He Zitate (Seite 12)
Während ich nach andrer Leute,
Andrer Leute Schätze spähe,
Und vor fremden Liebestüren
Schmachtend auf- und niedergehe:
Treibts vielleicht die andren Leute
Hin und her an andrem Platze,
Und vor meinen eignen Fenstern
Äugeln sie mit meinem Schatze.
Das ist menschlich! Gott im Himmel
Schütze uns auf allen Wegen!
Gott im Himmel geb uns Allen,
Geb uns Allen Glück und Segen!
Heinrich Heine
Und wüßten's die Blumen, die kleinen,
wie tief verwundet mein Herz,
Sie würden mit mir weinen,
Zu heilen meinen Schmerz.
Und wüßten's die Nachtigallen,
Wie ich so traurig und krank,
Sie ließen fröhlich erschallen
erquickenden Gesang.
Und wüßten sie mein Wehe,
Die goldenen Sternelein,
Sie kämen aus ihrer Höhe,
Und sprächen Trost mir ein.
Die alle können's nicht wissen,
Nur eine kennt meinen Schmerz:
Sie hat ja selbst zerrissen,
zerrissen mir das Herz.
Heinrich Heine
Vorfrühling
Wie die Knospe hütend,
Daß sie nicht Blume werde,
Liegt's so dumpf und brütend
Über der drängenden Erde.
Wolkenmassen ballten
Sich der Sonne entgegen,
Doch durch tausend Spalten
Dringt der befruchtende Segen.
Glühnde Düfte ringeln
In die Höhe sich munter.
Flüchtig grüßend, züngeln
Streifende Lichter herunter.
Daß nun, still erfrischend,
Eins zum andern sich finde,
Rühren, alles mischend,
Sich lebendige Winde.
Und so kann, so kann auch ich
Nicht begreifen und nicht...
Christian Friedrich Hebbel
Toskanischer Frühling
Das Erste sei, daß man der Welt sich freue,
sich vor den Andern froh empfinden lerne
in stiller Nähe wie in bunter Ferne
das Alte frisch genieße wie das Neue.
Doch schaff dir auch ein Herz voll stolzer Treue,
eins in sich selbst und seinem tiefsten Kerne!
Der Freie traut durch Wolken seinem Sterne
Das Brandmal aller Sklaven ist die Reue.
Otto Erich Hartleben
Novemberstimmung
Die Flur umher
es kalt durchweht,
wo nirgend mehr
ein Blümlein steht.
Im Wald zerstiebt
das welke Laub –
Die ich geliebt,
sind alle Staub.
Sich frühe neigt
der Sonne Lauf,
am Himmel steigt
der Mond herauf.
Es füllt sich sacht
das Sternenzelt.
Sie sind erwacht
in jener Welt.
Martin Greif
Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen
Und haben sich, eh man es denkt, gefunden;
Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.
Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!
Und wenn wir erst in abgemeßnen Stunden
Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.
So ists mit aller Bildung auch beschaffen:
Vergebens werden ungebundne Geister
Nach der Vollendung reiner Höhe streben.
Wer Großes will, muß sich...
Johann Wolfgang von Goethe
Aber Götter sollten nicht
Mit Menschen wie mit ihresgleichen wandeln:
Das sterbliche Geschlecht ist viel zu schwach,
In ungewohnter Höhe nicht zu schwindeln.
Aber herrlicher war die Zeit, in der uns das Höchste,
Was der Mensch sich denkt, als nah und erreichbar gezeigt ward.
Da war jedem die Zunge gelöst; es sprachen die Greise,
Männer und Jünglinge laut voll hohen Sinns und Gefühles.
Aber ich werde der letzte nicht sein, den es bitter gereute,
Frauenrat befolget zu haben.
Johann Wolfgang von Goethe
Glockengeläute
Hörst du der Glocken tiefatmendes Läuten,
Wie von der Höhe zur Tiefe es sinkt?
Fühlst du den tauigen Sabbat sich breiten,
Wie ihn die Seele voll Seligkeit trinkt?
Der ist der Sonntag der gründenden Palmen,
Dunklem Karfreitag das lachende Tor:
Siehe, so grenzen die jubelnden Psalmen
Und Miserere im klagenden Chor.
Ludwig Giesebrecht
Komm her...
Komm her, vergiß was Du weißt.
Setz Dich vor mich und lehn Deinen Rücken an.
Schließe Deine Augen und laß die Gedanken frei.
Fühlst Wärme und Nähe, genieße sie.
Keine Angst, es wird nichts geschehen,
denn Du wirst glauben, es war ein Traum.
Genieße, statt es zu fürchten.
Laß diesem Moment seinen Raum.
Werde auch meine Augen schließen.
Meine Hände streicheln Dich zart.
Du spürst meinen Atem im Nacken
meinen Herzschlag mit Deinem im Takt.
André Gest
Auferstehung
Wenn einer starb, den du geliebt hienieden,
So trag' hinaus zur Einsamkeit dein Wehe,
Daß ernst und still es sich mit dir ergehe
Im Wald, am Meer, auf Steigen längst gemieden.
Da fühlst du bald, daß jener, der geschieden,
Lebendig dir im Herze auferstehe,
In Luft und Schatten spürst du seine Nähe,
Und aus den Thränen blüht ein tiefer Frieden.
Ja, schöner muß der Tote dich begleiten,
Ums Haupt der Schmerzverklärung lichten Schein,
Und treuer -- denn du hast ihn alle Zeiten.
Das...
Emanuel Geibel
In Traumes Bann
Sinnverwirrend schön sind deine Rosen,
so betäubend ist ihr süßer Duft.
Flüsternd raunt es wie ein heimlich Kosen
durch die sengend schwüle Sommerluft.
Schlummertrunken streck ich meine Glieder,
tief beseligt noch im Traumesbann…
Küsse dir die müden Augenlider –
Was ein Traum heraufbeschwören kann!
Und ich fühle dich in meiner Nähe
schattenhaft – und doch so lebenswarm!
Ganz in eins verschmelzend –
ich vergehe
selig, liebestoll in deinem Arm!
Else Galen-Gube