Welt Zitate (Seite 55)
Donnerkerl, der Schreckliche
Ein Heldengedicht
Reich mir meine Platzpatronen,
Denn mich packt die Raserei!
Keinen Menschen will ich schonen,
Alles schlag ich jetzt entzwei.
Hunderttausend Köpfe reiß ich
Heute noch von ihrem Rumpf!
Hei! das wilde Morden preis ich,
Denn das ist der letzte Trumpf!
Welt, verschrumpf!
Paul Scheerbart
Ein Tafelgedicht
Mit Euch an einem Tisch zu sitzen
Macht mir den größten Höllenspaß.
Ich träume schon von Euren Witzen.
Wohl dem, der mit Euch Austern aß.
Denn was Ihr trinkt
Ist pure Galle.
Und was Ihr eßt
Ein alter Quark.
Recht grob möcht ich Euch Allen sagen,
Daß Ihr mir nie mehr könnt behagen.
Ihr seid das Luderpack der Welt
Und habt mir manchen Tag vergällt!
Paul Scheerbart
Komm du süßer heiliger Schlaf ...
Komm du süßer heiliger Schlaf,
Wunderkind aus besserer Welt,
Drück mir leis die Augen zu,
Die noch Wehmut offenhält.
Komm du silberklarer Mond,
Komm aus dunkler Wolke für:
Wirf den bleichen Leichenschein
Auf die Fieberwange mir.
Dort im Thal, wo's Wasser rauscht,
Hat sie mir ihr Leid vertraut:
Streue Mond dein Totenlicht
Auch aufs Haupt der ärmsten Braut.
Dann wach auf du Geist des Traums,
Laß mich zwei Gebeine sehn,
Die in dunkler Gruft vereint
In ihr...
Ludwig Scharf
Tode
Ich möchte nicht auf einem weichen Bette
Mit Gott und der Welt versöhnt den Geist verhauchen:
Der schöne Bürgertod, die sanfte Schlummerstätte
Kann wenig nur für Tunichtgute taugen.
Auch möcht ich nicht den Tod des Wüstlings sterben,
Der ungern, angstzerquält von hinnen geht,
Verzweifelt, – und verflucht von armen Erben,
Krampfhaft sich klammernd an ein Reugebet.
Ich möcht als Krieger blutverspritzend sterben,
– Im Feld der Ehre nah' der letzte Hieb! –
Und sterbend noch um Ruhm und...
Ludwig Scharf
An eine Nein-Sagerin
Noch leben wir, noch ist die große Nacht
Nicht über uns gekommen,
Noch, liebes Herz, ist's nicht vollbracht:
Der Augenblick – er wird vielleicht nicht wieder kommen.
O pflück die Rose, pflück die reife Frucht:
Das ist der Reife Loos.
Im Buch der Welt steht jede Tat gebucht,
Die frei und groß.
Im Buch des Lebens, glaub mir, liebes Weib,
Wird Bürgertugend nicht gebucht.
Hier gilt nur eins: Wag deinen Menschenleib!
Weit besser als ein Lob ist ein – "Verflucht!"
Ludwig Scharf
Der Herbsthund
Der Herbsthund, der im Walde lebt
– Aus lauter dürrem Laub sein Fell –
Er füllt, wenn Blatt um Blatt verschwebt,
Die Luft mit heiserem Gebell.
Er sitzt und kläfft die Bäume an,
Bis jeder ihm sein Laub beläßt,
Und springt in seinem irren Wahn
Von Nord nach Süd, von Ost nach West.
Der Herbsthund, der im Walde wohnt,
Er heult oft fort die ganze Nacht,
Indeß sein bleicher Freund, der Mond,
Durch immer kahlres Astwerk lacht.
Und wer den Herbsthund je gesehn,
Dem wird nicht wohl mehr...
Ludwig Scharf
Manchmal bin ich ein Engel
Bin einfühlsam und verständig.
Hab das Herz am rechten Fleck
und halte meine Arme ganz weit auf,
um Halt und Wärme zu geben.
Manchmal bin ich ein Engel
Manchmal bin ich ein Bengel
Ich stell die Welt auf den Kopf,
schmeiß die Regeln in den Müll
und lass mein Teufelchen raus.
Ich lebe, wie ich will!
Was and're denken, schert mich nicht.
Manchmal bin ich ein Bengel
und manchmal ein Engel.
Helga Schäferling
Das Lied vom Schein
Bunter Kerzen heller Schein,
lichti, leuchti, lorium,
zählt nur für die Kinderlein.
Alles sonst Brimborium!
Heute zählt oft nur der Schein,
glitzi, glänzi, glorium,
grell und laut und bloß nicht klein.
Alles sonst Brimborium!
Schließlich zählt ein andrer Schein,
pinke, panke, plorium,
in der ganzen Welt allein.
Alles sonst Brimborium!
Fritz-J. Schaarschuh
Kinderaugen
Sie schauen Dich an
und
sprechen ihre eigene Sprache.
Sagen so viel aus.
Kein Versteck - Spiel -
pures Ich - sein.
Ein Lächeln huscht über mein Gesicht.
Wohl wissend,
ich schaue täglich in zig dieser Augenpaare
und erfahre immer wieder
die Welt aus der Perspektive dieser Kinderaugen
zu sehen.
Alexandra Savnik
Ergebung
Mag immerhin der Strom entgleiten,
Der meines Lebens Kahn entführt;
Indeß der Bord der Jugendzeiten
Sich mir in Fernungsduft verliert.
Zwo Töchter der Erfahrung stiegen
In meinen Kahn und weichen nie:
Verklärten Schmerz in trüben Zügen,
Süßlächelnde M e l a n c h o l i e.
Die andre, die mit leisem Dämpfer
Der Seele Saiten reiner stimmt,
E r g e b u n g, die geprüfte Kämpfer
In ihres Schilds Umschattung nimmt.
Wenn jene tief in meine Laute
Nach rührenden Akkorden greift;
Ruft die,...
Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis
Die Zeit
Noch kommt mit der Unsterblichkeit gepaart
die Zukunft ewig strömend zu dir her
und schafft auf ihrem unbewegten Meer
in dir den Wellenschaum der Gegenwart;
sie prallt in unergründlich schneller Fahrt
aufgischtend an deiner Seele Wehr
und bricht durch dich in einem Sturze, der
schon als Vergangenheit sich offenbart.
Bis eines Tages sich der Schaum zerstreut
und deiner Seele Balkenwerk zerfällt –
und Strom ist nicht mehr Strom, still steht die Zeit :
fort strömt die Zeit und trägt die...
Gustav Sack
Klarheit
Oft ist es mir, als säh' ich niedergleiten
Die Schleier still und leise von den Dingen,
Mein Auge kann das weite All durchdringen
Und blickt zurück zum Urquell aller Zeiten.
Ich sehe, wie die Fäden sich bereiten,
Wie sie sich knüpfen, kreuzen und verschlingen –
Und so die Tage immer näher bringen,
Die zu den unsren ernst herüberleiten.
Dann fühl' ich mit dem Fernsten mich verwoben
Und in mir leben jedes Einzelleben,
Das hier geatmet und geblickt nach oben.
Mein eignes Ich, mit...
Ferdinand von Saar
Fluch
Es ist des Menschen Fluch und sein Verhängnis,
Daß seine Fehler sicher wirkend schreiten
Und, offenkundig rings, ihm gleich bereiten
Jedweden Schmerz und jegliche Bedrängnis.
Sein Bestes aber lebt wie im Gefängnis
Und seine Tugenden sind Heimlichkeiten;
Er selber muß sie zweifelnd oft bestreiten,
Rauh überlassen seiner Herzensbängnis.
Denn diese Welt, so rasch im Schulderkennen,
So gern bereit, werktätig sich zu zeigen,
Sobald es gilt, ein Schandmal aufzubrennen:
Sie hüllt sich...
Ferdinand von Saar