Des Lebens Zitate (Seite 45)
Gedenke, daß du Schuldner bist
Der Armen, die nichts haben,
Und deren Recht gleich deinem ist
An allen Erdengaben.
Wenn jemals noch zu dir des Lebens
Gesegnet goldne Ströme gehn,
Laß nicht auf deinen Tisch vergebens
Den Hungrigen durch's Fenster sehn;
Verscheuche nicht die wilde Taube,
Laß hinter dir noch Ähren stehn,
Und nimm dem Weinstock nicht die letzte Traube.
Hermann Ritter von Lingg
Freundschaft
Ein Freund ist ein Mensch
der zuhört,
der weghört,
der schweigt,
der spricht,
nicht nur sagt,
was gefällt,
der losläßt
und hält.
Der den Ernst des Lebens
mit dir trägt,
der dich stützt und bewegt.
Ein Freund ist ein Mensch,
dem du vertraust,
mit dem du
von Spiegel zu Spiegel schaust.
Ruth W. Lingenfelser
Ich wünsche Dir für die Straße des Lebens
viel Treibstoff, damit die Energie nicht ausgeht,
keine langweilige Autobahn sondern
eine abwechslungsreiche Landstraße,
keinen Stau, wohl aber öfters eine langsame Spazierfahrt,
stets einen guten Beifahrer, eine gute Beifahrerin,
unterhaltsame Mitfahrer,
wohlwollende Aufmerksamkeit
der Straßenverkehrsteilnehmer,
eine warme, heimelige Garage
gute Landkarten, damit Du Dich
zurechtfindest im Straßenwirrwarr,
keine Pannen und Geisterfahrer,
im...
Hermann Lahm
Amselpaar
Da fliegt ein schwarzer Vogel auf,
Ein schwarzer Vogel fliegt dazu;
Das ist des Lebens süßer Lauf –
Die ganze Welt ist du und du.
O du mein armes Vögelein
Im ungesellten Neste dort,
Wann werden wir beisammen sein,
Und fliegen auf und fliegen fort?
Geduld, Geduld; die Zeit vergeht,
Doch kommt sie auch! Das ist mein Trost;
Und wenn das Herz nicht stille steht,
Die Zeit hat keinen Rost!
Ferdinand Kürnberger
Dem Rade gleich
Entrollt des Lebens Lust! Wohlan, genießet
Und grübelt nicht! Entnehmt mit Kindessinn
Der Mutterhand, die lächelt ihn euch beut,
Der klaren Stunde Kelch, eh' er verrinnt!
Ergreift mit Kraft, bevor er euch entflieht,
den Augenblick und schmückt ihn mit der That!
Friedrich Adolf Krummacher
Überall Leid
Allüberall, wohin ich ging und kam,
Fand ich ein Weh; so einsam lag kein Land,
Daß nicht der Weg zu ihm die Sorge fand,
Und wo kein Baum gedieh, gedieh noch Gram;
Und magst du ziehn nach Süd und Nord,
Gen Ost und West, nach allen Winden,
Du wirst doch stets dasselbe Lösungswort,
Die Arbeit und des Lebens Mühsal finden.
Dasselbe Kämpfen um dein täglich Brot,
Das sich nicht lohnt, so schwer verdient zu sein,
Erwartet dich am Hudson wie am Rhein;
Ihr Bürgerrecht hat überall die...
Konrad Krez
Wo willst du hin?
Wo willst du hin?
Es ist so kalt
Wo willst du hin?
Ich such dich bald
Mir ist kalt, ich bin allein
Es kommt die Frage nach dem Sein
Nach dem großen Sinn des Lebens
Der in Liebe ist gegeben
Um diesen Kreislauf fortzuwähren,
Muss ich für dich sehr viel entbehren
Doch dieses Geben ist Genuss
Die Liebe selbst sie ist ein Muss
Doch wo willst du hin?
Es ist so kalt
Aber wo willst du hin?
Du sagst „Bis Bald“
Ich freu mich auf das Wiedersehen
Dein Gesicht erneut zu erspähen
Denn das...
Frank Korablin
Verkaufte Ideale
Die einzige Lust in jenem armen Weibe,
Die Blumen ihres Gärtleins anzusehn;
Da kommt die Bürgersfrau – zum Zeitvertreibe
Bleibt an der Gartenwand sie sinnend stehn.
"Was sollst du nutzlos diese Blumen hüten?
Gib mir die Blumen, kauf dafür dir Brot!" –
Wie schwer es ihr auch wird, sie gibt die Blüten
Der Frau dahin, denn bitter drängt die Not.
Und ich gedachte manch verlornen Strebens –
Wie mancher gab schon mit enttäuschtem Sinn
Die Ideale für die Not des Lebens,
Das...
Josef Kitir
Der Schulgenoß
Wohin hat dich dein guter Stern gezogen,
O Schulgenoß aus ersten Knabenjahren?
Wie weit sind auseinander wir gefahren
In unsern Schifflein auf des Lebens Wogen!
Wenn wir die Untersten der Klasse waren,
Wie haben wir treuherzig uns betrogen,
Erfinderisch und schwärm'risch uns belogen
Von Aventuren, Liebschaft und Gefahren!
Da seh' ich just, beim Schimmer der Laterne,
Wie mir gebückt, zerlumpt ein Vagabund
Mit einem Häscher scheu vorübergeht - !
So also wendeten sich...
Gottfried Keller
Hälfte des Lebens
Mit gelben Birnen hänget
und voll mit wilden Rosen
das Land in den See,
ihr holden Schwäne,
und trunken von Küssen
tunkt ihr das Haupt
ins heilignüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm' ich, wenn
es Winter ist, die Blumen, und wo
den Sonnenschein
und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
sprachlos und kalt, im Winde
klirrren die Fahnen.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Die Geschäftigen
Nicht einen</em> Hauch vergeuden sie, nicht <em>einen</em>,
Nein, alles wird gleich für den Markt geboren,
Kein Herzensschlag geht ohne Zins verloren,
Die Herren machen Brot aus ihren Steinen.
Sie machen Brot aus Lachen und aus Weinen –
<em>Ich</em> hab' mir die Beschaulichkeit erkoren,
Und niemals streng gerechnet mit den Horen,
Ich denke fromm: "Gott gibt's im Schlaf den Seinen!"
Ich kann des Lebens banggeschäftig Rauschen,
Dies laute Tun und Treiben nicht verstehn,
Und...
Georg Herwegh