Genie Zitate (Seite 16)
Welt und Ich
Im großen ungeheuren Ozeane
Willst du, der Tropfe, dich in dich verschließen?
So wirst du nie zur Perl’ zusammenschießen,
Wie dich auch Fluten schütteln und Orkane!
Nein! öffne deine innersten Organe
Und mische dich im Leiden und Genießen
Mit allen Strömen, die vorüberfließen;
Dann dienst du dir und dienst dem höchsten Plane.
Und fürchte nicht, so in die Welt versunken,
Dich selbst und dein Ur-Eignes zu verlieren:
Der Weg zu dir führt eben durch das Ganze!
Erst, wenn du kühn von...
Christian Friedrich Hebbel
Herbstgefühl
Grünen, Blühen, Duften, Glänzen,
Reichstes Leben ohne Grenzen,
Alles steigernd, nirgends stockend,
Selbst die kühnsten Wünsche lockend;
Ja, da kann ich wohl zerfließen,
Aber nimmermehr genießen;
Solche Flügel tragen weiter,
Als zur nächsten Kirschbaumleiter.
Doch, wenn rot die Blätter fallen,
Kühl die Nebelhauche wallen,
Leis durchschauernd, nicht erfrischend,
In den warmen Wind sich mischend:
Dann vom Endlos-Ungeheuren
Flücht' ich gern zum Menschlich-Teuren,
Und in einer ersten...
Christian Friedrich Hebbel
Toskanischer Frühling
Das Erste sei, daß man der Welt sich freue,
sich vor den Andern froh empfinden lerne
in stiller Nähe wie in bunter Ferne
das Alte frisch genieße wie das Neue.
Doch schaff dir auch ein Herz voll stolzer Treue,
eins in sich selbst und seinem tiefsten Kerne!
Der Freie traut durch Wolken seinem Sterne
Das Brandmal aller Sklaven ist die Reue.
Otto Erich Hartleben
Begehren ist des Menschen höchster Trieb!
Das Denken ist ein Traum,
Und alles Handeln Stümperwerk,
Nur das Genießen ist das echte Tun!
Ein jeder Kelch verschäumt,
Das Schönste welkt,
Und nichts auf Erden währt:
Nur die Begier ist unsterblich!
Sie ist eine goldene Fliege,
Die, tausendmal ertränkt im Trank der Lust,
Wir auf den Grunde des geleerten Bechers
Doch immer wiederum lebendig finden.
Robert Hamerling
Liebe
O reiche Armut! Gebend, seliges Empfangen!
In Zagheit Mut! in Freiheit doch gefangen.
In Stummheit Sprache,
Schüchtern bei Tage,
Siegend mit zaghaftem Bangen.
Lebendiger Tod, im Einen sel’ges Leben
Schwelgend in Not, im Widerstand ergeben,
Genießend schmachten,
Nie satt betrachten
Leben im Traum und doppelt Leben.
Karoline von Günderode
Glücklich, glücklich nenn ich den,
Dem des Daseins letzte Stunde
Schlägt in seiner Kinder Mitte.
Solches Scheiden heißt nicht Sterben;
Denn er lebt im Angedenken,
Lebt in seines Wirkens Früchten,
Lebt in seiner Kinder Taten,
Lebt in seiner Enkel Mund.
O es ist so schön, beim Scheiden
Seines Wirkens ausgestreuten Samen
Lieben Händen zu vertraun,
Die der Pflanze sorglich warten,
Und die späte Frucht genießen;
Im Genusse doppelt fühlend
Den Genuß und das Geschenk.
O es ist so süß,...
Franz Grillparzer
Künstlers Abendlied
Ach, daß die innre Schöpfungskraft
Durch meinen Sinn erschölle!
Daß eine Bildung voller Saft
Aus meinen Fingern quölle!
Ich zittre nur, ich stottre nur,
Und kann es doch nicht lassen;
Ich fühl, ich kenne dich, Natur,
Und so muß ich dich fassen.
Bedenk ich dann, wie manches Jahr
Sich schon mein Sinn erschließet,
Wie er, wo dürre Heide war,
Nun Freudenquell genießet;
Wie sehn ich mich, Natur, nach dir,
Dich treu und lieb zu fühlen!
Ein lustger Springbrunn wirst du mir
Aus...
Johann Wolfgang von Goethe
Blumen sehet ruhig sprießen,
Reizend euer Haupt umzieren;
Früchte wollen nicht verführen,
Kostend mag man sie genießen.
Bieten bräunliche Gesichter
Kirschen, Pfirschen, Königspflaumen,
Kauft! denn gegen Zung' und Gaumen
Hält sich Auge schlecht als Richter.
Kommt, von allerreifsten Früchten
Mit Geschmack und Lust zu speisen!
über Rosen läßt sich dichten,
In die äpfel muß man beißen.
Sei's erlaubt, uns anzupaaren
Eurem reichen Jugendflor,
Und wir putzen reifer Waren
Fülle nachbarlich...
Johann Wolfgang von Goethe
Verbotene Früchte
Sag, weißt du es wirklich nicht, mein Kind,
wie süß die verbotenen Früchte sind?
Im Garten der Jugend siehst du sie prangen,
wo sie an goldenen Zweigen hangen.
Für jeden sind sie leicht zu erreichen,
der Mut hat, von der Herde zu weichen
zum Pfad, der zu irdischen Wonnen führt –
Sag, hab ich nicht deinen Wunsch geschürt,
auch vom verbotenen Apfel zu kosten?
Willst lieber zu Hause sitzen und rosten,
in Ehren ein altes Jüngferlein werden?
Glaub mir, es lohnten die Götter auf...
Else Galen-Gube
Spätherbst
Schon mischt sich Rot in der Blätter Grün,
Reseden und Astern sind im Verblühn,
Die Trauben geschnitten, der Hafer gemäht,
Der Herbst ist da, das Jahr wird spät.
Und doch (ob Herbst auch) die Sonne glüht, –
Weg drum mit der Schwermut aus deinem Gemüt!
Banne die Sorge, genieße, was frommt,
Eh' Stille, Schnee und Winter kommt.
Theodor Fontane
Auf Abwegen
Anfällig und empfänglich
für Vergnügungen und Täuschungen,
komme ich immer wieder ab
vom Weg zu dir
und lüge mich an dir vorbei.
Da nehme ich mir
eigenmächtig
allerhand Freiheiten heraus,
die „nicht drinnen“ sind,
da gebe ich dir
nicht mein Bestes,
sondern oft nur den Rest.
Da genieße ich
ausschließlich
die süßen Früchte
unseres Zusammenseins
und kümmere mich einen Dreck
um den harten Kern unserer Beziehung,
ohne den unsere Begegnungen
keine Frucht bringen können.
Ernst Ferstl
Fragwürdiges
Wie soll jemand,
der keine Zeit
zum Genießen hat,
einen guten Geschmack
entwickeln können?
Wie soll jemand,
der es nicht schafft,
sich ein eigenes Urteil
zu bilden,
auf Vorurteile
verzichten können?
Wie soll jemand,
der seine Lebendigkeit
verloren hat,
den Sinn des Lebens wiederfinden?
Wie soll jemand,
der sich selbst nicht
leiden kann,
andere lieben können?
Ernst Ferstl
Vater Spatz
"Habt ihr meinen Sohn gehöret?"
Ruft entzückt der Vater Spatz,
"Nachtigallensang nur störet,
Solch ein Lied das ist ein Schatz."
Und so preist er wahnbetöret
Als Genie den eigenen Fratz –
Auf die eigene Sippe schwöret
Mancher ganz wie Vater Spatz.
Georg Jacob Friedrich Paulus Hermann Dechent