Dichter Zitate (Seite 7)
Poetenbegräbnis
Abseits des Weges grub man ihn ein,
Zwei Männer standen am Schragen,
Ohn Sing und Sang im Tannenschrein
Hat man ihn fortgetragen.
Hoch war sein Dach in lichtleerer Welt,
Sein Tun: nur nächtliches Schreiben.
Er war ein Dichter und ohne Geld:
"Was soll so nutzloses Treiben?"
Denn niemand weiß, wie ihm glühte der Kopf,
Wenn die Seele in Flammen gestanden:
"Er war ein seltsam-verrückter Tropf
Und wurde daran zuschanden."
Und keines Menschen Mund hat geklagt
Ob unverstandenem...
Wilhelm Uhlmann-Bixterheide
Letzte Liebe
Wie an der Neige unserer Zeit
Wir zarter, abergläubischer lieben!
Als Abglanz der Vergänglichkeit
Ist, letzte Liebe, dein Strahl geblieben.
Den halben Himmel deckt die Nacht,
Und nur im Westen schweifen Lichter.
Verweile, verweile, du Abendpracht,
Verstrick mich, Zauber, dicht und dichter.
Mag spärlich das Blut sich regen,
Doch voller Zartheit ist das Herz.
O letzte Liebe, Fluch und Segen
Und Glück und hoffnungsloser Schmerz.
Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew
Begräbnis
Im Hinterhaus starb ein armes Weib;
Nun kommt man zu bergen den welken Leib,
Der Leichenwagen fährt vor.
Zwei Kinder bleiben voll Neugier stehn,
Das neue, erste Schauspiel zu sehn,
Am zugigen, offenen Tor.
Noch mancher kommt. Eine Menschenschar
Drängt vor dem Haus sich, das Jahr für Jahr
Der Alten Elend barg …
Im Leben ging alles an ihr vorbei!
Nun warten geduldig in dichter Reih'
So viele auf ihren – Sarg.
Gisa Tacchi
Ich hab es mir zum Trost ersonnen
In dieser Zeit der schweren Not,
In dieser Blütezeit der Schufte,
In dieser Zeit von Salz und Brot.
Ich zage nicht, es muß sich wenden,
Und heiter wird die Welt erstehn,
Es kann der echte Keim des Lebens
Nicht ohne Frucht verlorengehn.
Der Klang von Frühlingsungewittern,
Von dem wir schauernd sind erwacht,
Von dem noch alle Wipfel rauschen,
Es kommt noch einmal, über Nacht!
Und durch den ganzen Himmel rollen
Wird dieser letzte Donnerschlag;
Dann wird es...
Theodor Storm
Schwerer Abend
Die Tore aller Himmel stehen hoch dem Dunkel offen,
Das lautlos einströmt, wie in bodenlosen Trichter
Land niederreißend. Schatten treten dichter
Aus lockren Poren nachtgefüllter Schollen.
Die Pappeln, die noch kaum von Sonne troffen,
Sind stumpf wie schwarze Kreuzesstämme übers Land geschlagen.
Die Acker wachsen grau und drohend - Ebenen trüber Schlacke.
Nacht wirbelt aus den Wolkengruben, über die die Stöße rollen
Schon kühler Winde, und im dämmrigen Gezacke
Hellgrüner...
Ernst Maria Richard Stadler
Reinheit
Schelte man doch nicht den Dichter,
Wenn auch er zuweilen sinkt,
Und wie anderes Gelichter
Aus des Lebens Pfütze trinkt.
Reiner nur in Gegensätzen,
Heller tönt empor sein Lied;
Nimmer weiß das Licht zu schätzen,
Wer das Dunkel stets vermied.
Wie ihn auch sein Wipfel kröne,
Wurzelt doch in Nacht und Stamm –
Und der Lilie keusche Schöne
Blühet aus des Teiches Schlamm!
Ferdinand von Saar
An den Mond
Längst, du freundliches Nachtgestirn,
Ist dein Geheimnis verweht.
Erkenntnisstolz blickt der Knabe schon
Zu dir empor,
Denn verfallen bist du, wie alles jetzt,
Der Wissenschaft,
Die deine Höhen und Tiefen mißt –
Und wer weiß, ob du nicht endlich doch noch
Erstiegen wirst auf der Münchhausenleiter
Der Hypothesen.
Dennoch, du alter, treuer Begleiter der Erde,
Webt und wirkt dein alter Zauber fort,
Wenn du, Aug' und Herz erfreuend, emportauchst
Mit dem sanftschimmernden...
Ferdinand von Saar
Mit jeder Sprache mehr, die du erlernst, befreist
Du einen bis daher in dir gebundnen Geist,
Der jetzo tätig wird mit eigner Denkverbindung,
Dir aufschließt unbekannt gewes'ne Weltempfindung,
Empfindung, wie ein Volk sich in der Welt empfunden;
Nun diese Menschheitsform hast du in dir gefunden.
Ein alter Dichter, der nur dreier Sprachen Gaben
Besessen, rühmte sich, der Seelen drei zu haben.
Und wirklich hätt' in sich nur alle Menschengeister
Der Geist vereint, der recht wär' aller Sprachen...
Friedrich Rückert
Sieh, ich war so oft allein
Sieh, ich war so oft allein,
Und ich lernte gleich den Zweigen,
Gleich dem Stein,
Träume wachen, Worte schweigen.
Denke, daß ich Dichter bin.
Eure Sonne ist nicht meine.
Nimm als Freund mich hin,
Wenn ich dir auch fremd erscheine.
Laß mich lauschen aus der Ferne,
Wenn ihr tanzend schwebt,
Daß auch ich das Schwere lerne:
Wie man narrenglücklich lebt.
Joachim Ringelnatz
Schallplatten
Schallplatten, ihr runden,
Verschönt uns die Stunden
Laut oder leise,
Tief oder hell,
Wie wir euch bestellt.
Dreht euch im Kreise.
Das Karussell
Der geistigen Welt.
Erwähltes schwinge,
Ein Spiel erklinge,
Ein Sänger singe,
Ein Dichter spricht;
Aus fernen Landen,
Aus Nichtmehrvorhanden.
Wir sehen sie nicht.
Was sie uns gegeben,
Wird Künftigen bleiben,
Wird weiter leben,
Wie ihr es banntet,
Ihr kreisenden Scheiben,
Wie ihr erkanntet,
Was ewig gefällt.
Die Kunst erhält.
Joachim Ringelnatz
Der Dichter
Du entfernst dich von mir, du Stunde.
Wunden schlägt mir dein Flügelschlag.
Allein: was soll ich mit meinem Munde?
Mit meiner Nacht? Mit meinem Tag?
Ich habe keine Geliebte, kein Haus,
Keine Stelle, auf der ich lebe.
Alle Dinge, an die ich mich gebe,
Werden reich und geben mich aus.
Rainer Maria Rilke