Furcht Zitate (Seite 9)
Grabschrift
Wir alle sollen's lesen
im schweigenden Gestein –
du bist treu gewesen
mögen auch wir es sein.
Wo wir dich recht erfassen,
sehen wir das Licht;
wir wollen dich nicht lassen,
du verläßt uns nicht.
Wenn diese Stunde vergangen
wenden wir fort den Schritt,
doch, soweit unsere Schritte langen,
gehst du lebend mit.
Dein Leben war Vertrauen,
dein Wirken war dein Ruh'n,
Lieben, Schützen und Bauen –
mögen auch wir das tun.
Es sind der Pfade viele –
wer zeigt den rechten Steg?
Noch gehen...
Henry von Heiseler
Amor und die Nymphen
Als blöde Nymphen einst Cytherens Sohn
Aus Furcht vor seinen Waffen flohn,
Da warf der kleine Gott in Eil'
Den Bogen weg, lief ohne Pfeil
Und ohne Kleid, in nackender Gestalt,
Den blöden Nymphen nach in einen Myrthenwald!
Und als die Nymphen da den Knaben ohne Waffen
Und nackend sitzen sahn,
Nicht fürchteten, ihn anzugaffen,
Nicht scheuten, ihm zu nahn,
Da rief aus einem Busch Diana: "Nymphen, wißt:
Er ist gefährlicher, je nackender er ist!"
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Was du für häßlich hältst, ist es nicht das,
was du niemals versucht hast zu erreichen
und dessen Sinn zu verstehen du niemals wünschtest?
Wenn es Häßliches gibt, so sind es
die Schuppen auf unseren Augen
und das Wachs, das unsere Ohren verstopft.
Mein Freund, nenne nichts häßlich
außer der Furcht deiner Seele angesichts
ihrer eigenen Erinnerungen.
Khalil Gibran
Sieben Tadel
Ich tadelte meine Seele siebenmal.
Das erste Mal, als sie versuchte, mich
auf Kosten der Schwachen zu erhöhen.
Das zweite Mal, als ich vor Verkrüppelten
zu hinken vorgab.
Das dritte Mal, als ich, vor die Wahl gestellt,
das Leichte dem Schweren vorzog.
Das vierte Mal, als ich einen Fehler beging
und mich mit den Fehlern der anderen tröstete.
Das fünfte Mal, als ich, aus Furcht gefügig geworden,
behauptete, groß in der Geduld zu sein.
Das sechste Mal, als ich meine Kleider...
Khalil Gibran
Weihnachten gefunden
Worte die ins Nichts verschwinden,
Worte die man nicht gehört
werden plötzlich wieder deutlich,
werden nicht durch Furcht zerstört.
Augen, die sonst blind vor Leiden
sehen endlich wieder hell.
Münder, die sonst still, voll Schweigen
sprechen wieder laut und schnell.
Ohren, die sonst nichts mehr hören
öffnen sich dem neuen Wort,
weil der Heiland kommt hernieder
hier zu uns an diesem Ort.
All das Dunkle, all das Graue
wird nun hell und leuchtet klar,
weil die Sehnsucht in...
Klaus Flüß
Spruch bei Annahme des roten Kreuzes
(Anfang August 1870)
Vergiß dich selbst, dein Glück, dein Leid,
Sei gegen Grau'n und Furcht gefeit, –
In Kampf und Schreck ein Held von Erz, –
Dem Schmerz ein Balsam sei dein Herz, –
Sei still und stark im Schlachtgedröhn
Und stirbst du so, so stirbst du schön.
Felix Dahn