Flügel Zitate
Flügel
Will ich mein Maß, so nennt man mich vermessen,
Aus jedem Teller muß ich Bittres essen,
Und was mir nicht geschah, es ist geschehn.
Du lehrtest mich ein stilles Unterdessen:
Figuren in der Rankenwand der Kressen
Als Flügel durch das Abendgelb zu sehn.
Du lehrtest mich zu fragen auch vergessen:
Wohin die Flüge? Und die Flügel wessen?
Du machtest mich zum Kind, mir beizustehn.
Oskar Loerke
Flügel
Auf den Wellen treibt ein Segel,
Weiß ragt's auf dem dunkeln Kahn,
Hoch darüber kreisen Vögel,
Silbermöven, himmelan.
Kreisen. Und es lockt ihr Schweben:
»Selig, wer den Flug erkor!
Wolle nur die Flügel heben,
Und sie schwingen dich empor!
Wie magst du die Nied'rung pflügen,
Wann der Äther blau sich türmt,
Und der Drang in dir zum Fliegen
Wie in unsern Herzen stürmt?«
Unten lenkt sein Flutgeleise
Schon der Nachen an den Strand,
Zieht das Segel ein, und leise
Ächzend stößt er auf den Sand.
Jakob Boßhart
Volkslied
Wenn ich zwei Vöglein wär,
Und auch vier Flügel hätt,
Flög die eine Hälfte zu dir.
Und die andere, die ging auch zu Bett,
Aber hier zu Haus bei mir.
Wenn ich einen Flügel hätt
Und gar kein Vöglein wär,
Verkaufte ich ihn dir
Und kaufte mir dafür ein Klavier.
Wenn ich kein Flügel wär
(Linker Flügel beim Militär)
Und auch keinen Vogel hätt,
Flög ich zu dir.
Da 's aber nicht kann sein,
Bleib ich im eignen Bett
Allein zu zwein.
Joachim Ringelnatz
Ach hätte die Rose Flügel
Ach hätte die Rose Flügel,
sie flöge hinüber zu dir,
und brächte dir tausend Grüße,
und du wüßtest sie kämen von mir.
O könnte die Rose singen,
ich sendete sie an dich
und sie sänge dir dieses Liedchen,
und du dächtest dabei an mich.
Sie kann nicht fliegen, nicht singen!
Ich bin die Sehnsucht so müd,
drum fliege ich selber und bringe
dir Gruß und Rose und Lied.
Rhingulf Eduard Wegener
Der Himmel ist geöffnet über mir,
Und seine Stimme, solchen Wohllauts voll,
Wie niemals ihn ein Erdenkind vernahm,
Der ewigen Liebe und der Allmachts Stimme
Vereint zu einem wundersamen Klang,
Ruft laut aus lichten Höhen: "Komm – o komm!"
Ich aber steh auf einem uferlosen,
In Eisesfrost erstarrten Ozean;
Da grünt kein Baum, da wellen keine Hügel,
Da ragt kein Bergesgipfel wolkennah;
Die Sehnsucht flammt, doch hebt sie nicht empor,
Und Flügel – Flügel – – hat mir Gott versagt.
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach
An dem Feuer saß das Kind,
Amor, Amor,
Und war blind;
Mit dem kleinen Flügel fächelt
In die Flamme er und lächelt,
Fächle, lächle, schlaues Kind!
Ach, der Flügel brennt dem Kind,
Amor, Amor
Läuft geschwind!
"O, wie mich die Glut durchpeinet!"
Flügelschlagend laut er weinet,
In der Hirtin Schoß entrinnt
Hülfeschreind das schlaue Kind.
Und die Hirtin hilft dem Kind
Amor, Amor,
Bös und blind.
Hirtin, sieh, dein Herz entbrennet,
Hast den Schelm du nicht gekennet?
Sieh, die Flamme...
Clemens Brentano
Vorfrühling
Sieh da: Die Weide schon im Silberpelz,
Die Birken glänzen, ob auch ohne Laub,
In einem Lichte, das wie Frühling ist.
Der blaue Himmel zeigt türkisenblau
Ganz schmale Streifen, und ich weiß, das ist
Des jungen Jahres erster Farbenklang,
Die ferne Flöte der Beruhigung:
Die Liebe hat die Flügel schon gespannt,
Sie naht gelassenen Flügels himmelher,
Bald wird die Erde bräutlich heiter sein.
Nun Herz, sei wach und halte dich bereit
Dem holden Gaste, der mit Blumen kommt
Und Liebe...
Otto Julius Bierbaum
Unsre Seelen bleiben freilich,
In platonischer Empfindung,
Fest vereinigt, unzerstörbar
Ist die geistige Verbindung.
Ja sogar im Trennungsfalle
Fänden sie doch leicht sich wieder;
Denn die Seelen haben Flügel,
Schnelles Schmetterlingsgefieder;
Und dabei sind sie unsterblich,
Und die Ewigkeit ist lange;
Und wer Zeit hat und wer suchet
Findet, was er auch verlange.
Doch den Leibern, armen Leibern,
Wird die Trennung sehr verderblich,
Haben keine Flügel, haben
Nur zwei Beine, und sind...
Heinrich Heine
Ich harrte, als Prinzessinbraut
Stiegst du erneut zur Erde nieder.
Der Morgen leuchtet purpur wider,
Und hundertfältig schenkst du wieder,
Was uns der karge Herbst geraubt.
Du siegtest, flöhst mit raschem Flügel,
Geheimnis raunt die Gottheit sacht,
Es grünt der frische Gräberhügel,
Von ihrem Sieg jauchzend ungezügelt
Eine besinnungslose Macht.
Afanassi Afanassjewitsch Fet