Freie Zitate (Seite 2)
Mit unsern Blicken schließen wir den Kreis,
daß weiß in ihm die wirre Spannung schmölze.
Schon richtet dein unwissendes Geheiß
Die Säule auf in meinem Schamgehölze.
Von dir gestiftet steht des Gottes Bild
am leisen Kreuzweg unter meinem Kleide;
mein ganzer Körper heißt nach ihm. Wir beide
sind wie ein Gau darin sein Zauber gilt.
Doch Hain zu sein und Himmel um die Herme
das ist an dir. Gieb nach. Damit
der freie Gott inmitten seiner Schwärme
aus der entzückt zerstörten Säule tritt.
Rainer Maria Rilke
Unwetter
Der Regen prasselt seit Stunden,
die Welt versinkt im grauen Licht,
ich sitze da wie angebunden,
und zieh ein mürrisches Gesicht.
Seh ich hinaus dann graust es mich,
die Straße ähnelt einem Fluß,
es blitzt und donnert fürchterlich,
wohl dem, der nicht ins Freie muß.
Das Unwetter nimmt seinen Lauf,
Sirenen heulen laut und schrill,
es türmen sich die Wolken auf,
der Wind biegt Bäume, wie er will.
Doch plötzlich wie von Geisterhand,
erstrahlt der Tag im schönsten Licht,
verzogen ist...
Horst Rehmann
Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
sind Schlüssel aller Kreaturen,
wenn die, so singen oder küssen,
mehr als die Tiefgelehrten wissen,
wenn sich die Welt ins freie Leben
und in die Welt wird zurückbegeben,
wenn dann sich wieder Licht und Schatten
zu echter Klarheit wieder gatten,
und man in Märchen und Gedichten
erkennt die wahren Weltgeschichten,
dann fliegt vor einem geheimen Wort
das ganze verkehrte Wesen fort.
Novalis
Hochgepriesen ist er,
Fromme Bücher liest er,
Hinaus in's Freie geht er,
Doch nichts von Gott versteht er,
Als Heuchler stets gefällt er,
Ehr' und Titel hält er,
Geheimen Luxus führt er.
Manch' sanftes Herz verführt er,
Von Gottes Gnaden spricht er,
Die höchsten Schwüre bricht er.
Wo er geht, da schleicht er.
Den frommen Schein bewacht er,
Das dumme Volk verlacht er.
Heinrich Martin
Sehnsucht
O, wenn die Sehnsucht Flügel hätte,
Welch weiter, weißer Schwanenzug
Nähm' mit den Wolken um die Wette
In blaue Fernen seinen Flug.
Und wenn in abendroten Gluten
Und goldnem Brand der Himmel ständ' –
Wie schön, wenn durch die Purpurfluten
Mein Sehnen freie Bahnen fänd'.
Nicht mehr gefesselt und gebunden,
Zög' ohne Wunsch und Weh
Das Flügelpaar die Sonnenstunden
Weiß leuchtend über Land und See.
Bis hin zu aller Sehnsucht Ende,
Wo die Erfüllung stolz und groß,
Streckt ihre reichen...
Johanna Marie Lankau
Niemand weiß
Niemand weiß, wie schwer mir's fällt,
Flammen in der Brust zu hegen,
Und sie dennoch vor der Welt
Nicht ans freie Licht zu legen.
Feuer läßt sich nicht verhehlen,
Denn sein Glanz ist allzu klar,
Und die Glut verliebter Seelen
Macht sich selber offenbar.
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
Toskanischer Frühling
Das Erste sei, daß man der Welt sich freue,
sich vor den Andern froh empfinden lerne
in stiller Nähe wie in bunter Ferne
das Alte frisch genieße wie das Neue.
Doch schaff dir auch ein Herz voll stolzer Treue,
eins in sich selbst und seinem tiefsten Kerne!
Der Freie traut durch Wolken seinem Sterne
Das Brandmal aller Sklaven ist die Reue.
Otto Erich Hartleben
Entweihung
Wag' es selber kaum verstohlen
deinen Namen mir zu stammeln;
ist mir immer doch, als müßt' ich
still mich erst zur Andacht sammeln.
Und ich muß es schweigend leiden,
darf nicht heil'gen Zorns entbrennen
wenn die Andern ohne Scheu mir
diese keuschen Laute nennen, –
mit denselben Lippen nennen,
die des Neides Siegel tragen,
die mit Kuß und Lächeln feilschen,
die zur Lüge Weisheit sagen!
Fort! Ich will aufs Pferd mich werfen,
in die freie Flur es lenken,
will zu meiner Mutter...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Was bebt und bangt so wehe
Mein Herz empor,
Wenn ich dort oben sehe
Der Sterne Chor?
Wie freie Seelen winken,
So bannt den Blick
Ihr wandelbares Blinken:
Steig an zum Glück.
Wie reine Geister glänzen,
So mahnt ihr Licht:
Steig auf aus deinen Grenzen,
Sie wehrens nicht.
Und immer dann dies Beben,
Und immer mehr.
O Stäubchen, Menschenleben,
Und doch zu schwer?
Richard Fedor Leopold Dehmel
Glück der Liebe
Einem Schmetterlinge gleicht die Liebe;
Wie er flatternd über Blumen schwebt,
So entflieht sie oft auf leichten Schwingen,
Und nur selten kehrt sie uns zurück.
Um gewaltsam ihre Flucht zu hemmen,
Strebt das kranke Herz mit leisem Weh;
Möcht' ihr gern die raschen Flügel binden,
Gern sie bannen in der Treue Kreis.
Aber wie des Schmetterlinges Farben
Selbst in zarten Händen untergehn,
So vernichten Fesseln auch die Reize,
Die der...
Charlotte von Ahlefeld
Den Glauben, das religiöse Gefühl zu pflegen, überlassen wir der Kirche und stören sie darin nicht. Aber sie überlasse es dann auch uns, die Wissenschaft zu pflegen, die freie Wissenschaft, welche allein Wissenschaft ist. Das Ziel der Wissenschaft ist ja Wahrheit, und nur die Wahrheit kann uns frei machen.
Theobald Ziegler