Harte Zitate (Seite 6)
Liebe ohne Heimat
Meine Liebe, lange wie die Taube
Von dem Falken hin und her gescheucht,
Wähnte froh, sie hab' ihr Nest erreicht
In den Zweigen einer Götterlaube.
Armes Täubchen! Hart getäuschter Glaube!
Herbes Schicksal, dem kein andres gleicht!
Ihre Heimat, kaum dem Blick gezeigt,
Wurde schnell dem Wetterstrahl zum Raube.
Ach, nun irrt sie wieder hin und her!
Zwischen Erd' und Himmel schwebt die Arme,
Sonder Ziel für ihres Flugs Beschwer.
Denn ein Herz, das ihrer sich erbarme,
Wo sie noch...
Gottfried August Bürger
Geburtstagslied für eine
kranke Freundin
Wir alle freuten uns des Tag's,
Der dich zur Welt gebracht,
Und dachten an den Umstand nicht,
Der dir des Lebens süße Pflicht
So schwer und bitter macht.
Ach! Mancher, der sein Plätzchen hier
Oft mehr entehrt, als ziert,
Hat doch hienieden Luft genug,
Indeß dir jeder Athemzug
Zum lauten Seufzer wird.
Und trotz der vielen Seufzer scheint
Das Leben dir nicht hart;
Denn niemand ist, der lebensfroh,
Wie du, mit jedem Seufzer so
Ein Freudenlächeln...
Johann Aloys Blumauer
Gebet
Ertrage du's, laß schneiden dir den Schmerz
scharf durchs Gehirn und wühlen hart durchs Herz –
das ist der Pflug, nach dem der Sämann sät,
daß aus der Erde Wunden Korn entsteht.
Korn, das der armen Seele Hunger stillt –
mit Korn, o Vater, segne mein Gefild:
Reiß deinen Pflug erbarmungslos den Pfad,
doch wirf auch ein in seine Furchen Saat!
Ferdinand Ernst Albert Avenarius
Vorüber
"Hab vieles schon ertragen",
Stöhnt leis' ein Blümelein,
Es warfen rohe Hände
Mich oft mit Sand und Stein.
Auch haben harte Tritte
Mir schmerzhaft Weh gebracht,
Mir oft für lange Zeiten
Gehemmt die Lebenskraft.
Nur du gingst still vorüber
Gemessen deine Bahn,
Und hast mir doch von allen
Am meisten weh getan!
Johanna Ambrosius
Verständigung
Wir sitzen in der Runde
und tischen unsere Worte auf.
Der eine mag nichts Fettes.
Der andere schlingt alles in sich hinein,
ohne zu schmecken.
Ein dritter kann nichts Hartes beißen.
Ein anderer wieder achtet auf
kalorienarme Kost.
Da brauche ich mich nicht zu wundern,
wenn ich mißverstanden werde.
Kristiane Allert-Wybranietz
Reine Handarbeit
Wir stricken unser Leben.
Manche wählen ein kompliziertes Muster,
andere ein schlichtes.
Es ist ein buntes Maschenwerk
oder ein Stück in tristen Farben.
Nicht immer können wir
die Farbe selber wählen;
und auch die Qualität der Wolle wechselt,
mal weiß und wolkenflauschig,
mal kratzig und hart.
Die einen stricken liebevoll und sorgsam,
andere mühevoll und ungern.
Und so manchmal schmeißt einer
das Strickzeug in die Ecke.
Und öfters läßt du eine Masche fallen,
oder sie fällt...
Kristiane Allert-Wybranietz
Für meine Eltern
So manches Jahr ist
euch schon ins Gesicht
gezeichnet,
und Sorgenstifte führten
harte Linien:
doch auch weiche Linien
zeichneten die Freude
und die Liebe.
Ich bin nun »groß«
und renne längst
durch meine eigne Welt.
Doch manchmal drehte ich
zu gern die Zeit zurück,
um wieder deine Hand zu nehmen, Pee,
und auch in dunkelsten Ecken
sicher zu gehen.
Doch manchmal drehte ich
zu gern die Zeit zurück,
um schnell mein Lachen
wieder zu finden, Em,
wenn du mir erklärtest,
das verstehst...
Kristiane Allert-Wybranietz
Entführung
O Lady Judith, spröder Schatz,
Drückt dich zu fest mein Arm?
Je zwei zu Pferd haben schlechten Platz
Und Winternacht weht nicht warm.
Hart ist der Sitz und knapp und schmal,
Und kalt mein Kleid von Erz,
Doch kälter und härter als Sattel und Stahl
War gegen mich dein Herz.
Sechs Nächte lag ich in Sumpf und Moor
Und hab' um dich gewacht,
Doch weicher, bei Sankt Görg ich's schwor,
Schlaf' ich die siebente Nacht!
Willibald Alexis
Die Grille und die Ameise
Die Grille, die den Sommer lang
zirpt’ und sang,
litt, da nun der Winter droht’,
harte Zeit und bittre Not:
Nicht das kleinste Würmchen nur,
und von Fliegen keine Spur!
Und vor Hunger weinend leise,
schlich sie zur Nachbarin Ameise,
fleht' sie an, in ihrer Not
ihr zu leihn ein Stückchen Brot,
bis der Sommer wiederkehre.
"Hör",sprach sie, "auf Grillenehre,
vor der Ernte noch bezahl'
Zins ich dir und Kapital."
Die Ameise, die, wie manche lieben
Leute, das Verleihen...
Aesop