Zitate
Nie-Wiederkunft
Ein altes Weib verhaucht seine dünne Seele:
Glaubst du, daß sie weiter leben wird? ..
Glaub's nicht! Glaub's nicht!
Ein greiser König verhauchte seine müdgeword'ne Seele:
Glaubst Du, daß sie weiterleben wird? ..
Glaub's nicht! Glaub's nicht!
Ein muntrer Knabe verhauchte seine tieferschrock'ne Seele:
Glaubst Du, daß sie weiterleben wird? ..
Glaub's nicht! Glaub's nicht!
Keiner, der da war, kommt wieder!
Keiner, der da ist, weiß, daß er war!
Das glaub' – und liebe den Tod!
Ludwig Scharf
Tode
Ich möchte nicht auf einem weichen Bette
Mit Gott und der Welt versöhnt den Geist verhauchen:
Der schöne Bürgertod, die sanfte Schlummerstätte
Kann wenig nur für Tunichtgute taugen.
Auch möcht ich nicht den Tod des Wüstlings sterben,
Der ungern, angstzerquält von hinnen geht,
Verzweifelt, – und verflucht von armen Erben,
Krampfhaft sich klammernd an ein Reugebet.
Ich möcht als Krieger blutverspritzend sterben,
– Im Feld der Ehre nah' der letzte Hieb! –
Und sterbend noch um Ruhm und...
Ludwig Scharf
Fatum
Zweimal hat mich der Tod verschont:
Er wollte mich nicht haben:
Hunderttausende lägen jetzt tot
Und tief in der Grube begraben.
Ich aber begann erst recht zu blühn
Und den Blütenkelch zu entfalten –
Und wie ich der unterirdischen Macht,
So trotz' ich den Tagesgewalten.
Zum Schicksal ward mir mein Leben, o Gott!
Fast drückt die Last mich zu Boden:
Berufen bin ich, zu rufen zum Glück
Hier all die lebendigen Toten.
Ludwig Scharf
Abstammung
Wir sind nur Blüten an einem Baum:
Ein jeder träumt seinen Blütentraum
Und weiß nicht viel vom Andern;
Wir brechen hervor aus Zweiglein und Ast,
Wir fühlen der Blätter und Blättchen Getast
Und der Winde und Wolken Wandern.
Der Baum der Menschheit, der uns trägt,
Der Sturmwind Tod, der uns niederfegt,
Sind's, die unser Dasein umründen.
Wir stammen aus Erde und Himmelslicht,
Mehr wissen auch unsere Weisesten nicht:
Den Stamm konnte keiner ergründen.
Ludwig Scharf