Seele Zitate (Seite 6)
Wenn deine Seel' in banger Trauer
Gar keinen Ausweg finden kann,
So denk' der trüben Morgenschauer,
Die stets dem Lichte zieh'n voran.
Doch bald entsteigt dem Meer die Sonne,
Die Schöpfung rings ist neu erwacht,
Und jeder Schauer wird zur Wonne,
Und deine Seele singt und lacht.
Friedrich Heinrich Karl Freiherr de la Motte-Fouqué
Denk es, o Seele!
Ein Tännlein grünet wo,
Wer weiß, im Walde,
Ein Rosenstrauch, wer sagt,
In welchem Garten?
Sie sind erlesen schon,
Denk es, o Seele,
Auf deinem Grab zu wurzeln
Und zu wachsen.
Zwei schwarze Rößlein weiden
Auf der Wiese,
Sie kehren heim zur Stadt
In muntern Sprüngen.
Sie werden schrittweis gehn
Mit deiner Leiche;
Vielleicht, vielleicht noch eh'
An ihren Hufen
Das Eisen los wird,
Das ich blitzen sehe!
Eduard Mörike
Am Meer
Wie ist dir nun,
meine Seele?
Von allen Märkten
des Lebens fern,
darfst du nun ganz
dein selbst genießen.
Keine Frage
von Menschenlippen
fordert Antwort.
Keine Rede
noch Gegenrede
macht dich gemein.
Nur mit Himmel und Erde
hältst du
einsame Zwiesprach.
Und am liebsten
befreist du
dein stilles Glück.
dein stilles Weh
in wortlosen Liedern.
Wie ist dir nun,
meine Seele?
Von allen Märkten
des Lebens fern
darfst du nun ganz
dein selbst genießen.
Christian Morgenstern
Heimfahrt einer einsamen Frau aus einer Gesellschaft
Einsam fährt sie im Wagen nach Haus,
das Fest ist aus.
Der Schwarm zertrieb …
Wer hat sie lieb?
Sie schaudert und friert.
Wie sich so alles hinweg verliert
ins Unabsehbare,
ins Unabsehbare.
Wo bliebt, Freunde, ihr?
Nur die Furcht sitzt neben mir.
Was seid ihr so weit!
Mein Herz schreit – schreit – schreit.
Ein Jeder mit seiner Lust,
ein Jeder mit seiner Pein,
jedes Herz in seiner Brust
allein, allein, allein.
O wilder Vogel Seele,
den nie...
Christian Morgenstern
O gib mir Freuden, nicht mit dem verstrickt,
was ich als niedres Ich in mir empfinde,
gib solche Freuden mir zum Angebinde
wie Geist sie Geist, der Seele Seele schickt.
O nicht mehr dieser schalen Freuden Pein,
die doch erkauft nur sind von fremden – Leiden!
Schenk Herzen mir, die sich für dich</em> entscheiden,
so wird auch meines wahrhaft fröhlich sein.
Christian Morgenstern
Der einsame Christus
Wachet und betet mit mir!
Meine Seele ist traurig bis an den Tod.
Wachet und betet mit mir!
Eure Augen sind voll Schlafes –
könnt ihr nicht wachen?
Ich gehe, euch mein letztes zu geben –
und ihr schlaft...
Einsam stehe ich unter Schlafenden,
einsam verbringe ich das Werk
meiner schwersten Stunde.
Wachet und betet mit mir!
Könnt ihr nicht wachen?
Ihr alle seid in mir,
aber in wem bin ich?
Was wißt ihr von meiner Liebe,
was wißt ihr vom Schmerz meiner Seele?...
Christian Morgenstern
So schreit meine Seele
Das Abendrot zerlodert im Moore,
Die Dämmerung spinnt die Seide ein,
Aus dunkelblauem Abendhimmel
Hör ich die wandernden Kraniche schrei'n.
Sie schrei'n so wild, so heiß, so hungrig
Nach ihrer Heimat weit von hier,
So schreit meine Seele hungrig und bange,
Bist du nicht bei mir, immer nach dir.
Hermann Löns
Nacht in der Seele
Die Nacht wälzt die Talhänge hinab
und wirft sie in drohendes Dunkel.
Noch zögert ihr Ausgreifen,
doch dann umzieht die Stadt
ein Belagerungsring aus Schatten.
Sie überfällt die Mauern,
läßt alles Leben
ohne Ausweg sterben.
Da blinken an den Höhen Lichterketten auf,
die den verzweifelten Augen
Fluchtwege öffnen.
Noch einmal entkommen,
aus einem tödlichen Schicksal,
sucht sich die Seele neue Hoffnung…
Elmar Kupke
Inselstille
Karges Land in müden Farben
Ocker, grau und weißer Stein
Sanfte Heilung alter Narben
Seele kann sich selbst befreien.
Ocker, grau und weißer Stein
Sonnenwarm und windgeschliffen
Seele kann sich selbst befreien
Meerumtost mit scharfen Riffen.
Sonnenwarm und windgeschliffen
Inselstille, Zeit gegeben
Meerumtost mit scharfen Riffen
Hoffnung kehrt zurück ins Leben.
Inselstille, Zeit gegeben
Karges Land in müden Farben
Hoffnung kehrt zurück ins Leben
Sanfte Heilung alter Narben.
Isabella Kramer
Ich sitze hier am Schreibetisch
Und schreibe ein Gedichte,
Indem ich in die Tinte wisch
Und mein Gebet verrichte.
So giebt sich spiegelnd Vers an Vers
In ölgemuter Glätte.
Nur selten fragt man sich: Wie wärs,
Wenn es mehr Seele hätte?
Die Seele tut mir gar nicht weh,
Sie ist ganz unbeteiligt.
Nackt liegt sie auf dem Kanapee
Und durch sich selbst geheiligt.
...
Klabund
Amor und Psyche
Ein Seufzer, der von Mund zu Munde fliegt,
Wenn Seele sich zur Seele innig schmiegt;
Des Herzens Übergang, da leis' und still
Der süße Wort zum Wort nicht werden will,
Das süße Wort zum Wort nicht werden kann:
Verloren schauen sich zwei Seelen an
Und schöpfen in der Gottheit reinstem Quell
Gedanken, Wünsche, Blicke zart und hell;
Der Hauch, der dann das Leben süß verlängt,
Der Atem, der den Busen aus sich drängt,
Der Augenblick, der Ewigkeit Genuß,
Der Engel reinste Wollust...
Johann Gottfried von Herder
Zeichen der Seele
Ist das noch derselbe Himmel,
Der sich über mir gespannt,
Als im flackernden Gewimmel
Wilder Feuer ich gebrannt?
Ist das noch dieselbe Erde,
Die mein rascher Fuß betrat,
Als mit glühender Gebärde
Ich geschleudert Zukunftssaat?
Erd' und Himmel sind die gleichen,
Und die gleichen Sonnen lohn,
Doch die Seele rückt ihr Zeichen
In begrenzte Felder schon.
Schritt für Schritt wird nun gemessen,
Noch im Schwunge geizt die Hand,
Rann doch zu viel Korn indessen
Auf Morganas Wüstensand...
Karl Henckell
Möwenlied
So fliege,
Du Möwe
Der Seele, hinaus
Und wiege
Dich höher
Und tiefer im Braus!
Es lebt sich
Das Leben
Noch einmal so schön,
Wenns hebt sich
Und senkt sich
In Wonnen und Wehn.
Laß spritzen
Die Wogen,
Laß schäumen den Gischt,
Kommts blitzend
Geflogen,
Hei wie das erfrischt!
Und wills dich
Verstimmen,
Wenn Sumpfvögel schrein,
So wirf dich
Zum Schwimmen
In offene Meere hinein!
So fliege,
Du Möwe
Der Seele, hinaus,
Und wiege
Dich höher
Und wage dich tiefer im wogenden Braus!
Karl Henckell