Große Zitate (Seite 28)
Das ist der Bildung Fluch, darin wir leben,
Daß ihr das Beste untergeht im Vielen;
Mit jedem Elemente will sie spielen
Und wagt sich keinem voll dahinzugeben.
Kaum winkt ihr rechts ein Kranz, darnach zu streben,
So reizt ein neuer sie, nach links zu schielen;
Von Zweck zu Zweck gelockt, von Ziel zu Zielen,
Als Falter schwärmt sie, statt als Aar zu schweben.
Getaucht in alles und von nichts durchdrungen,
Preist sie sich reich, wenn folgsam jedem Stoße
Ein Maß buntscheckigen Wissens sie...
Emanuel Geibel
Denkt man sich die Gesamtheit des menschlichen Denkens als eine im Fluß begriffene Ebene ohne Ende, so schwimmen die Worte auf ihr als kreisförmige Inseln, die sich bisweilen berühren, weitaus öfter indes durch große Zwischenräume getrennt bleiben. So viele ihrer auch sind, – ihre Gesamtgröße stellt eine Winzigkeit dar im Verhältnis zur Größe des Denkfeldes.
Alexander Moszkowski
Es war einmal ein König
Es war einmal ein König,
Der hatt' einen großen Floh,
Den liebt' er gar nicht wenig,
Als wie seinen eignen Sohn.
Da rief er seinen Schneider,
Der Schneider kam heran:
"Da, miß dem Junker Kleider
Und miß ihm Hosen an!"
In Sammet und in Seide
War er nun angetan,
Hatte Bänder auf dem Kleide,
Hatt' auch ein Kreuz daran,
Und war sogleich Minister
Und hatt' einen großen Stern.
Da wurden seine Geschwister
Bei Hof auch große Herrn.
Und Herrn und Fraun am Hofe,
Die waren...
Johann Wolfgang von Goethe
Das Maßnehmen is das, was den Schneider über tausende seiner Mitmenschen erhebt; der Schneider bemißt das früher, was er ins Werk setzen will; das sollen viele große Männer lernen, solang s' noch klein sind, denn natürlich, als so großer lernt man nix mehr; was groß is, is ung'schickt.
Johann Nepomuk Nestroy
Überhaupt sind die Erzählungen von der Rechtlichkeit, Großmut, Gemütlichkeit und Milde der Römer meist Fabeln. Leute, die reich werden oder sonst große Erfolge aufzuweisen haben, sind oft unliebenswürdig, häufig sogar unausstehlich – und nur dann angenehm, wenn es in ihr Geschäft paßt. Ihr Erfolg summiert sich zum Teil aus kleinen Rücksichtslosigkeiten, die einzeln nicht gerade strafbar sind, und aus großen Rohheiten, denen sich niemand entgegenzustellen wagt. Auch ein bißchen Verlogenheit...
William Lewis Hertslet
Bisher glaubte die Welt an den Heldensinn einer Lucretia, eines Mucius Scävola und ließ sich dadurch erwärmen und begeistern. Jetzt aber kommt die historische Kritik und sagt, daß jene Personen nie gelebt haben, sondern als Fiktionen und Fabeln anzusehen sind, die der große Sinn der Römer erdichtete. Was sollen wir aber mit einer so ärmlichen Wahrheit? Und wenn die Römer groß genug waren, so etwas zu erdichten, so sollten wir wenigstens groß genug sein, daran zu glauben.
Johann Wolfgang von Goethe