Wille Zitate (Seite 85)
Armenkleid
Ich kreiste um dein Wortgebilde,
Wie ein Trabant um ein Gestirn.
Ich schützte dich vor Neidergilde
War dir Vasall, Lakai und Dirn.
An deinen Lippen festgekettet,
Hielt wehrhaft ich dein Banner fest
Vor jedem Arg, ich dich gerettet,
Vor jedem Feind – vor Rattennest.
Doch in der Zeit, da ich hofierte,
Erstarb mein Wille, fiel mein Stolz.
So sehr ich auch nach Krumen gierte,
War es nicht Brot, nur Galgenholz.
Heut schwenk ich nicht mehr deine Fahne,
Der Rücken ist des Tragens...
Margot S. Baumann
Ende des Tages.
In bleiernen Lichtes Weben
Tanzt und windet ohne Grund
Sich schamlos lärmend das Leben,
Drum sobald der Erde Rund
Von seligem Dunkel erfrischt ist,
Wann alles, der Hunger selbst, ruht,
Wann alles, die Schmach selbst, verwischt ist,
Seufzt der Dichter: Nun ist's gut!
Meine Glieder wie meine Gefühle
Erflehen die Ruhe sich,
In finsterem Traumgewühle
Will ausgestreckt liegen ich,
...
Charles Baudelaire
Sonett
Wie ich dich liebe? Laß mich zählen, wie.
Ich liebe dich so tief, so hoch, so weit,
Als meine Seele blindlings reicht, wenn sie
Ihr Dasein abfühlt und die Ewigkeit.
Ich liebe dich bis zu dem stillsten Stand,
Den jeder Tag erreicht im Lampenschein
Oder in Sonne. Frei, im Recht, und rein
Wie jene, die vom Ruhm sich abgewandt.
Mit aller Leidenschaft der Leidenszeit
Und mit der Kindheit Kraft, die fort war, seit
Ich meine Heiligen nicht mehr geliebt.
Mit allem Lächeln, aller Tränennot
Und...
Elizabeth Barrett Browning
Junker und Bauer
Was rennst du auf dem eignen Fell?
Den Blick verletzt du mir, Gesell!
Sind deine Strümpfe durchgelaufen,
Wohlan, ich will dir neue kaufen!
"Schön Dank, die reißen nicht so schnell.
Ihr tragt von diesem Stoff fürwahr
Schon ein Paar Unterhosen manches Jahr,
Da Ihr von Eurem Herrn Papa
Dasselbe Zeug dereinst geerbt.
An Güte kommt's dem Ochsenleder nah,
Nur leider blieb es ungegerbt."
Otto Alexander Banck
Frühling
So hast du in Behutsamkeit
Mit Lauben und mit Ranken
Den Garten meiner Nacht umsäumt
Jetzt lächeln die Gedanken.
Nun singen mir im Gitterwerk
Die süßen Nachtigallen
Und wo ich immer lauschen mag
Will mir ein Lied einfallen.
Die Sonne strahlt in deinem Blick
Und geht in meinem unter.
So schenkst du mir den schönen Tag
Ein mildes Sternenwunder.
So hast du meinen dunklen Traum
Durchleuchtet aller Enden
Und wo ich immer schreiten mag,
Begegne ich deinen Händen.
Hugo Ball
Noch lange stand ich wortlos, wie gebannt,
wie lauschend jener andern fernen Welt –
ihr woget zauberhaft rings um mich her
wie meiner Sehnsucht unermeßlich Meer.
Ich muß dich fassen mit der Sehnsucht Macht,
wenn ich mein Selbst aus dir will wiederfinden –
es ist durch dich ein Ton in mir erwacht,
auf den ich lange, lange, lang geharrt.
Luise Baer
Die sieben Lebensweisheiten:
Wenn ein Mann Geld verdienen will, ist er habgierig.
Wenn er Geld hat, ist er ein Kapitalist.
Wenn er Geld ausgibt, ist er ein Verschwender.
Wenn er kein Geld verdient, ist er ein Taugenichts.
Wenn er sich nichts aus Geld macht,
ist er ein Mann ohne Ehrgeiz.
Wenn er es ohne Arbeit verdient, ist er ein Parasit.
Und wenn er es nach einem Leben voll Mühe,
Sorgen und Fleiß endlich besitzt,
nennt man ihn einen Narren,
der von seinem Leben nichts gehabt hat.
Timm Bächle
Vom Kirschbaum
Ist alles ganz kahl und still,
nicht mal im Grase sich's regen will,
steht alles geduckt,
klappert im Frost und muckt
mit dem Winter. Der putzt es mit Rauhreif auf,
aber keines gibt was drauf.
Doch im Garten
sagt einer: Ich kann warten.
Ist jemand, du kennst ihn wieder kaum,
so dünn ist er worden: der Kirschenbaum.
Schläft er nicht?
Trau einer dem Wicht!
Heute mittag um eins
gab's mal ein Pröbchen Sonnenscheins:
Darin - ich habe
das deutlich gesehn -
mit seinen...
Ferdinand Ernst Albert Avenarius
Als ich dir sagte,
ich kann und will mich nur an einen Mann
für den Rest meines Lebens binden,
der innerlich und äußerlich frei ist;
hast du geantwortet:
"Heute ist der erste Tag
vom Rest deines Lebens!"
doch du bist weder innerlich
noch äußerlich frei.
Also müßte ich von rechts wegen tot sein.
Rose von der Au
Ich liebte sie,
Verschlossen war sie, stille;
Und ihrer Schönheit Fülle
Versiegte nie.
Der Blume gleich,
Glaubt ich die Welt verstecket,
Wo nie ein Ton erwecket,
Ihr Herz wie reich.
Du liebe Zeit,
Da fängt sie an zu sprechen,
Will mir das Herze brechen,
Ach, wie sie schreit;
Ich fühl mich arm,
Nun sie sich reicher fühlet,
Wie ist mein Herz erkühlet,
Was einst so warm.
Karl Joachim Friedrich Ludwig »Achim« von Arnim
Ritt im Mondschein
Herz zum Herzen ist nicht weit
Unter lichten Sternen,
Und das Aug, von Tau geweiht
Blickt zu lieben Fernen.
Unterm Hufschlag klingt die Welt,
Und die Himmel schweigen,
Zwischen beiden mir gesellt
Will der Mond sich zeigen.
Zeigt sich heut in roter Glut
An dem Erdenrande,
Gleich als ob mit heißem Blut
Er auf Erden lande.
Doch nun flieht er scheu empor,
Glänzt in reinem Lichte,
Und ich scheue mich auch vor
Seinem Angesichte.
Karl Joachim Friedrich Ludwig »Achim« von Arnim
Ostern
Vom Erdenstaub zu reinen, blauen Lüften
Dringt weit der Blick in ersten Frühlingstagen,
Und höher steigt der mächt'ge Sonnenwagen,
Die Erde sehnt nach Blättern sich und Düften,
Und heilige Geschichten uns dann sagen
Was sich geahnet in des Herzens Klüften.
Er ist erstanden aus den Todesgrüften,
Und wie vergebens war der Menschen Zagen,
Ja so ersteht die Welt der Himmelsgaben
Mit jedem Jahre neu, die Knospen brechen,
Und nichts ist unsrer Liebe zu erhaben,
Sie gibt uns alles in den...
Karl Joachim Friedrich Ludwig »Achim« von Arnim
Der wahre Sünder
Beim Wolkenbruch jüngst
Hat der Mesner sich gefreut:
"Jetzt kommt halt die Sintflut,
Der sündigen Leut!
Und wer nur in Lust lebt,
An Himmel net denkt,
Auf die Kirchen net hörn will,
Der wird jetzt ertränkt!"
Wies zu regnen hot aufgehört,
War er voller Leid,
Weil der Hagel verwüst hat
Sein Klee und Getreid.
Es hat sich brav gift,
Und die Bauern ham gelacht;
Denn all ihren Feldern
Hat der Hagel nichts gemacht!
"Sixt, Mesner", habens hohngelacht,
"Wie ma sich irren kann:
Brav...
Ludwig Anzengruber
Volksweise
Was ist es mit dem Leben
Doch für 'ne arge Not,
Muß leiden und muß sterben
Zuletzt den bittern Tod.
Kam ich doch auf die Erden
Ganz ohne Wunsch und Will',
Ich weiß es nicht von wannen
Und kenn' nicht Zweck und Ziel.
Es tritt die bunten Auen
Nur einmal unser Fuß,
Für kurze Zeit nur tauschen
Wir Händedruck und Gruß.
Und was uns auch von Freuden
Und Leiden zugewandt,
Das mehret und das mindert
Sich unter Menschenhand.
Drum lasset uns in Freundschaft
Einander recht verstehn
Die kurze...
Ludwig Anzengruber