Mutter Zitate (Seite 4)
Himmel oder Frühling?
Habt ihr mich hinausgetragen,
in den Wald, den morgenfrischen,
wo die Nachtigallen schlagen
in den jungen Rosenbüschen?
Mutter, hilf mir aus dem Bette!
Auf den Rasen möcht ich springen
wie das Reh, und um die Wette
möcht ich mit der Lerche singen.
Und von Blumen welch Gewimmel!
Ach, so schön war's nie auf Erden!
Mutter, sag, ist das der Himmel,
oder will es Frühling werden.
Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg
In der Nacht
Unruhig steht die Sehnsucht auf,
Ihr ist so schwül, sie atmet tief,
Und hundert Wünsche stehen auf,
Die sie am müden Tag verschlief.
Sie rührt der Mutter an den Saum,
Der Mutter Nacht, die achtets kaum,
Und denkt, es wär der Wind, der strich.
Die Wimper hebt sie wie aus tiefem Traum
Und lächelt irr und wunderlich.
Gustav Falke
Die Mutter
Denk an das Aug’, das, überwacht,
noch eine Freude dir bereitet;
denk an die Hand, die manche Nacht
dein Schmerzenslager dir gebreitet.
Des Herzens denk, das einzig wund
und einzig selig deinetwegen;
und dann knie nieder auf den Grund
und fleh um deiner Mutter Segen.
Annette von Droste-Hülshoff
Verliebt
Mutter, löse die Spangen mir!
Mich hat ein Fieber befallen,
Denn das Fenster ließest du auf,
Das immer sorglich verhängte.
Und im Garten ich Mädchen sah,
Die warfen Ringe im Kreise,
Flatternd selber, ein Blütenschnee,
Vom leichten Winde getragen.
Immer flöten nun Stimmen mir,
Und immer Spiegel mir flirren,
Blind geworden bin ich schon ganz,
Taub wer' ich nächstens werden.
Mutter, löse die Spangen mir!
Mich hat ein Fieber befallen.
Annette von Droste-Hülshoff
Das unschuldige Mädchen
Meine Mutter sagt' mir:
"Deine Lippen gab dir
Zum Sprechen, Tochter, die Natur,
Und zum Sprechen brauch' sie nur."
Warum sind sie so rot?
Oh, ich könnt' auch mit weißen Lippen sprechen,
Und warum gebot
Meine Mutter: nur zum Sprechen?
Wer zeigt mir armen Mädchen an,
Was mein Mund mehr als sprechen kann?
Matthias Claudius
Nach Jahren
Die Mutter lehnt am schattigen Thor,
Ihr blondes Töchterchen kniete davor,
Brach Rosen sich und Vergißmeinnicht,
Und küßt sie mit lachendem Angesicht:
»Ei! Mutter, bin ich so groß wie du,
Dann trag' ich dir Alles im Hause zu,
Dann heg' und pfleg' ich dich lieb und fein
Wie die Rosen und die Vergißnichtmein.« –
Und Jahre schwanden, – am schattigen Thor
Ragt höher und voller der Flieder empor!
Ein Mägdlein umfaßt des Geliebten Arm,
Es schlagen ihre Herzen so treu und warm,
Doch...
Adolf Böttger
Opferfreudiges Herz, das Herz einer Mutter! Nicht das Liebste auf der Welt vermag uns so wieder zu lieben, die Liebe so tausendfach zurückzugeben, selbst das zu lieben, wo es schnöden Undank findet, wie gerade das Herz der Mutter. Bereitet ihm tausendfache Qualen, und es wird lächeln auf der Folterbank, wenn es nur für den Liebling leiden und dulden kann!
Hans Wachenhusen
Selbstliebe ist die Mutter der bürgerlichen Gesellschaft und Geselligkeit, der ganzen Entwicklung unserer Körper und Geisteskräfte, aller Wissenschaft und Kunst – aber auch die Mutter aller Übel, der Gewalt des Starken über den Schwächeren, der Despoten und Priester, der Zwietracht und des Streites, der List und des Truges unter den Menschen, und, vor allen Dingen, der Selbsttäuschung und der Selbstüberhebung.
Heribert Rau
Als ein Hahn ein Küchlein aufs Blut pickte und die Mutter dem Hahn ohne Gegenwehr zusah, entfloh das verwundete Küken unter einen Holzstoß und kam nicht mehr hervor. So sehr auch die Henne ihm lockend rief, blieb es doch unbewegt unter dem Holzstoß und starb dort voll gleichen Entsetzens über das Picken des Vaters und über das Zusehen der Mutter.
Johann Heinrich Pestalozzi