Zitate
Weihnacht, wunderbares Land,
Wo die grünen Tannen,
Sternenflimmernd rings entbrannt,
Jeden Pilger bannen!
Glücklich kindlicher Gesang
Schwebt um heilige Hügel,
Schwebt der Heimat Welt entlang,
Sehnsucht seine Flügel.
Friedestarken Geistes Macht
Sehnt sich, zu verbünden,
Über aller Niedertracht
Muß ein Licht sich zünden.
Lebens immergrüner Baum
Trägt der Liebe Krone –
Und ein milder Sternentraum
Küßt die starrste Zone.
Karl Henckell
Mein Neujahrswunsch
Was ich erwünsche vom neuen Jahre?
Daß ich die Wurzel der Kraft mir wahre,
Festzustehen im Grund der Erden,
Nicht zu lockern und morsch zu werden,
Mit den frisch ergrünenden Blättern
Wieder zu trotzen Wind und Wettern,
Mag es ächzen und mag es krachen,
Stark zu rauschen, ruhig zu lachen,
So in Regen wie Sonnenschein
Freunden ein Baum des Lebens zu sein.
Karl Henckell
Rote Rosen
Rote Rosen, die glühen,
Zeugen glücklicher Zeit,
Als von Sorgen und Mühen
Das Herz befreit!
Über Trauer und Trümmer,
Wüsten, häßlichen Graus,
Blühenden Lebens Schimmer,
Neu breite dich aus!
Blüten, lang nicht beschieden,
Gruß aus schenkender Hand,
Boten der Sehnsucht nach Frieden,
Segnet, o segnet das freudlose Land!
Karl Henckell
Im Gefängnis
(nach Paul Verlaine)
Der Himmel ist über dem Dach
So blau, so stille.
Ein Baum wiegt über dem Dach
Seines Wipfels Fülle.
Die Glocke im Himmelsraum,
Sie läutet leise.
Ein Vöglein singt auf dem Baum
Seine traurige Weise.
Mein Gott, welche Ruhe hat
Hier das schlichte Leben!
Friedlich dringt aus der Stadt
Ein raunend Weben.
– Sage, was hast denn du,
Weinend in Bann und Acht,
Mit deiner Jugend du,
Ärmster, gemacht?
Karl Henckell
Die kommenden Tage
Es weht ein Gespinst um die Brunnen der Nacht,
Drin flattern die Wünsche des Lebens,
Die einen so glühend, die andern so sacht
Im Dunkel erwacht –
Die Nornen sie wirken's und weben's.
Versunken in brütenden Gründen, was war,
Was sein wird, entbrodelt den Tiefen –
Es steigen die Stunden, es jüngt sich das Jahr,
Aufschimmert die Schar
Der Tage, die schattenhaft schliefen.
Nun schlürfen sie Blut an den Brüsten der Zeit,
Schon wiehert das Kampfroß der Frühe,
Der Hahn schlägt...
Karl Henckell
Komm, o Pfingsten!
Pfingsten, ich suche dich,
Du Fest der Freude,
Wo neues Leben
Durch Not und Tod
Alten und Jungen
Mit Feuerzungen
Weltoffenbar wird.
Pfingsten, dich suchen wir,
Du Fest des Sieges,
Wo Wahrheitsschwingen
Ob Lug und Trug
Die Luft erfüllen,
Falschheit enthüllen,
Völkerdurchbrausend.
Pfingsten, ich suche dich,
Du Fest der Geistkraft,
Wo sturmgeläutert
Von Neid und Streit
Sich Menschenmächte
Fürs Edel-Rechte
Strömend vermählen.
Pfingsten, dich suchen wir,
Fest der...
Karl Henckell
In Qualen
Wenn ich in Qualen lag,
Undurchdringlichen,
Wenn meine Seele rang
Flehend zu dir:
Hilf mir, du ewiger
Vater des Lebens,
Hilf mir, allmächtiger,
Liebender Gott!
Angeschmiedet
Ächzen die Sinne,
Hingeknechtet
In Staub und Kot –
Wenn ich gebäumt mich,
Ketten geschüttelt,
Äther zu atmen
Herrlich und frei –
Ach, nur ein Nageldruck
Deiner Allmächtigkeit
War noch vonnöten,
Daß es vollbracht –
Ließest mich liegen
Ohne Barmherzigkeit,
Mich, der ich dich nur
Brünstig begehrt;
Ließest mich...
Karl Henckell
Trotziges Leben
Höhnisch Heulen
Von herben Winden!
Rauhe Schauer
Rieseln durch Mark und Bein.
Wirbelnde Blätter
Von den Linden
Schleifen in öden,
Schlüpfrigen Schlamm hinein.
Wolken weinen da droben;
Pessimistische Zähren
Spritzt mir der Sturm ins Gesicht –
Leben voll Jammer und Schwären!
Trotzig dich wehren!
Kämpfend...
Karl Henckell
Leben
Schaumgekrönter Überschwang,
Roter Blütenrausch –
Melancholischer Gesang,
Welkes Blattgerausch.
Silberheller Jubelchor,
Jauchzen Berg zu Tal –
Stilles Schluchzen, schwarzer Flor,
Schütternder Choral.
Mir ein süßer Herzenswahn,
Dir ein bittrer Hohn –
Heute winkt ein Kanaan,
Morgen ist's entflohn ...
Karl Henckell
Sei stark!
Es sprach mein Herz,
Es sang mein Herz:
Sei stark und fröhlich auf der Welt!
Was dir mißglückt,
Was dich bedrückt,
Wirf hinter dich aufs Totenfeld!
An Mute klein
Kann jeder sein,
Was ist denn da Besondres dran?
Das Leben ist
Voll Kampf und List –
Weh dem, der's nicht vertragen kann!
Ein armer Wicht,
Wer gleich verzicht
Und senkt sein Fähnlein in den Staub!
Du denk und dicht
Ins Morgenlicht
Und weißt du nicht wie's geht, so glaub!
Schwarzsehern traun,
Heißt Särge baun,
Sollst...
Karl Henckell
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