Müde Zitate (Seite 34)
Die andern Künste erlegen dem Geist bestimmt umrissene Schöpfungen auf, die Musik ist in den ihrigen unbegrenzt. Wir müssen die Gedanken des Dichters, das Gemälde des Malers, das Bildwerk des Bildhauers hinnehmen; aber jeder von uns legt die Musik je nach seinem Schmerz oder seiner Freude aus, nach seinen Hoffnungen oder seiner Hoffnungslosigkeit. Dort, wo die andern Künste unsere Gedanken einkreisen, indem sie sie auf etwas bestimmt Umrissenes festlegen, läßt die Musik sie gerade entfesselt...
Honoré de Balzac
Die Eifersucht ist keine Leidenschaft. Es ist eine Furcht! Die tiefste Furcht, die ewige des Lebens, die unentrinnbare organische Furcht, etwas zu verlieren, ohne das man nicht mehr lebendig sein kann – seine Lunge, sein Rückenmark, sein Gehirn, das Herz des anderen, welches unseres geworden ist und welches unseren Blutkreislauf erhält und schützt wie das eigene. Wie wenn dieses stille stünde, ist der Verlust des anderen. Die Eifersucht ist keine Leidenschaft! Die Eifersucht ist eine Furcht,...
Peter Altenberg
Pfui über die schlechten Mahlzeiten, welche jetzt die Menschen machen, in den Gasthäusern sowohl als überall, wo die wohlbestellte Klasse der Gesellschaft lebt! Selbst wenn hochansehnliche Gelehrte zusammenkommen, ist es dieselbe Sitte, welche ihren Tisch wie den des Bankiers füllt: nach dem Gesetz des "Viel zuviel" und des "Vielerlei" - woraus folgt, daß die Speisen auf den Effekt und nicht auf die Wirkung hin zubereitet werden, und aufregende Getränke helfen müssen, die Schwere im Magen und...
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Der Anarchist
Reicht mir in der Todesstunde
Nicht in Gnaden den Pokal!
Von des Weibes heißem Munde
Laßt mich trinken noch einmal!
Mögt ihr sinnlos euch berauschen,
Wenn mein Blut zerrinnt im Sand.
Meinen Kuß mag sie nicht tauschen.
Nicht für Brot aus Henkershand.
Einen Sohn wird sie gebären,
Dem mein Kreuz im Herzen steht,
Der für seiner Mutter Zähren
Eurer Kinder Häupter mäht.
Frank Wedekind
Die Rose im Thal
Von Berg zum Thal das Waldhorn klang;
Im blühenden Thal das Mägdlein sang:
Von der Rose, der Rose im Thal!
Der Jäger hörte des Mägdlein Sang;
Seinem Waldhorn bei dem Lied verklang:
Von der Rose, der Rose im Thal!
Der Jäger dort oben lauschte so bang:
Als leise das Lied im Thal verklang:
Von der Rose, der Rose im Thal!
Er zog gar stille die Berge entlang,
Und immer im Ohre das Lied ihm klang:
Von der Rose, der Rose im Thal!
Heinrich Seidel
Ergebung
Mag immerhin der Strom entgleiten,
Der meines Lebens Kahn entführt;
Indeß der Bord der Jugendzeiten
Sich mir in Fernungsduft verliert.
Zwo Töchter der Erfahrung stiegen
In meinen Kahn und weichen nie:
Verklärten Schmerz in trüben Zügen,
Süßlächelnde M e l a n c h o l i e.
Die andre, die mit leisem Dämpfer
Der Seele Saiten reiner stimmt,
E r g e b u n g, die geprüfte Kämpfer
In ihres Schilds Umschattung nimmt.
Wenn jene tief in meine Laute
Nach rührenden Akkorden greift;
Ruft die,...
Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis
So ist's
Das aber nehmt euch einmal zu Verstande:
Daß einer nie sein Höchstes kann vollbringen,
Wenn nicht ein Gott ihm gnädig löst die Schwingen,
Und nicht ein günst'ger Wind ihn treibt vom Strande.
Denn nie gedeiht der Baum in dumpfem Sande,
Zu Tod sich flattern muß der Aar in Schlingen –
Und ernstes Tun kann stets nur halb gelingen,
Wenn sich die Mitwelt freut an hohlem Tande.
Ja, ob auch eigne Kraft und tiefstes Wollen
Die Größe hebt aus den gemeinen Gleisen:
Des Lebens Mächten muß ein...
Ferdinand von Saar