Liebes Zitate (Seite 206)
Brüder
Es lag schon lang ein Toter vor unserm Drahtverhau,
die Sonne auf ihn glühte, ihn kühlte Wind und Tau.
Ich sah ihm alle Tage in sein Gesicht hinein,
und immer fühlt ich's fester: "Es muß mein Bruder sein!"
Ich sah ihn alle Stunden, wie er so vor mir lag,
und hörte seine Stimme aus frohem Friedenstag.
Oft in der Nacht ein Weinen, das aus dem Schlaf mich trieb:
"Mein Bruder, lieber Bruder, hast du mich nicht mehr lieb?"
Bis ich, trotz aller Kugeln, zur Nacht mich ihm genaht
und ihn...
Heinrich Lersch
Feierlich, in wunderbarem Frieden
Feierlich, in wunderbarem Frieden,
ziehen die Gestirne ihre Bahn.
Warum ist mir Ruhe nicht beschieden?
Quält mich Reue? Plagt mich eitler Wahn?
Nein, nichts such ich, was ich einst besessen,
und was war, das hab ich nie bereut.
Ruhen will ich und mich selbst vergessen –
wunschlos ruhn in alle Ewigkeit.
Doch nicht jenen Schlaf in Grabestiefe
suche ich in kalter, dunkler Gruft.
Atmen soll die Brust, als wenn ich schliefe,
atmen will ich warme Sommerluft.
Einer...
Michael Jurjewitsch Lermontow
Das Unendliche
Lieb war mir immer dieser kahle Hügel
Und diese Hecke, die dem Blick so Viel
Vom fernsten Horizont zu schau'n verwehrt.
Und wenn ich sitz' und um mich blicke, träum' ich,
Endlose Weiten, übermenschlich Schweigen
Und allertiefste Ruhe herrsche dort
Jenseit der niedern Schranke, und das Herz
Erschauert mir vor Grau'n. Und hör' ich dann
Den Wind erbrausen im Gezweig, vergleich' ich
Die grenzenlose Stille dort, und hier
Die laute Stimme; und des Ew'gen denk' ich,
Der todten Zeiten...
Giacomo Graf Leopardi
Ach du, um die die Blumen sich
Verliebt aus ihren Knospen drängen,
Und mit der frohen Luft um dich
Entzückt auch ihren Weihrauch mengen,
Um die jetzt Flur und Garten lacht,
Weil sie dein Auge blühen macht.
Ach könnt ich jetzt ein Vogel seyn
Und im verschwiegnen Busch es wagen
Dir meines Herzens hohe Pein,
Die ohne Beyspiel ist, zu klagen.
Empfändest du die Möglichkeit
Von dieser Qualen Trunkenheit.
Vielleicht daß jener Busen sich
Zu einem milden Seufzer hübe,
Der mich bezahlte, daß ich...
Jakob Michael Reinhold Lenz
Zweifelnder Wunsch
Wenn Worte dir vom Rosenmunde wehen,
Bist du so schön! – gesenkten Angesichts
Und still, bist du so schön! – was soll ich flehen;
O rede mir!? O sage nichts!?
Drum laß mich zwischen beiden Himmeln schwanken,
Halb schweigend, sprechend halb, beglücke mich
Und flüstre mir, wie heimlich in Gedanken,
Das süße Wort: Ich liebe dich!
Nikolaus Lenau
Frage nicht
Wie sehr ich dein, soll ich dir sagen?
Ich weiss es nicht und will nicht fragen;
Mein Herz behalte seine Kunde,
Wie tief es dein im Grunde.
O still! ich möchte sonst erschrecken,
Könnt ich die Stelle nicht entdecken,
Die unzerstört für Gott verbliebe
Beim Tode deiner Liebe.
Nikolaus Lenau
Primula veris
Liebliche Blume,
Bist du so früh schon
Wiedergekommen?
Sei mir gegrüßet,
Primula veris!
Leiser denn alle
Blumen der Wiese
Hast du geschlummert,
Liebliche Blume,
Primula veris!
Dir nur vernehmbar
Lockte das erste
Sanfte Geflüster
Weckenden Frühlings,
Primula veris!
Mir auch im Herzen
Blühte vor Zeiten
Schöner denn alle
Blumen der Liebe,
Primula veris!
Nikolaus Lenau
Noch immer, Frühling, bist du nicht
Gekommen in mein Tal,
Wo ich dein liebes Angesicht
Begrüß das letzte Mal.
Frühblumen wähnten dich schon hier,
Frost bringt sie um ihr Glück,
Sie sehnten sich hinaus nach dir,
Und können nicht zurück.
Noch stehn die Bäume dürr und bar
Um deinen Weg herum
Und strecken, eine Bettlerschar,
Nach dir die Arme stumm.
Die Schwalbe fliegt bestürzt umher
Und ruft nach dir voll Gram,
Bereut schon, daß sie über's Meer
Zu früh herüber kam.
Nikolaus Lenau
Der schwere Abend
Die dunklen Wolken hingen
Herab so bang und schwer,
Wir beide traurig gingen
Im Garten hin und her.
So heiß und stumm, so trübe
Und sternlos war die Nacht,
So ganz, wie unsre Liebe,
Zu Tränen nur gemacht.
Und als ich mußte scheiden
Und gute Nacht dir bot,
Wünscht' ich bekümmert beiden
Im Herzen uns den Tod.
Nikolaus Lenau
Abendbild
Friedlicher Abend senkt sich aufs Gefilde;
Sanft entschlummert Natur, um ihre Züge
Schwebt der Dämmerung zarte Verhüllung, und sie
Lächelt die Holde;
Lächelt, ein schlummernd Kind in Vaters Armen,
Der voll Liebe zu ihr sich neigt, sein göttlich
Auge weilt auf ihr, und es weht sein Odem
Über ihr Antlitz.
Nikolaus Lenau
Friede auf Erden
Die Sonne weicht dem Licht der Sterne,
das zärtlich Stadt und Land erhellt.
Und hoffnungsvoll sind nah und ferne
die Menschen auf der ganzen Welt.
Ein Wunsch entsteigt dem Schein der Kerzen
die flackernd auf dem Christbaum glühn:
Es möge doch in alle Herzen
die Sehnsucht nach dem Frieden ziehn.
Wenn Toleranz im Weltgefüge
statt Haß auf Erden überwiegt,
erst dann wächst endlich diese Liebe,
in der der Born des Friedens liegt.
Poldi Lembcke
Österreich
Oh Heimat, du bist an Schönheit so reich
beschenkt von der Mutter Natur.
Es ist das Land namens Österreich,
ein Fleck auf der Weltkarte nur.
Doch bist du das Herz in Europas Mitte,
es gleicht dir kein anderes Land.
Was die Schöpfung erschaffen voll Güte,
muss bewahren der Menschen Hand.
Ich will auf den Berggipfeln stehen,
mich an deinem Anblick berauschen,
das Flüstern der Wälder verstehen
und dem Murmeln der Bäche lauschen.
Dir habe ich meine Seele verschrieben,
meine...
Poldi Lembcke
Mein Ficus-Benjamin
Mein Benji-Baum hat neue Triebe,
ich seh' ihn voller Freude an.
Ach, wie ich dieses Bäumchen liebe,
doch nicht so sehr, wie meinen Mann.
Der Trieb, des Mannes Markenzeichen,
wenn seine Leidenschaft erweckt,
läßt mit dem Baum sich gern vergleichen,
der sich so stolz zum Himmel reckt.
Wenn ihm der Lustabbau geglückt,
sein Atem schnarchend weht,
seh' ich mit wehmutsvollem Blick
zum Baum, der vor mir steht.
Poldi Lembcke