Recht Zitate (Seite 38)
Beruf des Storches
Der Storch, der sich vom Fisch und Wurm
in unserem Teiche nähret,
was nistet er auf dem Kirchenturm,
wo er nicht hingehört?
Dort klappert und klappert er genug,
verdrießlich anzuhören;
doch wagt es weder Alt noch Jung,
ihm in das Nest zu stören.
Wodurch – gesagt mit Reverenz –
kann er sein Recht beweisen
als durch die löbliche Tendenz,
aufs Kirchendach zu ...?
Johann Wolfgang von Goethe
Geheimnis
Über meines Liebchens Äugeln
Stehn verwundert alle Leute;
Ich, der Wissende, dagegen
Weiß recht gut, was das bedeute.
Denn es heißt: ich liebe diesen
Und nicht etwa den und jenen.
Lasset nur, ihr guten Leute,
Euer Wundern, euer Sehnen!
Ja, mit ungeheuren Mächten
Blicket sie wohl in die Runde;
Doch sie sucht nur zu verkünden
Ihm die nächste süße Stunde.
Johann Wolfgang von Goethe
Ein edler Mensch kann einem engen Kreise
Nicht seine Bildung danken. Vaterland
Und Welt muß auf ihn wirken. Ruhm und Tadel
Muß er ertragen lernen. Sich und andere
Wird er gezwungen, recht zu kennen. Ihn
Wiegt nicht die Einsamkeit mehr schmeichelnd ein.
Es will der Feind, – es darf der Freund nicht schonen.
Dann übt der Jüngling streitend seine Kräfte,
Fühlt, was er ist und fühlt sich bald ein Mann.
Johann Wolfgang von Goethe
Gärtnerinnen
Euren Beifall zu gewinnen,
Schmückten wir uns diese Nacht,
Junge Florentinerinnen
Folgten deutschen Hofes Pracht;
Tragen wir in braunen Locken
Mancher heitern Blume Zier;
Seidenfäden, Seidenflocken
Spielen ihre Rolle hier.
Denn wir halten es verdienstlich,
Lobenswürdig ganz und gar,
Unsere Blumen, glänzend künstlich,
Blühen fort das ganze Jahr.
Allerlei gefärbten Schnitzeln
Ward symmetrisch recht getan;
Mögt ihr Stück für Stück bewitzeln,
Doch das Ganze zieht euch...
Johann Wolfgang von Goethe
So lang man nüchtern ist
So lang man nüchtern ist,
Gefällt das Schlechte;
Wie man getrunken hat,
Weiß man das Rechte;
Nur ist das Übermaß
Auch gleich zu handen:
Hafis, o lehre mich,
Wie du's verstanden!
Denn meine Meinung ist
Nicht übertreiben:
Wenn man nicht trinken kann,
Soll man nicht lieben;
Doch sollt ihr Trinker euch
Nicht besser dünken:
Wenn man nicht lieben kann,
Soll man nicht trinken.
Johann Wolfgang von Goethe
Epimenides' Erwachen
(Letzte Strophe)
Verflucht sei, wer nach falschem Rat,
Mit überfrechem Mut,
Das, was der Korse-Franke tat,
Nun als ein Deutscher tut!
Er fühle spät, er fühle früh,
Es sei ein dauernd Recht;
Ihm geh es, trotz Gewalt und Müh,
Ihm und den Seinen schlecht!
Johann Wolfgang von Goethe
Nur gedroschen auf der Tenne
Springt hervor das goldne Korn;
Nur getreten in der Kelter
Quillt des Weines Purpurborn,
Und der süße Kelch der Rose
Blüht am rauhen Hagedorn,
Und zum königlichen Sprunge
Zwingt das Roß der scharfe Sporn.
Ja, es reift die rechte Freude
Nur im Schoß der Traurigkeit,
Und die Mutter schöner Kinder
Ist das bleiche Herzeleid.
Gottes hellste Friedenssterne
Leuchten in der Dunkelheit;
Gottes liebste Segensengel
Melden sich im Trauerkleid.
Karl Gerok
Das ist der Bildung Fluch, darin wir leben,
Daß ihr das Beste untergeht im Vielen;
Mit jedem Elemente will sie spielen
Und wagt sich keinem voll dahinzugeben.
Kaum winkt ihr rechts ein Kranz, darnach zu streben,
So reizt ein neuer sie, nach links zu schielen;
Von Zweck zu Zweck gelockt, von Ziel zu Zielen,
Als Falter schwärmt sie, statt als Aar zu schweben.
Getaucht in alles und von nichts durchdrungen,
Preist sie sich reich, wenn folgsam jedem Stoße
Ein Maß buntscheckigen Wissens sie...
Emanuel Geibel
Bleich war das Kind zu nennen – geboren im Schoße der Armut,
Ward er aus Mitleid genährt, fast nur aus Mitleid gepflegt.
Bald doch wuchs er heran. Von hohen Zielen getragen,
Schlug er mutig sich durch als der Bedrückten Prophet.
Furchtlos nun schaut er in die Tiefe, drin seine Feinde versinken,
Feinde der Gleichheit, des Rechts, Feinde der Bildung, des Lichts.
Und er wird siegen, muß siegen – das Banner der Zukunft ihm reichend,
Will es die Logik der Zeit, fordert's der Mehrheit Geschick.
August Geib
Wenn
Ja, hätte mir von Anbeginn
So manches nicht gefehlt,
Und hätt' ich nur mit anderm Sinn
Den andern Weg gewählt,
Und hätt' ich auf dem rechten Pfad
Die rechte Hilf' empfahn
Und so statt dessen, was ich tat,
Das Gegenteil getan,
Und hätt' ich vieles nicht gemußt
Auf höheres Geheiß
Und nur die Hälft' vorher gewußt
Von dem, was heut' ich weiß,
Und hätt' ich ernstlich nur gewollt,
Ja, wollt' ich nur noch jetzt,
Und wäre mir das Glück so hold
Wie manchem, der's nicht schätzt,
Und hätt' ich...
Ludwig Fulda