Raum Zitate (Seite 4)
In der Vaterstadt
Das sind die alten Wege,
Die schattigen Alleen,
Des Parkes alte Stege,
Felsburg und kleine Seen.
Das sind die alten Gassen,
Der Marktplatz leer und breit,
Vollauf ist Raum gelassen
Für Kinderlustbarkeit.
Das sind die Laubengänge,
Die uns so wohl behagt,
Durch deren luft'ge Länge
Wir jauchzend uns gejagt.
Und hier am Hallenbaue,
Hier steht das Vaterhaus.
Ehrwürdig Haupt, o schaue –
Ich harre – schau heraus!
O Mutterbild, erscheine!
Geschwister, kommt ans Licht!
Der teueren...
Friedrich Theodor von Vischer
Stille
Still, still, still!
Es schweiget Feld und See und Wald,
Kein Vogel singt, kein Fußtritt hallt;
Bald, bald
Kommt weiß und kalt
Der todte Winter
Über dich, Erde,
Und deine Kinder.
Auch du wirst still,
Mein Herz; der Sturm, der sonst so wild
Dich rüttelt, schweigt. Ein jedes Bild
Verhüllt.
Ganz, ganz gestillt
Liegst du im Schlummer.
Es schweigt die Freude,
Es schläft der Kummer.
Still, still, still!
Er kommt, er kommt, der stille Traum
Von einen. stillen kleinen Raum.
Kaum, kaum,
Du...
Friedrich Theodor von Vischer
Ruhe
(übers. v. Richard Dehmel)
Ein großer schwarzer Traum
legt sich auf mein Leben;
alles wird zu Raum,
alles will entschweben.
Ich kann nichts mehr sehn,
all das Gute, Schlimme;
kann dich nicht verstehn,
o du trübe Stimme.
Eine dunkle Hand
schaukelt meinen Willen;
glättet mein Gewand,
still im Stillen.
Paul Verlaine
Morgenlied
Noch ahnt man kaum der Sonne Licht,
noch sind die Morgenglocken nicht
im finstern Tal erklungen.
Wie still des Tales weiter Raum!
Die Vögel zwitschern nur im Traum,
kein Sang hat sich erschwungen.
Ich hab' mich längst ins Feld gemacht
und habe schon dies Lied erdacht
und hab' es laut gesungen.
Ludwig Uhland
Befohlen hast du mir, geliebte Freundin,
Auf dieses Blattes enggemess'nen Raum
Zu bannen einen freundlichen Gedanken.
Nicht lange sinn' ich wählend und verwerfend,
Denn in mir lebt und blüht der lieblichste
Und allerfroh'ste – der Gedanke an dich.
Ihn hauch ich auf dies hochbeglückte Blatt.
Wenn du nun siehst den sehnenden Gedanken,
So denk' an mich und die Gedanken schlingen
Dann durcheinander sich im leichten Spiel
Und weben sich zum Kranz, den weih' ich dir.
Peter Friedrich von Uechtritz
In Venedig
Stille im nächtigen Zimmer.
Silbern flackert der Leuchter
Vor dem singendem Odem
Des Einsamen;
Zaubrisches Rosengewölk.
Schwärzlicher Fliegenschwarm
Verdunkelt den steinernen Raum,
Und es starrt von der Qual
Des goldenen Tags das Haupt
Des Heimatlosen.
Reglos nachtet das Meer.
Stern und schwärzliche Fahrt
Entschwand am Kanal.
Kind, dein kränkliches Lächeln
Folgte mir leise im Schlaf.
Georg Trakl
Musik im Mirabell
Ein Brunnen singt. Die Wolken stehn
Im klaren Blau die weißen zarten.
Bedächtig stille Menschen gehn
Am Abend durch den alten Garten.
Der Ahnen Marmor ist ergraut
Ein Vogelzug streift in die Weiten.
Ein Faun mit toten Augen schaut
Nach Schatten, die ins Dunkel gleiten.
Das Laub fällt rot vom alten Baum
Und kreist herein durchs offene Fenster.
Ein Feuerschein glüht auf im Raum
Und malet trübe Angstgespenster.
Opaliger Dunst webt über das Gras
Ein Teppich von...
Georg Trakl
In Anbetung versunken, des Daseins kaum bewußt,
So saßen noch lang wir und staunten in wehmutsvoller Lust. –
So sinken die lieblichen Tage hinab in die Ewigkeit,
So sinkt ein glückliches Leben in die Vergangenheit.
So sinkt getäuschtes Hoffen, es war ein seliger Traum.
Davon wird nimmer gesprochen. Der Klage laß keinen Raum! –
Davon wird nimmer gesprochen, wie glücklich preis ich den Mann,
Der auf das Grab seiner Wünsche dies Kreuzlein setzen kann.
Rudolf von Tavel
Den Blick ins Herz und frage dich,
Ob drinnen aufgestellt
Die Krippe mit dem Christuskind,
Dem Herren aller Welt,
Und ob das Kreuz dabei nicht fehlt
Mit seinem blut'gen Schein;
Für Bethlehem und Golgatha
Muß Raum im Herzen sein!
Und dann hinaus in alle Welt!
Und wo noch weilt die Nacht,
Verkünde du als Morgenstern
Den Tag, den Gott gemacht!
Gründ' überall ein Bethlehem,
Wo man die Krippe sieht,
Und überall ein Golgatha,
Wo man am Kreuze kniet.
Julius Karl Reinhold Sturm
Da sitzt der Kauz im Ulmenbaum
Und heult und heult im Ulmenbaum.
Die Welt hat für uns beide Raum!
Was heult der Kauz im Ulmenbaum
Von Sterben und von Sterben?
Und übern Weg die Nachtigall,
Genüber pfeift die Nachtigall.
O weh, die Lieb ist gangen all!
Was pfeift so süß die Nachtigall
Von Liebe und von Liebe?
Zur Rechten hell ein Liebeslied,
Zur Linken grell ein Sterbelied!
Ach, bleibt denn nichts, wenn Liebe schied,
Denn nichts als nur ein Sterbelied
Kaum wegbreit noch hinüber?
Theodor Storm
Wie wenn das Leben wär nichts andres
Wie wenn das Leben wär nichts andres
Als das Verbrennen eines Lichts!
Verloren geht kein einzig Teilchen,
Jedoch wir selber gehn ins Nichts!
Denn was wir Leib und Seele nennen,
So fest in eins gestaltet kaum,
Es löst sich auf in Tausendteilchen
Und wimmelt durch den öden Raum.
Es waltet stets dasselbe Leben,
Natur geht ihren ew'gen Lauf;
In tausend neuerschaffnen Wesen
Stehn diese tausend Teilchen auf.
Das Wesen aber ist verloren,
Das nur durch ihren...
Theodor Storm
Verloren
Was Holdes liegt mir in dem Sinn,
Das ich vor Zeit einmal besessen;
Ich weiß nicht, wo es kommen hin,
Auch, was es war, ist mir vergessen.
Vielleicht – am fernen Waldesrand,
Wo ich am lichten Junimorgen
– Die Kinder klein und klein die Sorgen –
Mit dir gesessen Hand in Hand,
Indes vom Fels die Quelle tropfte,
Die Amsel schallend schlug im Grund,
Mein Herz in gleichen Schlägen klopfte
Und glücklich lächelnd schwieg dein Mund;
In grünen Schatten lag der Ort –
Wenn nur der weite Raum...
Theodor Storm