Herz Zitate (Seite 47)
Es gibt noch Wunder
Es gibt noch Wunder, liebes Herz,
getröste dich!
Erlöste dich
noch nie ein Stern aus deinem Schmerz?
Das Strahlenspiel
vom hohen Zelt
in deiner Qualen
Tiefe fiel
und sprach: – Sieh, wie ich zu dir kam
vor allen andern ganz allein!
Bin ich nicht dein?
Getröste dich! –
Erlöste dich
noch nie ein Stern?
Christian Morgenstern
Der Mensch ist
immer ein Phänomen.
Er sieht nicht schön aus:
Irgendwie heißt sein Name und
Ruhelos sein Schuh, sein Rock heißt
Elend, seine Zunge Eitelkeit, seine Eingeweide
Wollust, sein Herz Flamme, sein Auge Sonnenheimweh,
sein Wanderstab Nirgendsheim und seine bittere Nahrung
Er selbst.
Christian Morgenstern
Kannst dich nicht versenken?
Läßt dich Welt nicht leer?
Kannst dich nicht entlenken
All der Dinge Meer?
Ist in Dem zu ruhen,
Draus dein Wesen sprang,
Deinen Wanderschuhen
Gar kein lieber Gang? –
Wenn der Tag beschlossen,
Sei, mein Geist, versenkt,
Sei, mein Herz, ergossen
In den, der dich denkt.
Christian Morgenstern
Mitmenschen
Das sind die mitleidlosen Steine,
die Tag und Nacht dein Ich zerreiben;
willst du dein ganzer Eigner bleiben,
so flieh die liebende Gemeine.
Und bricht einmal dein volles Herz
und spricht von einer Überwindung: –
»Oh!« ruft des Nächsten kleiner Schmerz,
»bei Gott, ich kenne die Empfindung!«
Daß er so wenig weiß und kann,
das ist es, was den Edlen schmerzt,
indes der eitle Dutzendmann
zu jedem Urteil sich beherzt.
Christian Morgenstern
Wie kannst du nur am Morgen
Das Licht der Sonne borgen
Und leuchten, wie sie selber schier –
Und dann, nach wenig Stunden,
Ist alles hingeschwunden,
Und graue Nacht in dir?
Vergessen ist das Gute,
Das köstlich in dir ruhte,
Ein Grämling, blickst du freudenleer,
Verdrossen aus dem kleinen,
Unendlich kleinen Deinen
auf alles um dich her.
O, halte, Herz, die Wonne
Der goldnen Morgensonne,
Die dir so süßen Tag gemacht,
Mit Angst und strengem Achten
Hoch über trübem Trachten,
Doch fest bis in die...
Christian Morgenstern
Durch manchen Herbst
Durch manchen Herbst des Leidens
mußt du, Herz,
eh dich die letzte goldne Sichel mäht.
Schon späht
ihr blankes Erz
nach deinem dunklen Blut.
Wie bald, so ruht,
verströmend Gold,
es, Abendröten gleich
in jenem Reich
des Ewigen Abends,
welcher Friede heißt!
O süßer Geist
der Nächte,
sei mir hold!
Christian Morgenstern
Nacht am Flusse
Liegen eine Sternennacht und lauschen,
Wie der Kahn an seiner Kette zieht
Und die Welle flüstert und entflieht
Und die Wipfel leis dawiderrauschen –.
Wie es seufzt und rüttelt ohne Ruh,
Freiheit wider Knechtschaft einzutauschen.
Armes Herz, so zerrst und stöhnst auch du.
Eine Nacht so seinem Schicksal lauschen ...
Christian Morgenstern
Das Weihnachtsbäumlein
Es war einmal ein Tännelein
mit braunen Kuchenherzlein
und Glitzergold und Äpflein fein
und vielen bunten Kerzlein:
Das war am Weihnachtsfest so grün
als fing es eben an zu blühn.
Doch nach nicht gar zu langer Zeit,
da stands im Garten unten,
und seine ganze Herrlichkeit
war, ach, dahingeschwunden,
die grünen Nadeln war'n verdorrt,
die Herzlein und die Kerzlein fort.
Bis eines Tags der Gärtner kam,
den fror zu Haus im Dunkeln,
und es in seinen Ofen nahm -
Hei!...
Christian Morgenstern
Briefe
Warum versankst du mir so ganz?
Ein Stein auf irgendeines Flusses Grund,
tief unter Wellentanz und -glanz,
ist mir nicht stummer als dein Mund.
Geh hin zum nächsten Fluß, geh hin,
und blick hinab, und siehst du einen Stein,
so grüß dein dunkles Brüderlein
und sag ihm traurig, wer ich bin.
Nein sag ihm fröhlich, wer ich war!
Ein Freund, mit dem du einst ein Herz und Sinn.
Nein, sag ihm traurig, wer ich bin:
ein Freund, nun aller Freundschaft bar.
Christian Morgenstern
Vorfrühling
Vorfrühling seufzt in weiter Nacht,
daß mir das Herze brechen will;
Die Lande ruh'n so menschenstill,
nur ich bin aufgewacht.
O horch, nun bricht des Eises Wall
auf allen Strömen, allen Seen;
Mir ist, ich müßte mit vergeh'n
und, Woge, wieder auferstehen,
zu neuem Klippenfall.
Die Lande ruh'n so menschenstill;
Nur hier und dort ist wer erwacht,
und meine Seele weint und lacht,
wie es der Tauwind will.
Christian Morgenstern
Leise Lieder singe ich dir bei Nacht,
Lieder, die kein sterblich Ohr vernimmt,
noch ein Stern, der etwa spähend wacht,
noch der Mond, der still im Äther schwimmt;
denen niemand als das eigne Herz,
das sie träumt, in tiefer Wehmut lauscht;
und an denen niemand als der Schmerz,
der sie zeugt, sich kummervoll berauscht.
Leise Lieder singe ich dir bei Nacht,
dir, in dessen Aug mein Sinn versank,
und aus dessen tiefem, dunklen Schacht,
meine Seele ewige Sehnsucht trank.
Christian Morgenstern