Morgen Zitate (Seite 24)
Ich habe, bevor der Morgen
Im Osten noch gegraut,
Am Fenster zitternd geharret
Und dort hinaus geschaut.
Und in der Mittagsstunde,
da hab' ich bitter geweint,
Und habe doch im Herzen:
Er kommt wohl noch, gemeint.
Die Nacht, die Nacht ist kommen,
Vor der ich mich gescheut;
Nun ist der Tag verloren,
Auf den ich mich gefreut.
Adelbert von Chamisso
O du, mein frühster Freund, vor allen wert,
Trost meines Herzens, dem kein Trost mehr lacht!
Wenn nun mein Tag auf ewig dich entbehrt,
So gönne mir dein Bild im Traum der Nacht!
Und wenn, zu neuem Leben dann entfacht,
Der Morgen die geheimen Tränen weckt,
Dann hält an deiner Gruft die Sehnsucht Wacht,
Bis Staub auch meinen armen Staub bedeckt
Und zum Beweinen still der Weinende sich streckt.
Lord George Gordon Noel Byron
Der Winter ging, der Sommer kam,
er bringt aufs Neue wieder
den viel beliebten Wunderkram
der Blumen und der Lieder.
Wie das so wechselt Jahr um Jahr,
betracht ich fast mit Sorgen.
Was lebte, starb, was ist, es war,
und heute wird zu morgen.
Stets muss die Bildnerin Natur
den alten Ton benutzen
im Haus und Garten, Wald und Flur
zu ihren neuen Skizzen.
Wilhelm Busch
Die alte Sorge:
Er kriegte Geld, die Sorge wich,
die ihn bisher beklommen.
er hat die Jungfer Fröhlich sich
zu seinem Schatz genommen.
Sie tranken Wein, sie aßen fein,
sie sangen zum Klaviere;
doch wie sie sich so recht erfreun,
da klopft es an die Türe.
Die alte Sorge war's, o weh,
die magerste der Sorgen.
sie setzte sich ins Kanapee
und wünschte Guten Morgen.
Wilhelm Busch
Noch bin ich ein Kind
Noch fühl ich nur Unschuld und Freuden
Und weiß nicht was Leiden
Und Kümmernis sind.
Noch sehe ich die Welt
So lachend wie Blumengefilde
Voll göttlicher Milde,
Die Alles erhält.
Ich kenne noch nicht
Des Lebens betäubende Sorgen
Die Nacht und der Morgen
Hat Freud im Gesicht!
O lass mich als Kind,
Gott! Leben und Dasein empfinden
Und Seligkeit finden,
Wo Tugenden sind!
Gottlob Wilhelm Burmann
Nachtgedanken
Nicht dem Kleinmut dich ergeben,
Liegt das Morgen noch so weit!
Menschgebornes schleppt am Leben
Und an der Vergangenheit.
Könnten wir in Nächten bleichen
Jedes Tags Erinnerung,
Alle Griffelspuren streichen,
Fühlten wir uns ewig jung!
Doch so mögen sich beschränken
Blatt und Blume, Baum und Tier:
Nur durch schmerzliches Gedenken
Und in Leiden wachsen wir.
Und so bleiben wir verbunden
Jedem Schicksalsschlag und -stoß:
Narben sind und Seelenwunden
Allerhöchtes Menschenlos.
Jakob Boßhart
Ein Leben für die Sinne
Ein Leben für die Sinne,
eine Nacht für die Träume,
ein Tag für den Morgen,
tief in diesem Leben
Leere,
Trance,
Begegnung,
Erinnerung und Wahrnehmung,
vorbeigegangen der Fluß
als mächtiger Wahn,
in Erscheinung
süßroter Engel,
Bilderflut im Innersten,
ein Kuß an Götter,
nie erwacht
bis zu diesem Tag.
Michael Beisteiner
Die Stadt verschlingt Schlaf
Die Stadt verschlingt Schlaf,
wir hier oben,
Lichter,
gedämpft und scheu
legt sich Nacht auf die Dächer,
lachender Tanz der Sterne,
sinnlose Liebesnächte,
froh verzweigt Linien
zertreten vom Menschenmeer,
traurig
im dunklen Kleid
küßt uns die Nacht
in den träumerischen Tod,
begeistert wie freudlos,
hastig löscht der Morgen
treues Feuer,
wirft uns in eine Welt
roher Lichterfluten.
Michael Beisteiner
Was nennt ihr Leben?
Das alltägliche Geschäft des Daseins,
Sommer, Herbst und Winter.
Und wieder Frühling kommen sehn,
und wieder die Blumen morgen welken sehn,
die gestern in bunter Frische glühten?
Wenn die Jugend hinweggeschäumt ist,
mit gelieh'ner Glut den trägen Lauf des greisen Blutes zu spornen?
Das wär's allein, was uns die süße Mühe des Atmens wert macht?
Nein, mein Freund, es ist ein anderes.
Es ist der stille Blick,
den wir zurück in's Herz tun
– wenn wir dort ein trauliches...
Michael Beer
Hinter dem Dorf beim Weidengebüsch
Saß eine Junge und Alte,
Als ich heut morgen so frei und frisch
Dorten vorüber wallte.
Hatte zwei Röslein, das eine war bleich,
Hing verwelket und lose,
Aber das andre war düftereich,
Eine gar prächtige Rose.
Und da warf ich die Rosen hin
Nach den sinnenden Frauen;
Wie ich stehen geblieben bin,
Mocht' ich verwundert schauen,
Daß das blühende Röselein
Lag der Alten im Schooße,
Aber der Jungen fiel hinein
Die verwelkende Rose.
Beide hat es traurig gemacht,
Als...
August Becker