Alte Zitate (Seite 17)
Frühling
Nun ist er endlich kommen doch
In grünem Knospenschuh;
"Er kam, er kam ja immer noch",
Die Bäume nicken sich's zu.
Sie konnten ihn all erwarten kaum,
Nun treiben sie Schuß auf Schuß;
Im Garten der alte Apfelbaum,
Er sträubt sich, aber er muß.
Wohl zögert auch das alte Herz
Und atmet noch nicht frei,
Es bangt und sorgt: "Es ist erst März,
Und März ist noch nicht Mai."
O schüttle ab den schweren Traum
Und die lange Winterruh:
Es wagt es der alte Apfelbaum,
Herze, wag's...
Theodor Fontane
Nicht doch!
Mädel, laß das Stricken – geh,
Thu den Strumpf bei Seite heute;
das ist was für alte Leute,
für die jungen blüht der Klee!
Laß, mein Kind;
komm, mein Schätzchen!
siehst du nicht, der Abendwind
schäkert mit den Weidenkätzchen…
Mädel liebes, sieh doch nicht
immer so bei Seite heute;
das ist was für alte Leute,
junge sehn sich ins Gesicht!
Komm, mein Kind,
sieh doch, Schätzchen:
über uns der Abendwind
schäkert mit den …
Siehst du Mädel, war's nicht nett
so an meiner Seite heute?
Das...
Richard Fedor Leopold Dehmel
An das Meer
Urfrisches Bild der Jugendzeit
Im goldnen Saum der Ewigkeit,
Das du seit Schöpfungsanfang warst,
Wie du dich heut mir offenbarst!
Du sahst das Erdrund werden alt
Und sich verwandeln mannigfalt –
Auch du oft wechselst dein Gesicht,
Doch deine Seele wechselt nicht!
Du zeigst die ew'ge Schöpferkraft,
Die rastlos aus sich selber schafft,
Stets neue Lebenswellen treibt
Und immer doch die alte bleibt.
Wer deines Herzens Wogenschlag
Und Melodie ergründen mag,
Dem raunst du das Geheimnis...
Friedrich Martin von Bodenstedt
Der alte Trinker
Alt bin ich zwar, doch trink ich
Trotz einem Jüngling wacker;
Und wenn es gilt zu tanzen,
Mach ich in meinem Chore
Den tanzenden Seilenos,
Nehme den Schlauch zum Stabe.
Gebt mir mit euren Stecken!
Hat einer Lust zu kämpfen,
Der kämpfe meinetwegen.
Auf! Bringe mir, o Knabe,
Gemischt mit honigsüßem
Weine den vollen Becher!
Alt bin ich zwar, doch trink ich
Trotz einem Jüngling wacker.
Anakreon
Mordet man denn so? Geht man zu einem Mord so, wie ich damals gegangen bin?... Habe ich die Alte ermordet? Mich selbst habe ich ermordet und nicht die Alte! Mit einem Schlag habe ich mir den Garaus gemacht, einmal für immer!... Und diese Alte hat der Teufel ermordet, nicht ich.
Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Im Konzert
Sie sangen ein altes Lied im Chor
Von Liebe, die lächelt in Todesschmerzen.
Die Stimmen rauschten dunkel empor
Und fielen wie Tränen in unsre Herzen.
Wir sassen schweigend und sahen uns an,
Im Raume nah, doch getrennt wie durch Meere,
Und neigten uns schauernd unter dem Bann
Der unerbittlichen Schicksalsschwere.
Durch unsrer Träume entriegeltes Tor
Kam gnadenlos die Entsagung geschritten –
Sie sangen ein altes Lied im Chor,
Und niemand sah, was wir schweigend litten.
Thusnelda Wolff-Kettner