Angst Zitate (Seite 17)
Erinnerung
Und du wartest, erwartest das Eine,
das dein Leben unendlich vermehrt;
das Mächtige, Ungemeine,
das Erwachen der Steine,
Tiefen, dir zugekehrt.
Es dämmern im Bücherständer
die Bände in Gold und Braun;
und du denkst an durchfahrene Länder,
an Bilder, an die Gewänder
wiederverlorener Fraun.
Und da weißt du auf einmal: das war es.
Du erhebst dich, und vor dir steht
eines vergangenen Jahres
Angst und Gestalt und Gebet.
Rainer Maria Rilke
Aufgang oder Untergang
Nenn ich dich Aufgang oder Untergang?
Denn manchmal bin ich vor dem Morgen bang
und greife scheu nach seiner Rosen Röte –
und ahne eine Angst in seiner Flöte
vor Tagen, welche liedlos sind und lang.
Aber die Abende sind mild und mein,
von meinem Schauen sind sie still beschienen;
in meinen Armen schlafen Wälder ein, –
und ich bin selbst das Klingen über ihnen,
und mit dem Dunkel in den Violinen
verwandt durch all mein Dunkelsein.
Rainer Maria Rilke
Der Junker und der Bauer
Ein Bauer trat mit seiner Klage
vor Junker Alexander hin:
"Vernehmt, Herr, daß ich heut am Tage
recht übel angekommen bin:
Mein Hund hat Eure Kuh gebissen.
Wer wird den Schaden tragen müssen?"
"Schelm, das sollst du!" fuhr hier der Junker auf,
"für dreißig Taler war mir nicht die Kuh zum Kauf,
die sollst du diesen Augenblick erlegen.
Das sei hiermit erkannt von Rechtes wegen."
"Ach nein, gestrenger Herr! ich bitte, hört"
rief ihm der Bauer wieder zu,
"ich hab es in...
Michael Richey
Zivilcourage
Manchmal stellt man sich die Frage,
wo sind die Helden unsrer Zeit,
wer zeigt noch Zivilcourage,
wenn jemand laut um Hilfe schreit.
Da wird ein Mann brutal erschlagen,
nur weil er Kindern helfen will,
Passanten stehen da, – versagen,
wenden sich ab und bleiben still.
Tagtäglich neue Aggressionen,
die Medien sind voll davon,
wiederholt in Bahnstationen,
treten Jugendliche in »Aktion«.
Zivilcourage gibt's nur selten,
dem Menschen liegt die Angst im Blut,
es sollt jedoch die...
Horst Rehmann
Warst du – hast du?
Warst du jemals traurig,
hast du es je erlebt,
warst du auch mal zornig,
hast innerlich gebebt,
hast du Angst durchlitten,
dein Herzklopfen gehört,
hast du je gestritten,
dich fast dabei zerstört,
kennst du die wahre Not,
hast du sie je gespürt,
warst du allein im Boot,
hast es im Sturm geführt,
hast jemals du geliebt,
dich ganz hingegeben,
warst überaus betrübt,
je in deinem Leben?
Wenn so etwas dir fremd erscheint,
und jedes Wort dir widerstrebt,
dann hast du auch noch...
Horst Rehmann
Das Bild hat sich verändert.
Das Bild, das ich von dir hatte.
Jetzt hat es eine Stimme, und mit der Stimme kam ein Bild aus der
Erinnerung, das sich in das ursprüngliche mischte.
Davor hatte ich Angst, weil wir alle so unfrei sind.
Jetzt muß ich arbeiten: das andere Bild zur Seite schieben...
damit ich dich wieder sehen kann....
Aber wir werden es schon schaffen!
Irina Rauthmann
Ein simpler Vergleich
Das Leben besteht
aus Versuchen und Ausprobieren.
Genau wie man Kleidung probiert und,
wenn sie abgetragen ist oder
schon anfangs nicht sitzt oder gefällt,
legt man sie wieder ab.
Genauso ist es mit dem Leben:
versuche stets Neues
(nach obiger Anleitung)
Oder hast du dich schon entschlossen,
kein neues Kleidungsstück mehr zu kaufen,
aus Angst vor dem Risiko?
Irina Rauthmann
Eintauchen in das Gefühl Deiner Nähe
ich bin nur noch am Träumen
von Deiner warmen, weichen Haut
von Deinen Küssen
von Deinen Liebkosungen
ich darf Dich berühren,
schmecken, liebkosen
wenn ich eintauche
in das Gefühl Deiner Nähe
ist es fast, als würde ich mich auflösen
eine Leichtigkeit beflügelt mich
kein Druck lastet auf mir
keine Angst läßt mich erstarren
ich fühle Dich
fühle, daß Du zu mir gehörst
und ich zu Dir.
Beate Prager
Gedankenfreiheit?
Er war zutiefst erschrocken
als er merkte
daß ihn auch andere Frauen reizten –
daß er sich manchmal
geradewegs
in ihren Schoß hineindachte.
Sie war entsetzt
als sie merkte
daß sie, als sie mit ihm schlief
in Gedanken
in den Armen eines anderen –
nicht schöneren, nicht stärkeren –
nur anderen Mannes lag.
Mein Gott, sie liebten sich doch
hatten alles –
und hatten Angst.
Es gibt eben
eine Art von Liebe
da sind
die Gedanken nicht frei.
Jörn Pfennig
Wenn ich betrachte meines Lebens Dauer,
der Jahre Flucht und wie ich mich verlor,
das Feuer sank, in dem ich glühend fror,
die Ruhe schwand der regungslosen Trauer,
wie Liebeswahn und Hoffen mir erstorben,
wie in zwei Teile uns der Tod geteilt
- auf Erden dieser, der im Himmel weilt -,
wie ich verlor, was ich so schwer erworben,
dann schreck ich hoch und berge mein Gesicht
und neide noch dem Ärmsten seine Not,
so bin von Angst und Schmerz ich übermannt.
Mein Stern, mein Los, o ihr, Geschick...
Francesco Petrarca
Letztes Gedicht
Wenn quälend mich die Angst beschleicht,
Mein Teuerstes auf Erden,
Mein Liebstes könnte mir vielleicht
Einst noch entrissen werden;
Dann tröstet der Gedanke mich:
»Weshalb davor erbeben?
Dies große Leid vermöchte ich
Ja nicht zu überleben.«
Die Hoffnung, die sich in dir regt,
Bevor du ihrer dich entschlagen,
Daß keinem werde auferlegt
So viel als er kann tragen.
Wie groß das Leid, wie tief die Not,
Du wirst dich d'rein ergeben,
Und was dir bitt'rer als der Tod,
Du wirst es...
Betty Paoli
Wann?
Wenn mich die Dunkelheit
der Nacht umhüllt,
ich die Augen schließe,
falle ich den Abgrund
der Unendlichkeit,
meine Gedanken sind verwirrt,
sie fliegen hin und her,
wie ein kleiner Vogel –
quälend und ängstlich fragen sie
wann ist es so weit?
Wann kommt der Tag,
da Frieden in mir ist?
Ohne Angst und Zweifel zu leben,
für den Rest meines Lebens?
Karin Obendorfer
Trost
Wenn in langen trüben Stunden
Unser Herz beinah verzagt,
Wenn, von Krankheit überwunden,
Angst in unserm Innern nagt;
Wir der Treugeliebten denken,
Wie sie Gram und Kummer drückt,
Wolken unsern Blick beschränken,
Die kein Hoffnungsstrahl durchblickt,
O dann neigt sich Gott herüber,
Seine Liebe kommt uns nah,
Sehnen wir uns dann hinüber,
Steht ein Engel vor uns da,
Bringt den Kelch des frischen Lebens,
Lispelt Mut und Trost uns zu,
Und wir beten nicht vergebens
Auch für die Geliebten Ruh.
Novalis
Die mich einst mit Schmerz gebar
Die mich einst mit Schmerz gebar,
doch mit Mutterfreuden –
da ich noch ein Knäblein war,
vieles mußte leiden,
stets mich doch die Sorge gepflegt
und mit Angst und Mühe,
und mich oft noch huldreich trägt:
Siehe, wie ich blühe.
Und ein Liedchen singe ich
dir voll Dank und Freude.
Nimm es an und freue dich,
höre, was ich heute
wünsche dir voll Dankbarkeit:
Lebe uns zufrieden
lange noch; was dich erfreut,
müsse dich hinieden
stets beglücken; ohne Rast
blühen deine...
Novalis