Gott Zitate (Seite 135)
Kakteen
Sie stehen jahrelang im Topf aus Ton,
Verstockte in sich, selbstverliebte Käuze,
In einer rätselhaft verbißnen Fron
Der Form: sind Kugel, Kegel, Kreuze,
Sie gleichen Birnen, mißgebornen Köpfen,
Sind Stein-Gespenster, Schlange, Hand:
Verfeindet so dem Außen, daß in Schöpfen
Stacheln aufstehn um sie wie eine Wand,
Dahinter sie verharrn, anarchisch, kündend,
Prophet und Gott, ihr selbstbeseßnes Ich,
Bis sie auf einmal stumm, in Blumen mündend,
...
Maria Luise Weissmann
Das gute Herz begreift die gute That
Auch ohne des Verstandes Deutung leicht,
Den wie die Stern' an Gottes Firmamente,
Verbündet sie ein heiliger Magnet,
Der seine Kraft vom Mittelpunkt des Himmels
Zum Mittelpunkt des Menschen niederströmt.
Und welcher zwischen diese Himmelspole
Die kalte Prüfungsmacht, den Erdengeist,
Zu drängen sich erkühnt, nie wird ihm mehr
An der getrübten Pforte des Gemüths
Die Glorie der edlen That erscheinen.
Joseph Anton Weißenbach
Herüber zog eine schwarze Nacht
Herüber zog eine schwarze Nacht.
Die Föhren rauschten im Sturme;
Es hat das Wetter wild zerkracht
Die Kirche mit ihrem Turme.
Zerschmettert das Kreuz;
Zerdrückt den Altar;
Zermalmt das Gebein in den Särgen –
Die gotischen Bögen wälzen sich
Donnernd hinab von den Bergen.
Zum Dorfe stürzt sich Turm und Chor
Als wie zu einem Grabe –
Da fährt entsetzt vom Lager empor
Und spricht zur Mutter der Knabe :
"Ach Mutter, mir träumte ein Traum so schwer,
Das hat den Schlaf...
Georg Weerth
Beim Tod meines Bruders
Nun danke Gott, die Fahrt ist aus!
Du kehrtest heim ins Vaterhaus,
froh bist du bei den Deinen, -
und ich muß weinen.
Du kehrtest heim, stell' hin den Stab,
die schwere Bürde, leg' sie ab,
zieh aus die Reiseschuhe,
nun hast du Ruhe.
Dir tat so unsanft diese Welt,
vergiß sie unterm Palmenzelt,
vergiß sie in der andern; -
ich muß noch wandern.
Und bring der Mutter Gruß auf Gruß
von Ihrem, der noch wandern muß,
und sag' ihr, daß sein Lieben
ihr treu geblieben.
Und...
Friedrich Wilhelm Weber
Zu Gott, den er im Staub verehrte, sprach
Einst ein Kalif in seiner letzten Stunde
Als einziges Gebet die frommen Worte:
"Ich bringe Dir, allein'ger höchster Herrscher,
Dir, einzig unbeschränktes Wesen, Alles,
Was du entbehrst in Deiner Herrlichkeit
Und nur uns Erdenwürmern wolltest gönnen:
Schuld, Reue, Elend und Unwissenheit."
– Doch hätt' er noch die Hoffnung nennen können.
Voltaire
Die verschwiegene Nachtigall
Unter der Linden,
an der Haide,
wo ich mit meinem Trauten saß,
da mögt ihr finden,
wie wir beide
die Blumen brachen und das Gras.
Vor dem Wald mit süßem Schall,
Tandaradei!
sang im Tal die Nachtigall.
Ich kam gegangen
zu der Aue,
mein Liebster kam vor mir dahin.
Ich ward empfangen
als hehre Fraue,
daß ich noch immer selig bin.
Ob er mir auch Küsse bot?
Tandaradei!
Seht, wie ist mein Mund so rot!
Wie ich da ruhte,
wüßt' es einer,
behüte Gott, ich schämte mich.
Wie...
Walther von der Vogelweide
Ich werde sein! – Wie ich sei, gleichviel,
Mag wirklich mich die Unterwelt umfangen,
Mag ich im reinen Äther wandeln, oder
Von Welt zu Welt, von Stern zu Sterne schweben:
Dies Herz, der Geist –
Sie bleiben unverändert. Liebend jenes,
Und dieser nur der Tugend Stimme hörend,
Wer ihr gehorchte, ist des Lohn's gewiß,
Es spende ihn ein Minos richtend aus,
Es reiche ihn ein unsichtbarer Gott.
Heinrich Carl Wilhelm Reichsgraf Vitzthum von Eckstädt
Wer aber lebt, muß es klar sich sagen:
Durch dies Leben sich durchzuschlagen,
Das will ein Stück Rohheit.
Wohl dir, wenn du das hast erfahren
Und kannst dir dennoch retten und wahren
Der Seele Hoheit.
In Seelen, die das Leben aushalten
Und Mitleid üben und menschlich walten,
Mit vereinten Waffen
Wirken und schaffen
Trotz Hohn und Spott,
Das ist Gott.
Friedrich Theodor von Vischer
Du, Kind, glaubst an den Kaffeegrund,
Aufs Lottospiel verläßt du dich:
An deine Augen glaube ich.
An Unglückstage, Märchen und
An Träume glaubst du, die nicht trügen,
Ich glaub allein an deine Lügen.
An Gott glaubst du ganz wesenlos,
Du weißt, daß man zu Heil'gen fleht,
Für jeden Kummer ein Gebet.
Ich glaube an die Stunden bloß,
Die blau und rosig mir erblühen
In unsrer blassen Nächte Glühen.
Und alles dieses glaube ich
So fest und unerschütterlich,
Daß ich nur lebe noch für dich.
Paul Verlaine