Herz Zitate (Seite 77)
Nacht
Holde Nacht, wie still bist du, wie still!
Drunten fließen ruhelos die Wogen,
kommt ein Lichtlein noch heraufgezogen,
das in seinen Hafen will.
Ach, mein Sinn ist wundersam bewegt:
Wer sein armes, armes Herz begriffen,
möchte gerne in bekränzten Schiffen
dorthin, wo man alles schlafen legt.
Hell und heller grüßt der Sterne Schein,
und mir ist, als ob es Frühling werde ...
Überm Heimwehland der dunklen Erde,
ach, wie tief muß da der Friede sein!
Martin Boelitz
Selbsterkenntnis
Willst Welt und Menschen recht verstehn,
Mußt du ins eigne Herz dir sehn.
Willst du dich selbst recht kennenlernen,
Mußt du dich aus dir selbst entfernen.
Wer sich beurteilt nur nach sich,
Gelangt zu falschen Schlüssen…
Du selbst erkennst so wenig dich,
Als du dich selbst kannst küssen.
Friedrich Martin von Bodenstedt
O Geist der Dichtung, göttliche Gabe, du
Deckst mit Blumen den Abgrund des Lebens zu!
Du beust Weihe der Freude und Balsam dem Schmerz,
Ziehst goldene Fäden vom Himmel ins Herz,
Auf daß schon hienieden ein Abglanz der Klarheit
Uns werde vom Urborn des Lichts und der Wahrheit.
Friedrich Martin von Bodenstedt
Es sucht der echte Weise,
Daß er das Rechte finde:
Jung wird er nicht zum Greise,
Alt wird er nicht zum Kinde!
Der Winter treibt keine Blüte,
Der Sommer treibt kein Eis –
Was früh dein Herz durchglühte,
Das ziemt dir nicht als Greis!
Jung sich enthaltsam preisen,
Alt toll von Sinnen sein,
Wird nie des wahren Weisen
Rat und Beginnen sein!
Friedrich Martin von Bodenstedt
Kettenlied für den Fasching
Laßt uns den Fasching loben,
Und ihn lobpreisen heut';
Wir haben viele Proben
Von seiner Freundlichkeit:
Er schloß heut' allem Leide
Hienieden unser Herz,
Und öffnet es der Freude
Allein nur und dem Schmerz.
Die Weisheit hüllt nicht immer
In Falten ihr Gesicht,
Der Freude Rosenschimmer
Entstellt ihr Antlitz nicht:
Drum trat an ihre Stelle
Heut' Scherz und froher Mut;
Denn auch die Narrenschelle
Ist oft zum Lachen gut.
Es leb' in unserm Kreise
Die Weisheit, welche...
Johann Aloys Blumauer
Liebeserklärung eines Kraftgenies
Ha, wie rudert meine ganze Seele
Nun in der Empfindung Ozean?
Laute Seufzer sprengen mir die Kehle,
Die man auf zehn Meilen hören kann.
Gleich Kanonenkugeln rollen Thränen
Aus den beiden Augenmösern mir:
Erd' und Himmel bebt bei meinem Stöhnen,
Und ich brülle schluchzend – wie ein Stier.
Wetterstürme der Empfindung treiben
Mich oft-, west- und süd- und nordenwärts:
Meine Seele hat in mir kein Bleiben,
Und es blitzt und donnert mir das Herz.
Ach! ich muß, ich...
Johann Aloys Blumauer
Pfingsten
Zwischen Tulpenflammen und Narzissen
Springen unter schweren Fliederbüschen
Kleine Mädchen losen Haars im Garten.
Lerne, Herz! Die kleinen Mädchen wissen
Mehr vom Glück, als du; mit ihrem Springen
Loben sie den heiligen Geist der Pfingsten
Zwischen Tulpenflammen und Narzissen.
Denn der heilige Geist ist ausgegossen
In den glutenbunten Tulpenflammen,
Und er heißt: Seid fröhlich, Menschenkinder!
Jede Blume, glorienumflossen,
Ist, dem Haupt Mariens gleich, ein Abbild
Milder, tiefer,...
Otto Julius Bierbaum
An die Nacht
Düfteschwüle, feuchteschwere,
Rauschende, raunende, sterneleere,
Schwarze, samtene Sommernacht!
Mein Herz lauscht an deines bange,
Nimm von mir, was mich so lange
Müde hat gemacht.
Sieh, ich flüchte mich in deine
Arme, siehe Nacht, ich weine,
Und ich kenne mich nicht mehr.
Stille Mutter, heilige, große,
Sieh mein Haupt in deinem Schooße,
Banger Wehen schwer.
Nimm mich ein in deine Güte,
Hürde mich ein dein Gehüte,
Das der Müden Hafen ist:
Küsse mild mich ins Vergehen,
Die du...
Otto Julius Bierbaum
Vorfrühling
Sieh da: Die Weide schon im Silberpelz,
Die Birken glänzen, ob auch ohne Laub,
In einem Lichte, das wie Frühling ist.
Der blaue Himmel zeigt türkisenblau
Ganz schmale Streifen, und ich weiß, das ist
Des jungen Jahres erster Farbenklang,
Die ferne Flöte der Beruhigung:
Die Liebe hat die Flügel schon gespannt,
Sie naht gelassenen Flügels himmelher,
Bald wird die Erde bräutlich heiter sein.
Nun Herz, sei wach und halte dich bereit
Dem holden Gaste, der mit Blumen kommt
Und Liebe...
Otto Julius Bierbaum
Ehe-Gebet
Gib mir deine Hand: ich küsse sie.
Schenk mir deinen Blick: ich fühle ihn.
Gib mir deine Wahrheit, Frau, die ganze,
Bis zur letzten Nacktheit gib sie mir: ich heilige sie.
Denn ich muß Göttliches in meinem Herzen haben und wieder einen Glauben,
Ein Heiligtum muß ich haben und einen Altar,
Kränze darauf zu legen, Weihrauch meiner Seele,
Und mein Herz selber als Flamme, die sich gerne verzehrt.
Otto Julius Bierbaum
Fühle nur
Einsam bist du? Sieh die vielen Sterne
stehn, ein Weltenkranz, ob deinem Haupte,
und die Lindenbäume, Kronenträger,
schicken ihre Düfte dir ins Zimmer.
Fühle nur! Saug ein und gib dich wieder!
Schmähe niemand, schmäh' auch nicht dich selber!
Denk: du darfst auf dieser reichen Erde
durch den sonnenvollen Weltraum fliegen,
und dein Herz gehört auch zu den Sternen,
die ein bißchen Licht und Wärme strahlen.
Otto Julius Bierbaum