Gesang Zitate (Seite 2)
Lied
Bin ich einst tot, mein Liebster,
sing keine Trauermessen;
pflanz mir zu Häupten Rosen nicht
noch schattige Zypressen:
Laß grünes Gras mich decken,
das Tau und Regen näßt;
und wenn ihr wollt, gedenket,
und wenn ihr wollt, vergeßt.
Ich sehe nicht die Schatten,
spür nicht des Regens Fall;
hör nicht den schwermutsatten
Gesang der Nachtigall;
und träumend lang im Dämmer,
der nimmer steigt noch fällt,
wer weiß, ob ich gedenke,
ob ich vergeß der Welt.
Christina Georgina Rossetti
Ich möchte, wenn ich sterbe, wie die lichten
Gestirne schnell und unbewußt erbleichen,
Erliegen möcht ich einst des Todes Streichen,
Wie Sagen uns vom Pindaros berichten.
Ich will ja nicht im Leben oder Dichten
Den großen Unerreichlichen erreichen,
Ich möcht, o Freund, ihm nur im Tode gleichen;
Doch höre nun die schönste der Geschichten!
Er saß im Schauspiel, vom Gesang beweget,
Und hatte, der ermüdet war, die Wangen
Auf seines Lieblings schönes Knie geleget:
Als nun der Chöre Melodien...
August Graf von Platen Hallermund (Hallermünde)
O so Lipp' an Lippe hängen dürfen
eine lange schöne Ewigkeit,
aus des ander'n Atem Süße schlürfen
für die Bitternis der argen Zeit.
Nichts mehr reden, sondern nur noch lauschen,
wie des ander'n Herzschlag schneller geht –
und in allen Gliedern dieses Rauschen,
das Gesang ist und zugleich Gebet.
Alfons Petzold
Das Wunderbare
Wir alle warten unsre besten Jahre
Aus das, was niemals kommt: das Wunderbare.
In eines Zaubergartens Heimlichkeit
Ist es verborgen und doch stets bereit,
Uns mit dem Lockton himmlischer Gitarren
In einem ewigen Sehnsuchtstraum zu narren.
Doch niemand hat's, solang der Himmel blaut,
In Wirklichkeit erlebt und angeschaut;
Und doch läßt keiner sich den frommen Glauben,
Daß es doch einmal kommen werde, rauben.
Und also voll Gewalt ist sein Gesang,
Daß jedes Menschenherz sein...
Johannes Öhquist
Venedig
An der Brücke stand
jüngst ich in brauner Nacht.
Fernher kam Gesang:
goldener Tropfen quoll's
über die zitternde Fläche weg.
Gondeln, Lichter, Musik -
trunken schwamm's in die Dämmerung hinaus.
Meine Seele, mein Saitenspiel,
sang sich, unsichtbar berührt,
heimlich ein Gondellied dazu,
zitternd vor bunter Seligkeit.
- Hörte jemand ihr zu?...
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Mädchen mit den krummen Beinen
Mädchen mit den krummen Beinen,
wie ein Dackel schief im Gang,
glätte mir dein weißes Leinen.
Grade will dein Wuchs mir scheinen,
liegst du lang.
Deine Haut, die fleckig, kreidig,
dir verunziert Stirn und Wang,
rötet sich und wird geschmeidig,
und dein Borstenhaar wird seidig,
liegst du lang.
Dein Organ ist wie der Spatzen
kreischend krächzender Gesang.
Komm auf schwellende Matratzen!
Wohllaut wird dein heisres Kratzen,
liegst du lang.
Armes Kind, nie kam ein...
Erich Mühsam
Anmutiger Vertrag
Auf der Bank im Walde
han sich gestern zwei geküßt.
Heute kommt die Nachtigall
und holt sich, was geblieben ist.
Das Mädchen hat beim Scheiden
die Zöpfe neu sich aufgesteckt…
Ei, wie viel blonde Seide da
die Nachtigall entdeckt!
Den Schnabel voller Fäden,
kehrt Nachtigall nach Haus
und legt das zarte Nestchen
Mit ihrem Golde aus.
Freund Nachtigall, Freund Nachtigall,
so bleib's in allen Jahren! –
Mir werd' ein Schnäblein voll Gesang,
dir eins voll Liebchens Haaren!
Christian Morgenstern
Frühlingslied
Der Frühling verschleiert nun wieder
Die Erde ganz
Mir zartem Laubgefieder,
Mit Blütenglanz;
Nun eilet zum Tanz
Hier unter dem blühenden Flieder!
Von schwellenden Zweigen hernieder
Singt sehnlich bang
Die Drossel so liebliche Lieder;
Ertöne noch lang
Du süßer Gesang
Hier unter dem blühenden Flieder!
Schwermütige Liebe, komm wieder,
Du schönstes Glück!
Vom Dunkel der Sterne schweb nieder
Zur Erde zurück,
Du schönstes Glück,
Hier unter dem blühenden Flieder!
Hermann Ritter von Lingg
Äolsharfe
Geheimnisvoller Klang,
Für Geister der Luft besaitet,
Von keines Menschen Gesang,
Von Stürmen nur begleitet.
In deinen Tiefen sind
Die Melodien der Sterne, –
So ruft ein weinend Kind
Der Mutter in der Ferne.
Laute der Trösterin Einsamkeit!
So ziehen über Fluten Schwäne,
So wiegt in Träume der Seligkeit
Die schmerzenstillende Träne.
Hermann Ritter von Lingg
Mignon
Buntbeblümte Wiesen dehnen
Fernhin sich, die Luft weht lind;
Auf umsonnten Wolkenkähnen
Kam der Lenz ins Land geschwind . . .
Buntbeblümte Wiesen dehnen
Fernhin sich, die Luft weht lind.
Laß mein Haupt an deines lehnen,
Rühr die Harfe, holdes Kind!
Lieblich wie Gesang von Schwänen
Klagt ihr Ton im Abendwind . . .
Laß mein Haupt an deines lehnen
Rühr die Harfe, holdes Kind!
Zages Hoffen, süßes Wähnen
Schwellt die Seele mir gelind;
Banges, langverhaltnes Sehnen
Löst sich; Quellen rieseln...
Heinrich Leuthold
In der Maienfrühe
Lang seufzt ich vergebens,
es war mir im Drang
und Unmut des Lebens
verstummt der Gesang.
Nun bauen die Sänger
des Waldes ihr Nest,
nun halten mich länger
die Sorgen nicht fest.
Die Sorge, die eisig,
das Herz mir umschnürt,
hat alle der Zeisig
und Buchfink entführt.
Welch üppiges Blühen
in Wald und Geheg!
Die Qualen und Mühen,
nun jauchz' ich sie weg.
Früh auf aus dem Bette,
durch Wald und Gesträuch…
Ich pfeif um die Wette,
ihr Vögel, mit eich!
Ich singe und pfeife,
so wie...
Heinrich Leuthold
Glück
Das Glück ist ein Traum in der Nacht
Und eine Illusion am Tag
Es ist eine Gedanke voll Hoffnung
Und ein Wunsch des Herzens,
Der nach Erfüllung verlangt.
Doch wie oft tritt das Gegenteil der Erfüllung ein.
Es ist ein Gesang, der an unser Ohr tönt,
Ohne daß unser Herz ihn versteht.
Khalil el Khatib