Nur Zitate (Seite 325)
Als ich noch still sein mußte,
wenn Erwachsene sich unterhielten,
freute ich mich darauf,
endlich mitreden zu dürfen. –
Nur fehlen mir
heute leider
oft die Worte.
Und ich verstehe nicht,
warum ich damals
nichts sagen durfte,
denn Lügen –
das konnte ich als Kind
schon ganz gut.
Kristiane Allert-Wybranietz
Durch mich gelangt man in die Stadt der Schmerzen,
Durch mich zu wandellosen Bitternissen,
Durch mich erreicht man die verlorenen Herzen.
Gerechtigkeit hat mich dem Nichts entrissen;
Mich schuf die Kraft, die sich durch alles breitet,
Die erste Liebe und das höchste Wissen.
Vor mir ward nichts Geschaffenes bereitet,
Nur ew'ges Sein, so wie ich ewig bin:
Laßt jede Hoffnung, die ihr mich durchschreitet
Dante Alighieri
Was ist wahre Einsamkeit?
Sind wir einsam, wenn das Leben
Rings von Stille ist umgeben?
Wenn die rege Phantasie
Uns in schaffender Magie
Neu beseelt mit süßem Streben
Bilder der Vergangenheit? –
Ist das wahre Einsamkeit?
Nein, nur das ist Einsamkeit,
Wenn sich Wesen um uns drängen,
Denen nicht in zarten Klängen
Sich vernehmbar macht das Herz,
Oft voll Wonne, oft voll Schmerz –
Die uns das Gemüth verengen
Durch der Langeweile Leid –
Das ist wahre Einsamkeit!
Charlotte von Ahlefeld
Glück der Liebe
Einem Schmetterlinge gleicht die Liebe;
Wie er flatternd über Blumen schwebt,
So entflieht sie oft auf leichten Schwingen,
Und nur selten kehrt sie uns zurück.
Um gewaltsam ihre Flucht zu hemmen,
Strebt das kranke Herz mit leisem Weh;
Möcht' ihr gern die raschen Flügel binden,
Gern sie bannen in der Treue Kreis.
Aber wie des Schmetterlinges Farben
Selbst in zarten Händen untergehn,
So vernichten Fesseln auch die Reize,
Die der...
Charlotte von Ahlefeld
Oh Gott, so frage ich dich,
auch wenn ich weiß, ganz innerlich,
Dich gab es wohl nie, und wird es nie geben.
Mit dieser Erkenntnis ist es schwer zu leben.
Und dennoch frag' ich, denn ich weiß ja nicht.
Welch Gott bist du? Ein blinder vielleicht?
Wenn ich doch nur könnte sehen in dein Gesicht.
Siehst du denn nicht, all dieses Leid?
Wie kann es sein, so frag' ich erneut,
dass die halbe Menschheit geprägt ist von Leid,
während sich die andere über zu viel Nahrung freut.
Und auf der anderen Seite...
Nargis Ahadi
Die Grille und die Ameise
Die Grille, die den Sommer lang
zirpt’ und sang,
litt, da nun der Winter droht’,
harte Zeit und bittre Not:
Nicht das kleinste Würmchen nur,
und von Fliegen keine Spur!
Und vor Hunger weinend leise,
schlich sie zur Nachbarin Ameise,
fleht' sie an, in ihrer Not
ihr zu leihn ein Stückchen Brot,
bis der Sommer wiederkehre.
"Hör",sprach sie, "auf Grillenehre,
vor der Ernte noch bezahl'
Zins ich dir und Kapital."
Die Ameise, die, wie manche lieben
Leute, das Verleihen...
Aesop
Später Baum
Andre glänzten früh in ihrer Blüte,
andre reiften ihre Frucht schon lang,
nur ich einer, säfteschwerer, mühte
mich umsonst und sorgte mich schon bang.
Da, im späten Herbsten, sonnte Regen
süß durch mich hindurch, den ich erfleht,
und nun hebe ich dem Licht entgegen
Frucht um Frucht als goldnes Dankgebet.
Jede Not des Wartens, Hoffens, Leidens
scheint mit im erlangten Ziele hold –
alles war Gesetz des Fruchtbereitens
und: ich selber hab es so gewollt.
Hans Christoph Ade