Herzen Zitate (Seite 34)
Neues Leben
Standest jüngst noch wie verdorret,
Schlanker Baum auf stiller Au!
Deine kahlen Wipfel schwankten
Trauernd in der Nebel Grau.
Und nun prangst du tausenblütig
In dem schönsten Festtagskleid!
Neues Leben kehrte wieder
Und dahin ist Winterleid.
Stillt auch meines Herzens Sehnen
Bald ein lindes Frühlingsweh'n?
Feiert auch mein Geist beseligt
Bald ein herrlich Aufersteh'n?
Johann Philipp Glöckler
An die Damen
Es segne euch der Himmel,
Ihr würdige Schönen!
Seid ewig die Wonne
Der Jungen und Alten!
Seid ewig, wie heute,
Das Labsal der Männer!
Ihr laßt euch nur sehen,
So hüpfen schon Herzen.
Ihr zwinget die Alten
Zu Jünglingsgeberden.
Ihr labet die Jungen.
Was ist doch ein Leben,
Das ihr nicht versüßet?
Befragt nur die Männer.
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Zueignung
Ja, du weißt es, teure Seele,
Daß ich fern von dir mich quäle,
Liebe macht die Herzen krank,
Habe Dank.
Einst hielt ich, der Freiheit Zecher,
Hoch den Amethysten-Becher,
Und du segnetest den Trank,
Habe Dank.
Und beschworst darin die Bösen,
Bis ich, was ich nie gewesen,
heilig, heilig an's Herz dir sank,
Habe Dank.
Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg
Ein Lied
In der Tiefe meines Geistes gibt es ein Lied,
das Worte nicht fassen können;
Ein Lied, das aus einem Samen meines Herzens
wächst und nicht als Tinte fließt auf das Papier.
Mit einem lichten Mantel umschließt es mein Gefühl,
Zergeht auf meiner Zunge nicht wie Speichel.
Wie soll ich es entlassen, wenn nicht als einen Seufzer,
Wobei ich fürchte, daß es sich in Luft auflöst?
Wem werde ich dieses Lied singen, das keinen Wohnort kennt?
Als meinen Geist?
Ich bange drum, der Menschen Ohren...
Khalil Gibran
Oft in tiefer Mitternacht
Faßt mich ein unendlich Bangen
Um die Tage, die vergangen
Und mich nicht ans Ziel gebracht.
Was ich jung umsonst gesucht,
Kann ich's alternd noch erringen?
An die ausgewachsnen Schwingen
Hing sich, ach, des Siechtums Wucht.
– Wirf denn hin den Zauberstab,
Eh' er dir entsinkt mit Schmerzen!
Nimm die letzte Glut im Herzen
Ungesungen mit ins Grab! –
Still, o still! Ich lern' es nie,
Stumme Tage klug zu weben.
Trostlos Darben wär ein Leben
Ohne dich, o Poesie!
Nach dem...
Emanuel Geibel
Niemals werd' ich das vergessen,
Wie dein Arm mich noch umfing,
Jedes Wort beim bangen Pressen
Dir in Tränen unterging.
Ach, wir lernten erst im Scheiden
Unsre Liebe ganz verstehn,
Und doch war's uns beiden, beiden:
's ist auf Nimmerwiedersehn!
Seit der Stunde jener Schmerzen
Noch den Druck von deiner Hand
Fühl' ich kühl auf meinem Herzen,
Wie ich damals ihn empfand.
Und wenn alles schweigt um mich,
Mir aufs Bett die Sterne scheinen,
Ist mir oft, ich höre dich
In der Ferne weinen.
Emanuel Geibel
Sei du mit mir!
Herr, den ich tief im Herzen trage,
Sei du mit mir!
Du Gnadenhort in Glück und Klage,
Sei du mit mir!
Behüte mich am Born der Freude
Vor Übermut!
Und wenn ich an mir selbst verzage,
Sei du mit mir!
Dein Segen ist wie Tau den Reben,
Schwach bin ich sonst;
Doch daß ich kühn das Höchste wage,
Sei du mit mir!
O du mein Trost, du meine Stärke,
Mein Sonnenlicht!
Bis an das Ende meiner Tage
Verlaß mich nicht!
Emanuel Geibel
Das ist's
Das ist's, was an der Menschenbrust
Mich oftmals läßt verzagen,
Daß sie den Kummer wie die Lust
Vergißt in wenig Tagen.
Und ist der Schmerz, um den es weint,
Dem Herzen noch so heilig –
Der Vogel singt, die Sonne scheint.
Vergessen ist er eilig.
Und war die Freude noch so süß –
Ein Wölkchen kommt gezogen,
Und vom geträumten Paradies
Ist jede Spur verflogen.
Und fühl ich das, so weiß ich kaum,
Was mir weckt tiefre Schauer,
Daß gar so kurz der Freude Traum,
Oder so kurz die Trauer?
Emanuel Geibel
Weil ich ohne Groll und Klage
Dies Geschick des Lebens trage
Und den Sturm zur Ruh beschwor:
Meint ihr, daß ich drum vergessen,
Was ich einst so reich besessen,
Was ich, ach, so früh verlor?
Zwar die Tränen sind zergangen,
Zu des Tags bewegtem Prangen
Lernt' ich lächeln, wie vorher;
Doch geräuschlos, tief im Herzen,
Gehn die nie verwund'nen Schmerzen
Wie ein leiser Strom durch's Meer.
Emanuel Geibel
Lied
Ach, du fliehst vergebens
Was dich härmt und kränkt:
Keinem wird des Lebens
Bittrer Zoll geschenkt.
Wenn der erste süße
Jugendleichtsinn schwand,
Bleibt dir an die Füße
Stets ein Weh gebannt.
Zu den höchsten Matten,
Unter's stille Dach
Wandelt, wie dein Schatten,
Dir die Sorge nach.
Mischt zu jedem Glanze
Sich als Nebel still,
Nagt an jedem Kranze,
Der dir blühen will;
Bis du, unter Schmerzen,
An durchkämpftem Tag
Dir errangst im Herzen,
Was sie bänd'gen mag:
Muth, der...
Emanuel Geibel
Ich sah den Wald sich färben,
Die Luft war grau und stumm;
Mir war betrübt zum Sterben,
Und wußt es kaum, warum.
Durchs Feld von Herbstgestäude
Hertrieb das dürre Laub;
Da dacht' ich: Deine Freude
Ward so des Windes Raub!
Dein Lenz, der blütenvolle,
Dein reicher Sommer schwand;
An die gefrorne Scholle
Bist du nun festgebannt.
Da plötzlich flog ein klares
Getön in Lüften hoch:
Ein Wandervogel war es,
Der nach dem Süden zog.
Ach, wie der Schlag der Schwingen,
Das Lied ins Ohr mir kam,
Fühlt'...
Emanuel Geibel