gedicht.
Und foltert ihn der Sehnsucht Pein,
So klagt und weint er ganz...
Berthold Sengschmitt
Privat-Telegramm
Unsere Kasse darf leer sein.
Doch dein Herz darf nicht schwer sein.
Jedes entschlüpfte harte Wort
Von mir, – streichle du sofort!
Und rate mir in gleichem Sinn!
Jedes Schmollschweigen tobt ohne Sinn
Hetzerisch durch die Brust.
Ärger ist stets Verlust,
Und Verzeihung ist immer Gewinn.
Unserer beider Herzen mögen schwer sein
Durch gemeinsames Mißgeschick.
Aber keine Stunde zwischen uns darf liebeleer sein.
Denn ich liebe dich durch Dünn und Dick.
Joachim Ringelnatz
Jeder Mensch zweifelt
Jeder Mensch zweifelt im Leben,
bei Dingen, die er nicht versteht,
all sein Denken geht daneben,
wenn Unvorstellbares vorgeht.
Die Lösung hat er nicht parat,
sein Wissen zeigt die Grenze an,
ab einem ganz bestimmten Grad
versagt sein scharfes Denkorgan.
Er äußert sich nur lapidar:
"Ach, ich glaube – könnt' sogar sein –
eventuell ist es auch wahr."
Oder: "Es trügt doch nur der Schein."
Worte, die nicht weiterbringen,
des Menschen Zweifel bleibt besteh'n,
denn bei...
Horst Rehmann
Wie bedaure ich den Künstler, der seine Kunst bloß um der Erfolge willen liebt. Je echter seine Begabung ist, desto gleichgültiger werden sie ihm sein. Freilich ringt er nach Verständnis, ringt danach, das Ideal zu offenbaren, das er in seiner Seele trägt, aber seinen Schmerz, wenn er vergeblich war, kann kein Tadel der Menge erhöhen, und ihr unverdienter Beifall beschwichtigt die innere Stimme nicht. Zu welchen Resultaten der Ehrgeiz auch führen mag, er ist ein kleines Gefühl und der Kunst...
Arthur Stahl
Der Teufel is überhaupt nicht das Schlechteste, ich laß mich lieber mit ihm als mit manchem Menschen ein. Er ehrt das Alter, seine Großmutter steht hoch in Ansehen bei ihm, das is halt a schöner Charakterzug. Er halt aufn Handschlag, man siehts, daß er viel mit die Ritter z' tun g'habt, er erfüllt seine Verträge weit prompter als manch irdischer Schmutzian; freilich nachher am Verfallstag, da kommt er auf d' Minuten, Schlag zwölfe, holt sich seine Seel und geht wieder schön ordntlich nach...
Johann Nepomuk Nestroy
Doch will ich nicht, daß Du Gefährtin seist!
In diesem Namen prahlt die große Lüge.
Wenn Du bewirkst, daß ich mich klarvergnüge,
Nenne ich gerne dies Bewirken Geist.
Mit andern lebt man, was man leben heißt,
Übt seine Pflicht, spannt sich ins Jochgefüge
Der Arbeit ein für sie und holt sich Büge,
Die keines Gottes Hammer grade schweißt.
Du aber sei für mich das seltne Fest,
Das Bacchanal, bei dem man sich verschwendet!
Denn die Alltäglichkeit macht stumpf und schändet
Den Gott in uns und gibt...
Anton Wildgans
Ballade vom Schatten
(unvollendet)
Engte mich mein kleiner Schatten ein,
Kleiner Schatten, der mich streng umschrieb,
Mir drei Schritt voraus, zur Seite ging
Oder drei in meinem Rücken blieb.
Sprach ich: Schatten, böser Spiegel Schatten,
Soll ich ewig treuer Diener sein,
Immerfort von deinem Maß beschlossen,
Ewig Abbild und für ewig dein?
Schatten sprach darauf: Gib mir ein Licht,
Größres Licht gib mir, mich drin zu strecken,
Und ich geh von dir,...
Maria Luise Weissmann
Immerzu
Gestern, ah! das war ein Schweben,
Als zum Tanz die Hand sie gab!
Über Stock und Steine streben
Muß ich heut am Wanderstab.
Gestern glänzten weiße Brüste,
Die ein tiefes Athmen hob,
Heute starren in der Wüste
Felsenblöcke rauh und grob.
Gestern noch mit heißen Küssen
Deckte mich ihr weicher Mund,
Heut von scharfer Dorne Rissen
Trag' ich Hand und Wange wund.
Gestern löste mir die Glieder
Süßer Liebe Feuertrank,
Heute lieg' ich frierend nieder
Auf des Erdgrunds harte Bank.
Auf!...
Friedrich Theodor von Vischer
Wenn ich gestorben bin
Laß mich noch einmal deine Lippen küssen,
so Mund an Mund in sehnsuchtsvoller Pein,
mein Liebstes du, eh wir uns trennen müssen,
will ich noch einmal reich und glücklich sein.
Heut glüht dir noch der rote Blütensegen –
wohin ist morgen all der Duft und Glanz?
Wenn ich gestorben bin – dann wirst du legen
still auf mein Grab den weißen Rosenkranz.
Leon Vandersee
Sie schläft
Morgens, vom letzten Schlaf ein Stück,
nimm mich ein bißchen mit –
auf deinem Traumboot zu gleiten ist Glück –
Die Zeituhr geht ihren harten Schritt ...
pick-pack ...
»Sie schläft mit ihm« ist ein gutes Wort.
Im Schlaf fließt das Dunkel zusammen.
Zwei sind keins. Es knistern die kleinen Flammen,
aber dein Atem fächelt sie fort.
Ich bin aus der Welt. Ich will nie wieder in sie zurück –
jetzt, wo du nicht bist, bist du ganz mein.
Morgens, im letzten Schlummer ein Stück,
kann ich...
Kurt Tucholsky
Ein Tag mit dir
Du gleichst so ganz dem sonnenhellen Tag,
Den ich mit dir wie einen Traum durchlebte,
Der duftig über Tal und Höhen lag,
Daß jedes Blatt in Sommerlust erbebte.
Gedenk' ich dein, dann lächelt mir erhellt
Von deinem Blick die heitre Welt entgegen.
Die Blüte duftet und die Knospe schwellt,
Auf jedem Halme ruht ein stiller Segen.
Und in mir jauchzt es: sieh! der Sommer hat
Sich ewig seine Heimat hier gegründet -
Und ich vergesse, daß manch welkes Blatt
Zu meinen Füßen schon den...
Albert Träger