Sehnsucht Zitate (Seite 11)
Du bist die Ruh
Der Friede mild,
Die Sehnsucht du,
Und was sie stillt.
Ich weihe dir
Voll Lust und Schmerz
Zur Wohnung hier
Mein Aug und Herz.
Kehr ein bei mir,
Und schließe du
Still hinter mir
Die Pforten zu.
Treib andern Schmerz
Aus dieser Brust!
Voll sei dies Herz
Von deiner Lust.
Dies Augenzelt,
Von deinem Glanz
Allein erhellt,
O füll es ganz!
Friedrich Rückert
Seufzend sprach ich zu der Liebe,
als ich sie entschleiert sah:
"Ach, daß so Dein Antlitz bliebe
meinen Blicken ewig nah!
Doch wie Dich die Sehnsucht freier
schauet einen Augenblick,
senket wieder sich der Schleier
und verdüstert mein Geschick."
Liebe sprach: "In ewig reinem
Lichtestrahl ich – o du Tor:
Nicht von meinem, sondern deinem
Angesichte hängt der Flor!"
Friedrich Rückert
Vergänglichkeit
Wie die Blumen, die zwischen dem Grase stehn,
Verwelken, daß keine Spur mehr bleibt,
So wird die Zeit meine Noth verwehn
Und die Sehnsucht, die mich zum Blühen treibt,
Und wird von all meinem drängenden Leben
Kaum noch ein Hauch in den Lüften schweben.
Geht wohl ein Kind an der Stätte hin,
Darunter ich todt und vergangen bin,
Bricht Blumen von meinem Hügel und lacht:
– O sieh nur, Mutter, die bunte Pracht. –
Und die Mutter schmiegt um des Lieblings Wangen
Die Blüthen, die...
Anna Ritter
Kämpfe
Arme Seele, die sich selbst verzehrt!
Sehnsucht, die ins Leben möchte greifen
Und dem blühenden doch angstvoll wehrt –
Arme Hand, die an dem goldnen Reifen
Heimlich dreht, weil sie das Glück begehrt,
Und doch nicht vermag, ihn abzustreifen –
Augen, die dem Lichte abgekehrt,
Ruhelos durch Nacht und Dunkel schweifen –
Jene Weisheit, die »Entsagung« lehrt,
Werdet ihr die bittre je begreifen?
Anna Ritter
Einsamer Abend
Im Nachtwind blähn sich leise die Gardinen,
Ein Falter wagt den Todesflug ins Licht
Und büßt den Fürwitz. Mit gelassnen Mienen
Schau ich ihm zu – es ist der Erste nicht,
Den dumpfe Sehnsucht in die Gluth getragen,
Und der im Sturz den kecken Nacken bricht!
Vom Rathhausthurm hör' ich die Uhren schlagen.
Die Töne dringen wuchtig zu mir her,
Als wollte jeder einzelne mir sagen:
"Thu deine Pflicht – du hast nichts Andres mehr.
Ich neige meine Stirn der harten Kunde...
Anna Ritter
Junger Tag
Aus Schleiern des Morgens
Hebt sich der Tag.
Noch hängt an der Wimper
die blitzende Thräne,
Noch huschen die Wölkchen,
Gleich ängstlichen Träumen,
Über die strahlende Kinderstirn –
Aber jubelnd über sein Leben
Will sich die ewige Sonne schon heben,
Küßt ihm den Scheitel
In segnender Liebe,
Weckt ihm die Sehnsucht,
Die knospende auf
Und zieht seinen ersten,
Zagenden Schritten,
Ein leuchtender Herold
Der Schönheit, vorauf!
Anna Ritter
Der Frühling blüht! Herz – war er je so schön?
Lag je ein solcher Schimmer auf den Höhn
Und in den Thälern solch ein lieber Glanz?
Ein jeder Baum trägt seinen Blüthenkranz –
Auch du, mein Haupt, willst unter grünen Zweigen
Dich ahnungsvoll dem Glück entgegen neigen.
Die beiden Hände drück' ich auf die Brust –
Ist's Schmerz, der drinnen lodert, ist es Lust?
Ach, wunderlich verwoben und verwebt
Ist Beides mir, und meine Sehnsucht schwebt
Darüber hin, aus dieses Frühlings Zagen
In der Erfüllung...
Anna Ritter
Sternschnuppe
Manchmal, in schwülen Sommernächten,
Wenn um die Rosen buhlt der Wind,
Löst schwindelnd sich vom Himmel droben
In jähem Fall ein irrend Kind.
Dann stehen wohl die Menschen drunten
Und starren still und bang empor,
Bis sich des Sternleins leuchtend Sinken
in der Unendlichkeit verlor,
Und greifen mit der Hand zum Herzen
Und sinnen einer Sehnsucht nach,
Die zuckend, leuchtend und verglühend,
In dunkle Tiefen niederbrach.
Anna Ritter
Unbegehrt
Es stand eine Rose im tief tiefen Grund
Von Liebe und Sehnsucht durchglühet,
Kam Keiner, der ihre Schönheit begehrt,
Ist einsam und traurig verblüht.
Ich weiß eine Seele, die glühte so heiß,
Die Liebe, das Glück zu umfangen,
Kam Keiner, der ihre Blüte begehrt,
Ist einsam zu Grunde gegangen.
Anna Ritter
Mein Falke
O Sehnsucht, wilder Falke mein,
Willst du auch müde werden?
Dess' Heimat hoch im Blauen war,
Behagt's dir nun auf Erden?
Wie oft hast du den jungen Sinn
Aus diesen grauen Tagen
Hoch über Sorge, Not und Leid
Getragen.
Bis mir das dunkle Tal entschwand
Im märchenweiter Ferne
Und um mein glühend Haupt sich bog
Das Diadem der Sterne.
Nun beugst auch du die stolze Stirn
Und läßt die Flügel hängen,
Nun hat auch dich die Sorgenfrau
Gefangen.
Brich deine Fesseln, Wanderfalk,
Und hebe dein...
Anna Ritter
Aufschrei
Blühend sein und doch nicht leben sollen,
Mit der Sehnsucht noch, der heißen, tollen,
Vor der fest verschlossnen Türe stehn –
Durstig sein, und doch nicht trinken, trinken,
Wenn die goldnen Freudenbecher winken,
Jeder Wonne scheu vorübergehn –
Lechzen, ach, nach seligem Genießen,
Und die trunknen Augen doch zu schließen,
Weil des Schicksals harter Spruch es will –
Darben, darben, wenn sich Andre küssen,
Elend sein, und dennoch lachen müssen,
Immer lachen ….
Still, mein Herz, o still!
Anna Ritter
Liebe auch läßt sich den Wellen vergleichen,
Sehnsucht wälzt ihre Wogen zum Ziele,
flüchtendes Nahen, nahendes Weichen,
heiligster Ernst und doch schönstes der Spiele.
Dieses Erkämpfen mit Raunen und Rosen
schon mit der Venus den Wellen entstiegs,
süß vom verstohlenen Augenkosen
bis zu dem Kusse, dem Siegel des Siegs.
Joachim Ringelnatz
Ich war einmal so kinderkühl
Ich war einmal so kinderkühl:
da traf mich alles wie ein Bangen.
Jetzt ist mir jede Angst vergangen,
nur diese wärmt mir noch die Wangen:
ich fürchte mich vor dem Gefühl.
Es ist nicht mehr das Tal, darin ein Lied
wie schützend seine lichten Schwingen breitet, –
es ist ein Turm, der vor den Fluren flieht,
bis meine Sehnsucht hoch vom Saume sieht
und zitternd mit der fremden Stärke streitet,
die sie so selig von den Zinnen zieht.
Rainer Maria Rilke