Sprache Zitate (Seite 4)
Heidenröslein
Sah ein Knab' ein Röslein steh'n,
Röslein auf der Heiden,
war so jung und morgenschön,
lief er schnell, es nah zu seh'n,
sah's mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Knabe sprach: Ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: Ich steche dich,
daß du ewig denkst an mich,
und ich will's nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Und der wilde Knabe brach
's Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und...
Johann Wolfgang von Goethe
Ruhe des Herzens
Wie heimlich glüht ein Bild
aus langer Dämm'rung:
Ein Sommerabend war's
Im Heimatdorfe;
Noch lag ein Sonnenhauch
Auf Dach und Giebeln,
Und hell stand schon der Mond
In leerer Straße.
Der Nachbar sprach ein Wort
Von Tau und Regen,
Er sprach zu seinem Weib
Drin in der Kammer;
Er zog das Fenster an,
Es klang der Riegel;
Ein erstes Sternlein trat
Aus lichtem Dunkel.
Aus fernen Gärten klang
Ein Mädchenlachen;
Ein letzter Nachhall dann
Und letzte Stille.
Und all die Sommerwelt
Ging...
Otto Ernst
Werbung Sie sprach:
Hernach!
Er flog –
Sie trog.
Er sprach:
Ich möchte!
(O Schmach –
Der Schlechte!)
Sie lachte.
Ich auch!
(Der Achte
Im Bauch!)
Es passen
Die beiden
Sehr gut
Zusammen!
Was hassen
Und neiden?
Jung Blut
Muß rammen!
Denn los!
Famos!
Sie nicken
Und neigen,
Und ficken
Und schweigen.
Und krachen dir auch die Weichen:
Geh hin und tue desgleichen!
Otto Julius Bierbaum
Ein Wandrer zog mit müdem Schritt:
"Herr Postillion, ei, nehmt mich mit!"
Drin saß ein braunes Kind allein,
nun fuhren traulich sie zu zwein.
Er sprach, er habe das Glück gesucht,
doch sei das Glück noch auf der Flucht;
sie sprach, nun sei auch die Mutter tot,
da sucht sie jetzt als Magd ihr Brot.
Wie kurz die Fahrt! Das Posthorn klang,
der Bursche sich aus dem Wagen schwang.
Sie sind einander nimmer begegnet,
doch jeder hat still das andre gesegnet.
Paul Barsch
Die Päpste und ihre Helfershelfer waren so sehr davon überzeugt, daß ihre Macht ausschließlich auf der Unwissenheit beruht, daß sie immer wieder die Lektüre des einzigen Buches verboten haben, das ihre Religion verkündet; sie sagten: Hier ist euer Gesetz, und wir verbieten euch, es zu lesen; ihr erfahrt daraus nur, was wir euch zu lehren geruhen. Diese absonderliche Tyrannei ist unbegreiflich, und trotzdem gibt es sie. Jede Bibel in lebender Sprache ist verboten; erlaubt ist sie nur in einer...
Voltaire
Ein Verseschmied anerkennt keinen Richter: wenn man selbst keine Verse macht, versteht man nichts davon, und macht man welche, ist man der neidische Nebenbuhler. Und er glaubt auch die Sprache der Götter zu sprechen, während er doch nur die der Menschen mäßig handhabt, wie ein schlechter Schauspieler, der sich in hohler Deklamation gefällt und die natürliche Sprache verachtet.
Luc de Clapiers Vauvenargues
Wir werden bald die Sprache des Volkes überhaupt nicht mehr verstehen. Wir reden über die Theorie des Fortschritts usw., aber der Bauer sagt einfache Sprichwörter wie 'eine Ahle läßt sich nicht in einem Sack verbergen'. Alle Geschichte und Evolutionen werden kläglich und lächerlich, weil sie für das Volk unverständlich und nutzlos sind. Der Bauer ist stärker als wir, zäher im Leben verwurzelt. Mit uns kann vielleicht dasselbe geschehen wie mit dem Stamm der Atsuren, von denen man erzählte:...
Graf Leo Nikolajewitsch Tolstoi
Die Sprache der Gelehrten ist der Leichtigkeit, Menschlichkeit und Lebendigkeit nicht fähig, welche der Weltmann mit Recht verlangt. Es ist das Unglück der Deutschen, daß man ihre Sprache nicht gewürdigt hat, das Sprachrohr des feinen Umgangs zu werden, und noch lange wird sie die üblen Folgen dieser Ausschließung empfinden.
Johann Christoph Friedrich von Schiller