Sei weise!
Geh nicht zu denen, welche von sich reden;
sie kennen nur das eigne, liebe Ich.
Ein feines Ohr vermeidet die Trompeten;
der Weise hält am liebsten sich für sich.
Geh nicht zu denen, welche von sich schweigen;
auch sie verehren nur ihr liebes Ich.
Sie wollen sich als große Schweiger zeigen;
der Weise hält am liebsten sich für sich.
Und mußt du doch als Mensch zu Menschen gehen.
So sprich und schweig, doch beides nicht für dich.
Das Sprechen sei für die, die dich verstehen.
Das Schweigen für der andern liebes Ich.
Aktuelle Zitate
Sobald eine Meinung allgemein geworden ist, beginnen die Menschen, sie aufzugeben und das Gegenteil zu beschwören, bis auch dieses veraltet und sie wieder Neues erfinden müssen, um aufzufallen. Haben sie also in Kunst oder Wissenschaft das Höchste erreicht, werden sie sicherlich nicht zufrieden sein und schnell nach einem anderen, gleichgültig welchen Ruhm Ausschau halten. Dies ist mit ein Grund dafür, daß die Zeiten erhabenster menschlicher Größe so schnell entarten und in die Barbarei...
Luc de Clapiers Vauvenargues
Wenn es auf der einen Seite nichts Schrecklicheres gibt als eine entfesselte, führerlose Menge, so gibt es auf der anderen Seite auch nichts Schwächeres. Mag sie auch bewaffnet sein, so wirst du sie leicht zur Ordnung bringen, wenn du einen Zufluchtsort hast, um ihrem ersten Ansturm auszuweichen. Denn wenn die Gemüter ein wenig abgekühlt sind und ein jeder wieder nach Hause zurückkehren muß, so fangen sie an, an sich selbst zu zweifeln und an die eigene Sicherheit zu denken, indem sie...
Niccolò Machiavelli
Der Träumer
Es war ein Traum in meiner Seele tief.
Ich horchte auf den holden Traum:
ich schlief.
Just ging ein Glück vorüber, als ich schlief,
und wie ich träumte, hört ich nicht:
es rief.
Träume scheinen mir wie Orchideen. –
So wie jene sind sie bunt und reich.
Aus dem Riesenstamm der Lebenssäfte
ziehn sie just wie jene ihre Kräfte,
brüsten sich mit dem ersaugten Blute,
freuen in der flüchtigen Minute,
in der nächsten sind sie tot und bleich. –
Und wenn Welten oben leise gehen,
fühlst du's...
Rainer Maria Rilke