Schône Zitate (Seite 23)
Ach, hätt' ich früher dich gesehn
Ach, hätt' ich früher dich gesehn
Und wär's 'ne einz'ge Stund',
Wollt' segnen diesen Augenblick
Noch mit erblaßtem Mund.
Ach, hätt' ich früher dich geliebt,
Du reines Seelenlicht,
Fürwahr, der Engel schönes Los,
Beneidete ich nicht.
Ach, hätt' ich früher dich geliebt,
Und wär's auch nur im Traum,
Hing meiner Hoffnung Blütenkranz
Nicht welk am Lebensbaum.
Johanna Ambrosius
Philosophische Poesie
In allen Dingen walten drei Potenzen,
Unendlich, endlich, ewig sind die Namen,
Woraus das All besteht auf Ja und Amen,
Als Indifferenz der Differenzen.
Vor G- macht die gehör'gen Reverenzen,
Denn Er, das große A, ist ja der Samen,
Daraus so schöne Redensarten kamen,
Contractions-Expansions-Tendenzen.
Doch nicht nur oben in der Sphären Läufen
Will die Identität sich offenbaren,
Dem Organismus auch kömmt was zu Gute.
Und daß wir Licht und Schwerkraft ganz...
Karl Friedrich Gottlob Wetzel
Beicht-Frage
Einst kam ein schönes Kind zur Beicht'
Von Sünden schwer, von Jahren leicht;
Sie fiel sogleich auf ihre Knie,
Entdeckte, was sie drückt, mit angenehmen Klagen,
Und gab bescheidentlich Bericht auf alle Fragen.
Als ihre Ehrwürd' aber sie
Nach ihrem Namen fragt; so sagte sie geschwinde:
Es ist mein Name keine Sünde.
Christian Wernike
Auf dem Faulbett
Auf mein Faulbett hingestreckt
Überdenk' ich so meine Tage,
Forschend, was wohl dahintersteckt.
Daß ich nur immer klage.
Ich habe zu essen, ich habe Tabak,
Ich lebe in jeder Sphäre,
Ich liebe je nach meinem Geschmack
Blaustrumpf oder Hetäre.
Die sexuelle Psychopathie,
Ich habe sie längst überwunden -
Und dennoch, ich vergess' es nie,
Es waren doch schöne Stunden.
Frank Wedekind
Minnelied
Wohl alle Gedanken
Des Herzens vereine
Ich ohne Wanken
Besorglich auf das eine,
Wie ich bescheine,
Daß ich schon lange
Sie meine, mit Sange
Mit treuem Muthe
Die Reine,
Die Gute.
Euch dank' ich, ihr Sinne,
Die freundliche Lehre,
Daß ich sie minne,
Die Gluth geschäftig nähre
Und Liebchens Ehre
Durch neue Weisen
Zu preisen
Begehre.
Ja ich ersehne
Die Hehre,
Die Schöne.
O sagt, wer die Stunden
Des Heiles beschriebe,
Wenn überwunden
Sie mein aus zartem Triebe,
Mein würde und...
Heinrich von Veldink oder Veldig
Träume
Träume kommen und gehen,
mal sind sie fern, mal nah,
nicht immer deutlich zu sehen,
doch oft bewußt und klar.
Ich möchte so vieles noch machen,
viel Schönes erleben und sehen,
will nicht mehr weinen – nur lachen,
und auf der Sonnenseite stehen.
Doch dunkle Wolken hüllen
oft meine Träume ein.
Was wird sich noch erfüllen,
was wird noch möglich sein?
Träume kommen und gehen,
doch meistens sind sie ganz klar,
ich kann sie deutlich sehen,
und hoffe, sie werden wahr.
Edith Tries