Verlieren Zitate (Seite 3)
Fremd
Du bist mir so fremd geworden
und ich weiß nicht warum
war es die Zeit?
oder die Angst in mir?
hast auch du
Steine auf die Mauer zwischen uns gebaut?
ich schau dich an
doch meine Blicke finden deine Augen nicht
denn diese schauen an mir vorbei
verlieren sich
irgendwo
und wie du
beginnt auch dieser Tag
mir fremd zu werden
Engelbert Schinkel
Du
Manchmal fühle ich dich hinter mir stehen,
doch wenn ich mich umdrehe,
bist du nicht da.
Manchmal denke ich, ich wäre ganz allein,
doch dann fühle ich,
du stehst hinter mir.
Doch wo du auch bist,
immer habe ich Angst,
dich zu verlieren
Wie gern würde ich diese Angst
eintauschen
gegen dich.
Stephan Sarek
Ists besser, nicht besessen haben
Ists besser, nicht besessen haben,
Als zu verlieren das Besessne?
Im Grunde gleich sind alle Gaben,
Vom Himmel Menschen zugemessne.
Es fehlt uns doch, was wir nicht wissen;
Wir haben noch, was wir vermissen.
Und endlich ruht in Finsternissen,
Ob nie gehabt und ob entrissen,
Gleich Ungekanntem das Vergessne.
Friedrich Rückert
Der Himmel hat eine Träne geweint,
Die hat sich ins Meer zu verlieren gemeint.
Die Muschel kam und schloß sie ein;
Du sollst nun meine Perle sein.
Du sollst nicht vor den Wogen zagen,
Ich will hindurch dich ruhig tragen.
O du mein Schmerz, du meine Lust,
Du Himmelsträn' in meiner Brust!
Gib, Himmel, daß ich in reinem Gemüte
Den reinsten deiner Tropfen hüte.
Friedrich Rückert
Giardini Ex Reali
Ein Himmel öffnet seine Pforten
Läßt Sterne danieder sinken
Und formt im Sonnenaufgang
Einen neuen Tag.
Gischt brandet an nahen Gestaden
Vermischt das klare Bild
Verwäscht bekannte Formen
Schafft neue Farben
Im Einklang Andersartigkeit.
Das Auge verliert den Blick
Die Gedanken schweifen
Verlieren sich in engen Gassen
Und fühlen Geborgenheit.
Es ist versammelt
Was nie alleine gewesen
Bekannt wird Unbekannt
Nähe verloren in der Ferne
Umgeben von Fremde
Kein Unbehagen...
Christian Röhrs
Der Abenteurer
»Abenteurer, wo willst du hin?«
Quer in die Gefahren,
Wo ich vor tausend Jahren
Im Traume gewesen bin.
Ich will mich treiben lassen
In Welten, die nur ein Fremder sieht.
Ich möchte erkämpfen, erfassen,
Erleben, was anders geschieht.
Ein Glück ist niemals erreicht.
Mich lockt ein fernstes Gefunkel,
Mich lockt ein raunendes Dunkel
Ins nebelhafte Vielleicht.
Was ich zuvor besessen,
Was ich zuvor gewußt,
Das will ich verlieren, vergessen. –
Ich reise durch meine eigene Brust.
Joachim Ringelnatz
Schiff 1931
Wir haben keinen günstigen Wind.
Indem wir die Richtung verlieren,
Wissen wir doch, wo wir sind.
Aber wir frieren.
Und die darüber erhaben sind,
Die sollten nicht allzuviel lachen.
Denn sie werden nicht lachen, wenn sie blind
Eines Morgens erwachen.
Das Schiff, auf dem ich heute bin,
Treibt jetzt in die uferlose,
In die offene See. – Fragt ihr: "Wohin?"
Ich bin nur ein Matrose.
Joachim Ringelnatz
So ist es uns ergangen
So ist es uns ergangen.
Vergiß es nicht in beßrer Zeit!
Aber Vöglein singen und sangen,
Und dein Herz sei endlos weit.
Vergiß es nicht! Nur damit du lernst
Zu dem seltsamen Rätsel "Geschick". –
Warum wird, je weiter du dich entfernst,
Desto größer der Blick?
Der Tod geht stolz spazieren.
Doch Sterben ist nur Zeitverlust. –
Dir hängt ein Herz in deiner Brust,
Das darfst du nie verlieren.
Joachim Ringelnatz
Nur wer die Leier schon hob
Auch unter Schatten,
Darf das unendliche Lob
Ahnend erstatten.
Nur wer mit Toten vom Mohn
Aß, von dem ihren,
Wird nicht den leisesten Ton
Wieder verlieren.
Mag auch die Spieglung im Teich
Oft uns verschwimmen:
Wisse das Bild.
Erst in dem Doppelbereich
Werden die Stimmen
Ewig und mild.
Rainer Maria Rilke
Blaue Hortensie
So wie das letzte Grün in Farbentiegeln
sind diese Blätter, trocken, stumpf und rau,
hinter den Blütendolden,die ein Blau
nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln.
Sie spiegeln es verweint und ungenau,
als wollten sie es wiederum verlieren,
und wie in alten blauen Briefpapieren
ist Gelb in ihnen, Violett und Grau.
Verwaschnes wie an einer Kinderschürze,
Nichtmehrgetragnes, dem nichts mehr geschieht:
wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.
Doch...
Rainer Maria Rilke
Gebet zur Nacht
Wenn die Sonne untergeht,
dort wo Erd und Himmel sich vereinen,
wenn die letzten goldenen Strahlen
Wolkenbilder sanft umgeben,
geht die Welt zur nächt'gen Ruh.
All des Meeres stille Wellen
nur noch plätschernd sich verlieren
in dem Sand,
der weit und breit
nun verlassen und allein –
und die Möwen suchen kreischend
noch zur Nacht
die letzte Nahrung,
bis der Sonne Schein erlischt
und der Mond mit seinem Licht
schließt des Tages Fülle ein.
Als die Sonne unterging,
wo Erd und...
Otto Reinhards
Ich wüsste gern ...
Ich wüsste gern was morgen ist,
könnte mich drauf vorbereiten,
und hätte außerdem 'ne Frist,
Schlechtes einfach umzuleiten.
Gutes würde ich platzieren,
ganz nah bei mir, stets griffbereit,
und eventuell sortieren,
nach Menge, Ausführort und Zeit.
Gar nichts könnte mir passieren,
wenn ich heut' von morgen wüsste,
nirgends würde ich verlieren,
nicht verdursten in der Wüste.
Keiner könnte mir erzählen,
dass ich die falschen Wege geh',
nicht, dass mir die Sinne fehlen,
und...
Horst Rehmann