Zeit Zitate (Seite 94)
Dauer der Liebe
Er: Du hast geliebt! O, leugne nicht!
Ganz sicher bin ich dessen.
Sie: Ich hätt' geliebt? Besinn' mich nicht,
Und wenn, ich hab's vergessen.
Er: So hältst du Treu', so haltst du Lieb'?
Vergißt, wer dachte deiner?
Sie: Mein Freund! Er ging, doch wenn er blieb,
Gedächt' ich heut noch seiner.
Er: Wenn du so schnell Vergessen treibst,
Wer wird mit dir es wagen?
Sie: Je nun, mein Freund, solang du bleibst,
Hast du nicht Grund zu klagen.
Es schärft die Zeit der Lieb' Gewalt,
Man...
Ludwig Anzengruber
Volksweise
Was ist es mit dem Leben
Doch für 'ne arge Not,
Muß leiden und muß sterben
Zuletzt den bittern Tod.
Kam ich doch auf die Erden
Ganz ohne Wunsch und Will',
Ich weiß es nicht von wannen
Und kenn' nicht Zweck und Ziel.
Es tritt die bunten Auen
Nur einmal unser Fuß,
Für kurze Zeit nur tauschen
Wir Händedruck und Gruß.
Und was uns auch von Freuden
Und Leiden zugewandt,
Das mehret und das mindert
Sich unter Menschenhand.
Drum lasset uns in Freundschaft
Einander recht verstehn
Die kurze...
Ludwig Anzengruber
O Tannenbaum, O Tannenbaum,
Wie treu sind deine Blätter.
Du grünst nicht nur zur Sommerzeit,
Nein auch im Winter wenn es schneit.
O Tannenbaum, O Tannenbaum,
Wie grün sind deine Blätter!
O Tannenbaum, O Tannenbaum,
Du kannst mir sehr gefallen!
Wie oft hat schon zur Winterszeit
Ein Baum von dir mich hoch erfreut!
O Tannenbaum, O Tannenbaum,
Du kannst mir sehr gefallen!
O Tannenbaum, O Tannenbaum,
Dein Kleid will mich was lehren:
Die Hoffnung und Beständigkeit
Gibt Mut und Kraft zu jeder...
Ernst Gebhard Salomon Anschütz
Heidenacht
Wenn trüb das verlöschende letzte Rot
Herschimmert über die Heide,
Wenn sie liegt so still, so schwarz und tot,
so weit du nur schauest, die Heide,
Wenn der Mond steigt auf und mit bleichem Schein,
Erhellt den granitnen Hünenstein,
Und der Nachtwind seufzet und flüstert darein
Auf der Heide, der stillen Heide. –
Das ist die Zeit, dann mußt du gehn
Ganz einsam über die Heide,
Mußt achten still auf des Nachtwinds Wehn
Und des Mondes Licht auf der Heide:
Was nie du vernahmst durch...
Hermann Ludwig Allmers
Hilflosigkeit
macht manchmal ironisch
der Durst nach Liebe,
der Hunger nach Zärtlichkeit,
die Sehnsucht nach Geborgenheit,
wie einfach
wäre das alles zu stillen,
könnte man literweise Liebe kaufen
und stückchenweise Zärtlichkeit,
und drei Wochen Geborgenheit buchen.
Wie einfach
wäre das alles zu stillen,
würden wir mehr Zeit
und mehr Verständnis
füreinander haben.
Kristiane Allert-Wybranietz
Lange nicht gesehen
Schön, dich wiederzusehen,
wollte ich sagen.
Doch du hieltest mir die Zeit,
die wir uns nicht gesehen haben,
hin wie eine Lanze,
so daß mein Arm nicht deine Schulter,
mein Mund nicht deine Wange berührte.
Durch die Glasscheibe Distanz
sagte ich ganz steril:
Wie geht es dir?
Kristiane Allert-Wybranietz
Hitze
Netz die Lungen mit Wein! Heiß über uns wandelt die Sonne schon,
Alles schmachtet und lechzt unter der Wucht drückender Jahresglut;
Schmelzend süßes Gezirp tönt aus dem Laub, wo die Zikade rasch
ihre Flügel bewegt, denen der helltönende Sang entquillt.
Jetzt, zur Zeit wo die Golddistel erblüht, rasen die Weiber all,
Und die Männer sind schwach.
Mark und Gehirn trocknet des Sirius Gluthauch.
Alkäos
Die Grille und die Ameise
Die Grille, die den Sommer lang
zirpt’ und sang,
litt, da nun der Winter droht’,
harte Zeit und bittre Not:
Nicht das kleinste Würmchen nur,
und von Fliegen keine Spur!
Und vor Hunger weinend leise,
schlich sie zur Nachbarin Ameise,
fleht' sie an, in ihrer Not
ihr zu leihn ein Stückchen Brot,
bis der Sommer wiederkehre.
"Hör",sprach sie, "auf Grillenehre,
vor der Ernte noch bezahl'
Zins ich dir und Kapital."
Die Ameise, die, wie manche lieben
Leute, das Verleihen...
Aesop