Schatten Zitate (Seite 3)
Einkehr
Bei einem Wirte wundermild
Da war ich jüngst zu Gaste.
Ein goldner Apfel war sein Schild
An einem langen Aste.
Es war der gute Apfelbaum
Bei dem ich eingekehret
Mit süßer Kost und frischem Schaum
Hat er mich wohl genähret.
Es kamen in sein grünes Haus
Viel leichtbeschwingte Gäste
Sie sprangen frei und hielten Schmaus
Und sangen auf das Beste.
Ich fand ein Bett in süßer Ruh
Auf weichen, grünen Matten
Der Wirt er deckte selbst mich zu
Mit seinem kühlen Schatten.
Nun fragt ich nach der...
Ludwig Uhland
Verborgenes Leid.
Im Walde wohnt mein Leid,
ich darf es niemand klagen,
zum Walde muß ich's tragen,
zur tiefsten Einsamkeit.
Kommt je in künftiger Zeit,
ein Mensch zu jenen Gründen,
im Walde kann er finden
mein scheues Herzeleid.
Sieht er im Walde weit,
recht einsam und verschwiegen,
die tiefsten Schatten liegen,
das ist mein finstres Leid.
Ludwig Uhland
Von vier Uhr bis sieben
Im Herz, wie im Spiegel, ein Schatten,
Auch unter den Leuten – alleine geblieben…
Der Tag geht nur langsam von statten
Von vier Uhr bis sieben!
Ich brauch keine Menschen – sie lügen
Und werden grausam bei Dämmerung.
Ich könnte weinen. Zur Schnur
Haben die Finger das Tüchlein gewrungen.
Hab ich dich beleidigt – verzeih,
Doch bitt ich, mich nicht zu betrüben!
– Ich spüre unendliche Traurigkeit
Von vier Uhr bis sieben.
Marina Ivanovna Tsvetaeva
Die Raben
Über den schwarzen Winkel hasten
Am Mittag die Raben mit hartem Schrei.
Ihr Schatten streift an der Hirschkuh vorbei
Und manchmal sieht man sie mürrisch rasten.
O wie sie die braune Stille stören,
In der ein Acker sich verzückt,
Wie ein Weib, das schwere Ahnung berückt,
Und manchmal kann man sie keifen hören
Um ein Aas, das sie irgendwo wittern,
Und plötzlich richten nach Nord sie den Flug
Und schwinden wie ein Leichenzug
In Lüften, die von Wollust zittern.
Georg Trakl
Melancholie des Abends
– Der Wald, der sich verstorben breitet –
Und Schatten sind um ihn, wie Hecken.
Das Wild kommt zitternd aus Verstecken,
Indes ein Bach ganz leise gleitet.
Und Farnen folgt und alten Steinen
Und silbern glänzt aus Laubgewinden.
Man hört ihn bald in schwarzen Schlünden –
Vielleicht, daß auch schon Sterne scheinen.
Der dunkle Plan scheint ohne Maßen,
Verstreute Dörfer, Sumpf und Weiher,
Und etwas täuscht dir vor ein Feuer.
Ein kalter Glanz huscht über Straßen.
Am Himmel...
Georg Trakl
In den Nachmittag geflüstert
Sonne, herbstlich dünn und zag,
Und das Obst fällt von den Bäumen.
Stille wohnt in blauen Räumen
Einen langen Nachmittag.
Sterbeklänge von Metall;
Und ein weißes Tier bricht nieder.
Brauner Mädchen rauhe Lieder
Sind verweht im Blätterfall.
Stirne Gottes Farben träumt,
Spürt des Wahnsinns sanfte Flügel.
Schatten drehen sich am Hügel
Von Verwesung schwarz umsäumt.
Dämmerung voll Ruh und Wein;
traurige Gitarren rinnen.
Und zur milden Lampe drinnen
Kehrst du wie im...
Georg Trakl
Im Frühling
Leise sank von allen Schritten der Schnee
Im Schatten des Baums
Heben die rosigen Lider Liebende.
Immer folgt den dunklen Rufen der Schiffer
Stern und Nacht
Und die Ruder schlagen leise im Takt.
Balde an verfallener Mauer blühen
Die Veilchen,
Ergrünt so stille die Schläfe der Einsamen.
Georg Trakl
An Mauern hin
Es geht ein alter Weg entlang
An wilden Gärten und einsamen Mauern.
Tausendjährige Eiben schauern
Im steigenden fallenden Windgesang.
Die Falter tanzen, als stürben sie bald,
Mein Blick trinkt weinend die Schatten und Lichter.
Ferne schweben Frauengesichter
Geisterhaft ins Blau gemalt.
Ein Lächeln zittert im Sonnenschein,
Indes ich langsam weiterschreite;
Unendliche Liebe gibt das Geleite
Leise ergrünt das harte Gestein.
Georg Trakl
Musik im Mirabell
Ein Brunnen singt. Die Wolken stehn
Im klaren Blau die weißen zarten.
Bedächtig stille Menschen gehn
Am Abend durch den alten Garten.
Der Ahnen Marmor ist ergraut
Ein Vogelzug streift in die Weiten.
Ein Faun mit toten Augen schaut
Nach Schatten, die ins Dunkel gleiten.
Das Laub fällt rot vom alten Baum
Und kreist herein durchs offene Fenster.
Ein Feuerschein glüht auf im Raum
Und malet trübe Angstgespenster.
Opaliger Dunst webt über das Gras
Ein Teppich von...
Georg Trakl
– – so eigen ist's mit menschlicher,
Mit weiblicher Natur bestellt: es mischt
Sich mit dem Himmlischen das Irdische,
Mit ihm sogar das Dämonische.
Ja, da gerade, wo
Gott einen Engel schaffen will, da kämpft
Von unten auf der Dämon störend an,
Schwarz seine Schatten werfend
Ins gottgeborne, reine Geisterlicht.
John Taylor
Ybbsuferweg
Wir können wieder diesen Weg begehen,
der uns durch schaurig wilde Felsen führt,
wo uns gar mancher hohe Baum berührt,
vom Fluß herauf die leichten Winde wehen;
und immer Neues werden wir da sehen:
da ist die Höhle, die ich mir erkürt
zur liebsten, hier die Wand, von der man spürt,
daß Häuser oben sitzen wie Museen.
Wie herrlich kann den Schatten man genießen,
und schaun, wie Silberpunkte abwärts fließen
der alten Stadt entgegen wunderbar.
In unsre Seelen zieht ein selt’ner...
Ingrid Streicher
Wohl rief ich sanft dich an mein Herz,
Doch blieben meine Arme leer;
Der Stimme Zauber, der du sonst
Nie widerstandest, galt nicht mehr.
Was jetzt dein Leben füllen wird,
Wohin du gehst, wohin du irrst,
Ich weiß es nicht; ich weiß allein,
Daß du mir nie mehr lächeln wirst.
Doch kommt erst jene stille Zeit,
Wo uns das Leben läßt allein,
Dann wird, wie in der Jugend einst,
Nur meine Liebe bei dir sein.
Dann wird, was jetzt geschehen mag,
Wie Schatten dir vorübergehn,
Und nur die Zeit, die nun...
Theodor Storm
Verloren
Was Holdes liegt mir in dem Sinn,
Das ich vor Zeit einmal besessen;
Ich weiß nicht, wo es kommen hin,
Auch, was es war, ist mir vergessen.
Vielleicht – am fernen Waldesrand,
Wo ich am lichten Junimorgen
– Die Kinder klein und klein die Sorgen –
Mit dir gesessen Hand in Hand,
Indes vom Fels die Quelle tropfte,
Die Amsel schallend schlug im Grund,
Mein Herz in gleichen Schlägen klopfte
Und glücklich lächelnd schwieg dein Mund;
In grünen Schatten lag der Ort –
Wenn nur der weite Raum...
Theodor Storm
Die Amsel lockt, die Hasel stäubt,
Im Erdengrund es heimlich treibt,
Nicht lang, der gelbe Krokus blüht,
Nicht lang, und bald die Rose glüht;
Bald wogt in heißer Luft das Korn,
Im Neste zirpt's, im Heckendorn;
Es rauscht und braust das Waldesgrün,
Von Berg und Tal die Schatten fliehn;
Und hingestreckt auf blumiger Au
Senk ich den Blick ins Himmelsblau,
Und frei von Schwere wir die Brust,
Wie ist die Welt voll Lieb und Lust!
Wird's balde sein? – Noch ist so grau
Der Himmel und die Luft so rauh...
Wilhelm August Theodor Steinhausen