Wenn Leben Zitate (Seite 52)
An einen jungen Freund
Nimm dieses Leben nicht so ernst!
recht spaßhaft ist's im allgemeinen…
Je besser du es kennenlernst,
je muntrer wird es dir erscheinen.
Kein Drama ist's im großen Stil –
wie du dir denkst – mit Schuld und Sühne;
es ist ein derbes Possenspiel
auf einer Dilettantenbühne.
Zwar wär's nicht halb so jämmerlich,
wenn nur die Leute besser spielten,
und wenn die Lustigmacher sich
nicht immer für die Helden hielten.
Heinrich Leuthold
Geburtstagswünsche
Es soll stets ein Freund an deiner Seite
dir Halt geben, wenn du zu stolpern scheinst.
Und wenn Tränen aus deinen Augen gleiten,
dann nur Tränen, die du aus Freude weinst.
Zahl die positiven Momente im Leben
auf das Konto der Erinnerung ein,
du kannst sie an trüben Tagen beheben
und aus Nebel wird wieder Sonnenschein.
Poldi Lembcke
Rätsel
Bald ist's von dieser, bald von jener Sorte:
dort gilt's der Silbe, hier gilt es dem Worte.
Leicht läßt es dich in alle Ferne schweifen,
wiewohl grad nur das Nächste zu ergreifen.
Bescheiden steht's und wartet in der Ecke,
bis du den Sinn holst aus dem Wortverstecke.
Wenn endlich dir die Lösung glücken soll,
sei zu bedenken dieses dir gegeben:
gelöst wär' nur die eine eben,
jedoch fast jedes Ding im Leben,
es bleibt dir leider dessen voll.
Ja mehr als das – ich wag es auszusprechen
und...
Karl Kraus
Aus ›Was war‹ wird ›Was ist‹!
Was bringt die Zeit, wenn sie vergeht,
was unvermeidlich ist und Spuren schneidet,
es ist Erfahrung nur, die letztlich zählt,
wenn man nicht jeden Kampf vermeidet!
In 30 Jahren ist soviel passiert,
was uns geprägt hat und auch Narben schnitzte,
doch durch das Wiedersehen sanft verführt,
uns Wärme durch die Herzen blitzte.
So hatte die Vergangenheit wohl einen Sinn,
weil sie uns reif und sehr empfänglich machte,
so dass in leeren Herzen weitem Raum
die Liebe uns...
Bertram Jacobi
Vergeben?
… Ich? …dir? …
Längst.
Ich tat's … noch ehe ich … es
wußte.
Aber
… vergessen? … vergessen??
… Ach!
Wenn ich's … könnte!!
Oft,
mitten im hellsten Sonnenschein,
wenn ich … – fröhlich – bin und – an nichts – denke,
plötzlich,
grau
hockt es … vor mir!
Da:
… Chrrr …
wie
eine … Kröte!
Und
alles, alles
alles
scheint mir … wieder
schal. Schal
und
trostlos.
Das
ganze … Leben!
Und
ich bin traurig. Traurig … über
dich
und … mich … und … mich … und … dich.
Hermann Oscar Arno Alfred Holz
Möwenlied
So fliege,
Du Möwe
Der Seele, hinaus
Und wiege
Dich höher
Und tiefer im Braus!
Es lebt sich
Das Leben
Noch einmal so schön,
Wenns hebt sich
Und senkt sich
In Wonnen und Wehn.
Laß spritzen
Die Wogen,
Laß schäumen den Gischt,
Kommts blitzend
Geflogen,
Hei wie das erfrischt!
Und wills dich
Verstimmen,
Wenn Sumpfvögel schrein,
So wirf dich
Zum Schwimmen
In offene Meere hinein!
So fliege,
Du Möwe
Der Seele, hinaus,
Und wiege
Dich höher
Und wage dich tiefer im wogenden Braus!
Karl Henckell
Grabschrift
Wir alle sollen's lesen
im schweigenden Gestein –
du bist treu gewesen
mögen auch wir es sein.
Wo wir dich recht erfassen,
sehen wir das Licht;
wir wollen dich nicht lassen,
du verläßt uns nicht.
Wenn diese Stunde vergangen
wenden wir fort den Schritt,
doch, soweit unsere Schritte langen,
gehst du lebend mit.
Dein Leben war Vertrauen,
dein Wirken war dein Ruh'n,
Lieben, Schützen und Bauen –
mögen auch wir das tun.
Es sind der Pfade viele –
wer zeigt den rechten Steg?
Noch gehen...
Henry von Heiseler
Die Perle
Die Schnecke muß erst eine Wunde
Empfangen, wenn sie aus ihrem Schoß
In ihres Lebens schönster Stunde
Sich ringen soll die Perle los.
So steigt auch aus dem Dornenschoße
Des bleichen Jammers und der Not
Hervor das Herrliche und Große,
Auf der Bedürftigkeit Gebot.
Laßt uns denn alle mutig stehen,
Wenn uns ein hartes Schicksal naht.
Die Mutter fühlt ja auch erst Wehen,
Eh' sie ein lieblich Kindlein hat.
Christian Friedrich Hebbel
Sei du im Leben wie im Wissen
Durchaus der reinen Fahrt beflissen;
Wenn Sturm und Strömung stoßen, zerrn;
Sie werden doch nicht deine Herrn;
Kompass und Pol-Stern, Zeitenmesser
Und Sonn' und Mond verstehst du besser,
Vollendest so nach deiner Art
Mit stillen Freuden deine Fahrt.
Besonders, wenn dich's nicht verdrießt,
Wo sich der Weg im Kreise schließt;
Der Weltumsegler freudig trifft
Den Hafen, wo er ausgeschifft.
Johann Wolfgang von Goethe
Und wer franzet oder britet,
Italienert oder teutschet,
Einer will nur wie der andre,
Was die Eigenliebe heischet.
Denn es ist kein Anerkennen,
Weder vieler noch des einen,
Wenn es nicht am Tage fördert,
Wo man selbst was möchte scheinen.
Morgen habe denn das Rechte
Seine Freunde wohlgesinnet,
Wenn nur heute noch das Schlechte
Vollen Platz und Gunst gewinnet.
...
Johann Wolfgang von Goethe