Ich Bin Zitate (Seite 118)
Morgenstund hat Gold im Mund
Ich bin so knallvergnügt erwacht.
Ich klatsche meine Hüften.
Das Wasser lockt. Die Seife lacht.
Es dürstet mich nach Lüften.
Ein schmuckes Laken macht einen Knicks
Und gratuliert mir zum Baden.
Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs
Betiteln mich ”Euer Gnaden.“
Aus meiner tiefsten Seele zieht
Mit Nasenflügelbeben
Ein ungeheurer Appetit
Nach Frühstück und nach Leben.
Joachim Ringelnatz
Am Rande der Nacht
Meine Stube und diese Weite,
wach über nachbetendem Land, –
ist Eines. Ich bin eine Saite,
über rauschende breite
Resonanzen gespannt.
Die Dinge sind Geigenleiber,
von murrendem Dunkel voll;
drin träumt das Weinen der Weiber,
drin rührt sich im Schlafe der Groll
ganzer Geschlechter...
Ich soll
silbern erzittern: dann wird
Alles unter mir leben,
und was in den Dingen irrt,
wird nach dem Lichte streben,
das von meinem tanzenden Tone,
um welchen der Himmel wellt,
durch...
Rainer Maria Rilke
Dann brachte mir dein Brief den sanften Segen
Dann brachte mir dein Brief den sanften Segen,
ich wußte, daß es keine Ferne gibt:
Aus allem Schönen gehst du mir entgegen,
mein Frühlingswind du, du mein Sommerregen,
du meine Juninacht mit tausend Wegen,
auf denen kein Geweihter schritt vor mir:
ich bin in dir!
Rainer Maria Rilke
Der Zufriedene
Zwar schuf das Glück hienieden
Mich weder reich noch groß,
Allein ich bin zufrieden,
Wie mit dem schönsten Los.
So ganz nach meinem Herzen
Ward mir ein Freund vergönnt,
Denn Küssen, Trinken, Scherzen
Ist auch sein Element.
Mit ihm wird froh und weise
manch Fläschchen ausgeleert!
Denn auf der Lebensreise
ist Wein das beste Pferd.
Wenn mir bei diesem Lose
Nun auch ein trüb'res fällt,
So denk' ich: keine Rose
Blüht dornlos in der Welt.
Christian Ludwig Reissig
Ein Schmetterling
Ein prächtig großer Schmetterling
mit bunt gefärbten Schwingen
und Fühlern grau, so grau wie Zink,
die auf und abwärts gingen.
Der Körper stark, graubraun bemalt,
als ob er zeigen müsste,
ich bin noch fit, jedoch schon alt,
hab trotzdem noch Gelüste.
Mit diesem Kurzszenario
erklärte mir der Falter
gekonnt, graziös und farbenfroh:
Du bist wie ich, ein – "Alter".
Horst Rehmann
Zärtlichkeit
Hast du Zeit –
für ein wenig Zärtlichkeit?
Ich bin bereit
für Zärtlichkeit in Worten –
an allen Orten.
Zärtlichkeit in Blicken –
das kann die Herzen entzücken.
Zärtlichkeit in einer geschriebenen Zeile,
darin ich gerne verweile.
Zärtlichkeit mit den Händen –
das alles soll nie enden!
Karin Obendorfer
Rendezvous
Ich bin verdammt zu warten
in einem Bürgergarten
auf das geliebte Weib.
Nun sitz ich hier als Beute
gewissenloser Leute
mit breitem Unterleib.
Sie sind so froh beim Biere,
bald zwei, bald drei, bald viere —
und reden vom Geschäft.
Die Gattin spricht vom Hause,
die Töchter trinken Brause,
und Flock, das Hündchen, kläfft.
Die Kellnerinnen schwirren.
Die Tischgeschirre klirren.
Der Himmel scheint so blau.
Wie süß ist's doch, zu warten
in einem Bürgergarten
auf die...
Erich Mühsam
Vorfrühling
Vorfrühling seufzt in weiter Nacht,
daß mir das Herze brechen will;
Die Lande ruh'n so menschenstill,
nur ich bin aufgewacht.
O horch, nun bricht des Eises Wall
auf allen Strömen, allen Seen;
Mir ist, ich müßte mit vergeh'n
und, Woge, wieder auferstehen,
zu neuem Klippenfall.
Die Lande ruh'n so menschenstill;
Nur hier und dort ist wer erwacht,
und meine Seele weint und lacht,
wie es der Tauwind will.
Christian Morgenstern
Lied der Welt
Flieg hin, Zeit, du bist meine Magd,
Schmück mich, wenn es nächtet, schmück mich, wenn es tagt,
Flicht mir mein Haar, spiel mir um den Schuh,
Ich bin die Frau, die Magd bist du.
Heia!
Doch einmal trittst du zornig herein,
Die Sterne schießen schiefen Schein,
Der Wind durchfährt den hohen Saal,
Die Sonn geht aus, das Licht wird fahl,
Der Boden gibt einen toten Schein,
Da wirst du meine Herrin sein!
O weh!
Und ich deine Magd, schwach und verzagt,
Gott sei's...
Hugo von Hofmannsthal
Die Raupe
Die Raupe auf dem Baume saß
Und von der Kron' die Blätter fraß.
Sie war im bunten Kleide,
Als wie von Samt und Seide,
Ein Staatsminister ging vorbei,
Der sah das Tier und rief: "Ei, ei!
Wie konnt es dir gelingen?
's geht nicht zu mit rechten Dingen!
Du unbegreiflich dummes Tier!
Ich wund're mich, drum sage mir:
Wie hast du's unternommen
Und bist so hoch gekommen?"
Und als die Raupe blieb nicht stumm,
Da wurd' er rot und dreht sich um.
Die Raupe hat gesprochen:
"Mein...
Adolf Glaßbrenner