Wald Zitate (Seite 6)
Der kranke Esel
Ein Esel lag darnieder
In einem Wald sehr krank.
Ein Wolf der stellt sich bieder,
Nahm für ihn seinen Gang,
Tät ihm schmeichelnd zusprechen:
"Leid ist mir dein Unfall.
Sag, wo ist dein Gebrechen?"
Begriff ihn überall.
Der Esel lag in Sorgen,
Forcht des Wolfes Hinterlist,
Sprach zum Wolf unverborgen:
"Wo du mich greifen bist,
Ist am größten mein Schmerzen.
Ich bitt dich, geh von mir,
So wird Ruh meinem Herzen;
Das fürchtet sich vor dir."
Also wo los Gesellen
Voll allerlei...
Hans Sachs
Novemberlied
Novembernebel füllen
Mit feuchtem Grau das Thal,
Als wollten sie verhüllen
Die Erde, kahl und fahl.
Mit seinem dunklen Saume
Gespenstisch ragt der Wald,
Daraus, so wie im Traume,
Von fern die Axt erschallt.
Den Pfad mit kühlem Hauche
Umwittert ödes Weh',
Verwaist am dorn'gen Strauche
Bebt Hagebutt' und Schleh'.
Wohin die Schritte streben,
Versinkt der Fuß im Koth –
Mühselig ist das Leben
Und traurig wie der Tod.
Ferdinand von Saar
Sonntag
Wie lieb' ich es, an Sonntagnachmittagen
Allein zu sitzen im vertrauten Zimmer;
Durchs Fenster bricht der Sonne heller Schimmer,
Das Buch vergoldend, das ich aufgeschlagen.
Die Straßen; es rollen keine Wagen;
Des Marktes Lärm verstummt, als wär's auf immer,
Und all des Sonntagsstaates bunter Flimmer,
Er ward hinaus in Wald Flur getragen.
Verlassen fühlt sich, wer zurückgeblieben,
Und manches schöne Auge blickt verdrossen,
Und manche Wünsche unerfüllt zerstieben.
Es ruht das Leben, wie...
Ferdinand von Saar
Zu deinen Füßen will ich ruhn
Und dir ins Auge schaun,
Die blaue Nacht mag leise nun
Auf uns herniedertaun.
Schon tauchet aus dem stillen See
Des Mondes Bild empor,
Und kühner schweift das scheue Reh
Durch Wald und Wiesenmoor.
Mein Haupt laß ruhn auf deinem Schoß,
Da ruht es sanft und weich.
Wie ist der Himmel weit und groß,
Wie ist die Erde reich!
Der schönste Stern in blauer Nacht,
Der schönste Stern bist du,
In deines Lichtes sanfter Pracht,
O gönne mir die Ruh!
An deinem Herzen laß mich...
Otto Roquette
Die kleine Tauschlustige
Elly zupft Mama am Kleide:
Ob der Storch auch Puppen bringt?
Und die Mutter lächelt leise,
Eh ihrs von den Lippen klingt:
"Freilich, Mäuschen, wenn das Fest kommt,
Reist er hin zur Puppenfee,
Und im Wald dann fischen beide
Nichts als Puppen aus dem See!"
"Ach Mama", sagt drauf die Kleine
Mit versonnenem Gesicht,
Unser neues Baby schreit so
Und auch sauber ist es nicht!
Siehst den Adebar du wieder
Fliegen über unser Haus,
Ruf ihn an und tausch den Schreihals,
Bitte,...
Alwin Römer
Offenbarung
Natur spricht laut in Wort und Schrift
Du mußt nur Windeswehen
Und Duft und Klang und Wald und Trift
Und Fels und Meer verstehen!
Ein jeder Baum, der braust in Wettern,
Und jede Blume auf der Flur,
Und jeder Zweig ist voll von Blättern
Der Offenbarung der Natur.
Auf jedem Blatt steht licht und offen:
"O glaub' an helle Frühlingsluft!"
Auf jedem Blatt steht grünes Hoffen,
Still flüsternd um die Blumenbrust.
Auf jedem Blatt steht groß geschrieben:
"Der Geist der Lieb' durchweht die...
Hermann Rollett
Christkindchen
Wo die Zweige am dichtesten hangen,
die Wege am tiefsten verschneit,
da ist um die Dämmerzeit
im Walde das Christkind gegangen.
Es mußte sich wacker plagen,
denn einen riesigen Sack
hat's meilenweit huckepack
auf den schmächtigen Schultern getragen.
Zwei spielende Häschen saßen
geduckt am schneeigen Rain.
Die traf solch blendender Schein,
daß sie das Spielen vergaßen.
Doch das Eichhorn hob schnuppernd die Ohren
und suchte die halbe Nacht,
ob das Christkind von all seiner...
Anna Ritter
Denkt euch, ich habe das Christkind geseh'n!
Es kam aus dem Wald, das Mützchen voll Schnee,
mit rotgefrorenem Näschen.
Denn es trug einen Sack,
der war gar schwer,
schleppte und polterte hinter ihm her.
Was drin war, möchtet ihr wissen?
Ihr Naseweise, ihr Schelmenpack,
meint ihr, er wäre offen, der Sack?
Zugebunden bis oben hin!
Doch war gewiß etwas Schönes drin,
es roch so nach Äpfeln und Nüssen!
Anna Ritter
Vom Christkind
Denkt euch, ich habe das Christkind gesehn!
Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee,
mit gefrorenem Näschen.
Die kleinen Hände taten ihm weh;
denn es trug einen Sack, der war gar schwer,
schleppte und polterte hinter ihm her –
was drin war, möchtet ihr wissen?
Ihr Naseweise, ihr Schelmenpack,
meint ihr, er wäre offen, der Sack?
Zugebunden bis oben hin!
Doch war gewiß was Schönes drin:
es roch so nach Äpfeln und Nüssen!
Anna Ritter
Der Winter hat sich angefangen,
der Schnee bedeckt das ganze Land,
der Sommer ist hinweggegangen,
der Wald hat sich in Reif verwandt.
Die Wiesen sind vom Frost versehret,
die Felder glänzen wie Metall,
die Blumen sind in Eis verkehret,
die Flüsse stehn wie harter Stahl.
Wohlan, wir wollen wieder von uns jagen
durchs Feuer das kalte Winterleid!
Kommt, laßt uns Holz zum Herde tragen
und Kohlen dran, jetzt ist es dran.
Johann Rist
Wieder duftet der Wald.
Es heben die schwebenden Lerchen
mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war;
zwar sah man noch durch die Äste den Tag, wie er leer war, –
aber nach langen, regnenden Nachmittagen
kommen die goldübersonnten
neueren Stunden,
vor denen flüchtend an fernen Häuserfronten
alle die wunden
Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen.
Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser
über der Steine ruhig dunkelnden Glanz.
Alle Geräusche ducken sich ganz...
Rainer Maria Rilke
Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz,
an dem wir reiften, da wir mit ihm rangen;
du großes Heimweh, das wir nicht bezwangen,
du Wald, aus dem wir nie hinausgegangen,
du Lied, das wir mit jedem Schweigen sangen,
du dunkles Netz,
darin sich flüchtend die Gefühle fangen.
Du hast dich so unendlich groß begonnen
an jenem Tage, da du uns begannst, –
und wir sind so gereift in deinen Sonnen,
so breit geworden und so tief gepflanzt,
daß du in Menschen, Engeln und Madonnen
dich ruhend...
Rainer Maria Rilke
[Gott]
Du kommst und gehst. Die Türen fallen
viel sanfter zu, fast ohne Wehn.
Du bist der Leiseste von allen,
die durch die leisen Häuser gehn.
Man kann sich so an dich gewöhnen,
daß man nicht aus dem Buche schaut,
wenn seine Bilder sich verschönen,
von deinem Schatten überblaut;
weil dich die Dinge immer tönen
nur einmal leis und einmal laut.
Oft wenn ich dich in Sinnen sehe,
verteilt sich deine Allgestalt;
du gehst wie lauter lichte Rehe,
und ich bin dunkel und bin Wald.
Du bist ein Rad, an...
Rainer Maria Rilke
Fürchte dich nicht, sind die Astern auch alt,
streut der Sturm auch den welkenden Wald
in den Gleichmut des Sees -
die Schönheit wächst aus der engen Gestalt;
sie wurde reif, und mit milder Gewalt
zerbricht sie das alte Gefäß.
Sie kommt aus den Bäumen
in mich und in dich,
nicht um zu ruh'n;
der Sommer ward ihr zu feierlich.
Aus vollen Früchten flüchtet sie sich
und steigt aus betäubenden Träumen
arm ins tägliche Tun.
Rainer Maria Rilke